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Klarnamenpflicht - Klarnamenzwang auf Facebook
Klarnamenpflicht im Internet

Veröffentlicht am

Facebook möchte, dass die Nutzer mit ihrem Namen erkennbar sind und forciert die Klarnamenpflicht auf dem eigenen Portal. Erst vor kurzem brachte sich Facebook damit wieder in die Schlagzeilen und löste eine Welle der Empörung aus, da Profile von Dragqueens und -kings, sowie Transgender einfach aus dem sozialen Netzwerk gelöscht wurden. Der Grund dafür war, dass die Profile nicht unter dem juristisch korrekten Namen angemeldet waren. Juristisch stand diese Pflicht zuletzt beim OLG München auf dem Prüfstand. Das Ergebnis: Die Klarnamenpflicht ist zulässig, muss allerdings verhältnismäßig sein. Viele Internetnutzer wollen anonym diskutieren. Das hat allerdings zur Folge, dass die Hemmschwelle für Kommentare und Rechtsverletzungen sinkt. Facebook habe daher an der Verhinderung dieser Streitkultur ein berechtigtes Interesse. Es kam hier unter anderem auch auf Europarecht an, das das OLG München zur Auslegung deutschen Rechts herangezogen hat, OLG München Urteile vom 8.12.2020 Az. 18 U 2822/19, sowie Az. 18 U 5493/19.

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Tobias Röttger, LL.M. Medienrecht

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Klarnamenpflicht in den Nutzungsbedingungen von Facebook

Entscheidend war die Verpflichtung von Facebook zur Nennung eines echten Namens in seinen Nutzungsbedingungen.

In diesen Nutzungsbedingungen heißt es u.a.

                […] Aus diesem Grund musst du Folgendes tun:

Denselben Namen verwenden, den du auch im täglichen Leben verwendest.

 

Sinn der Klarnamenpflicht - Geld und Ehre

Der Sinn hinter der Klarnamenpflicht, den Facebook vorschiebt wäre ebenso ehrenwert wie einfach: Innerhalb von Facebook soll jeder wissen, mit wem er es zu tun hat. Keiner soll sich einem Pseudonym auseinandersetzen müssen, keiner soll sich unter dem Deckmantel der Anonymität verstecken dürfen. Die Eindämmung von Straftaten wie Beleidigungen, Nachstellungen und Cyber-Mobbing, ist ebenso erklärtes Ziel wie die abschreckende und präventive Wirkung auf andere Nutzer. Facebook möchte keine doppelten und auch keine Fake-Profile.

Die Wahrheit: Facebook muss Geld verdienen. Das geschieht über die Werbung und klappt am besten, wenn auch der Name der Nutzer bekannt ist. Verknüpfungen etc. sind möglich - und die sind bares Geld wert.

Kollision mit § 13 VI TMG

Der deutsche Gesetzgeber hatte sich das mit der Klarnamenpflicht ursprünglich einmal anders gedacht: im Hinblick auf die europäische Datenschutzrichtlinie und die Grundgebote des deutschen Datenschutzrechts -Datensparsamkeit und der Datenvermeidung - wurde § 13 VI TMG konzipiert. Ein kleines Stückchen Datenschutzrecht im Telemediengesetz.

Darin steht:

„Der Diensteanbieter hat die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. Der Nutzer ist über diese Möglichkeit zu informieren.“ 

Seit Mai 2018 gilt allerdings die Datenschutzgrundverordung (DSGVO), die die Datenschutzrichtlinie abgelöst hat und in Deutschland unmittelbar geltendes Recht ist. Sie geht dem deutschen Gesetz daher vor und wirkt sich somit auch auf § 13 VI TMG aus.

Klarnamenpflicht von Facebook in Deutschland zulässig oder nicht?

Das OLG München hat in zwei Fällen eine Klarnamenpflicht als zulässig erachtet. Mit den Urteilen vom 8.12.2020 Az. 18 U 2822/19, sowie Az. 18 U 5493/19.

Begründet wurde dies damit, dass Facebook ein berechtigtes Interesse aufgrund eines „weit verbreiteten sozialschädlichen Verhaltens im Internet“ habe. Zur Vermeidung sei eine Klarnamenpflicht hierzu rechtmäßig und verhältnismäßig.

Zuvor hatte es das LG Ingolstadt noch anders gesehen. Die Klarnamen-Pflicht in den Facebook AGB verstoße gegen § 13 VI TMG und sei mit europäischem Datenschutzrecht gerade nicht vereinbar.  

Widerspruch zu den Wertungen der DSGVO?

Das OLG München hat die Norm des § 13 VI TMG europarechtskonform ausgelegt – d.h. sie mit den Regelungen der DSGVO verglichen.

Die DSGVO enthält allerdings keine vergleichbare Verpflichtung anonymes Auftreten im Internet zu ermöglichen. Nach Ansicht des OLG München war das der entscheidende Punkt. Der Verordnungsgeber wollte eine solche Pflicht nicht. Die DSGVO ginge selbst davon aus, dass sich niemand hinter der Anonymität verstecken dürfe.

Diese Erwägungen hat das OLG München herangezogen und hielt die Klarnamenpflicht im Einzelfall für zulässig, wenn sie nicht unverhältnismäßig ist. Dazu hat sie die Rechte der Nutzer mit den Interessen von Facebook abgewogen. Die Pflicht zur Angabe des Namens diene dem Zweck die Verfolgung von Rechtsverstößen zu erleichtern und schreckt Nutzer davon ab Hassrede zu verbreiten. Denn kommentiert ein Nutzer unter seinem echten Namen, überlegt er sich zweimal, wie er sich ausdrückt.

Alte Rechtslage in Deutschland:

Den § 13 TMG wandte auch das unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein an. Deshalb erließ es 2012 sowohl gegen die Facebook Inc. mit Sitz in den USA als auch gegen die Facebook Ireland Ltd. Verfügungen, wonach diese verpflichtet werden sollten, die Anmeldung bei Facebook unter Eingabe eines Pseudonyms zu ermöglichen und bereits deswegen gesperrte Nutzerkonten wieder zu entsperren. Facebook beantragte einstweiligen Rechtsschutz und bekam auch Recht:

Mit Beschlüssen vom 14.03.2013 entschied zunächst das VG Schleswig-Holstein und auf Beschwerde folgend das OVG Schleswig-Holstein am 22.04.2013, dass auf die Datenverarbeitung bei Facebook auch auf deutsche Nutzer nicht deutsches, sondern irisches Datenschutzrecht anwendbar sei.

Beide Gerichte stellten sich dabei auf den Standpunkt, dass es sich bei der Facebook Germany GmbH nicht um eine Niederlassung i.S.d. BDSG handele, da diese nur im Bereich der Anzeigenaquise und des Marketings tätig sei. Facebook Ireland sei die einzige Niederlassung mit Kontrolle über die Nutzern von nicht nordamerikanischen Nutzern von Facebook. Eine Datenverarbeitung finde jedenfalls bei der Facebook GmbH nicht statt, sondern nur bei Facebook Ireland. Daher sei auch irisches Datenschutzrecht anzuwenden. Schließlich sage das BDSG ja, dass es eben keine Anwendung finde, wenn eine in einem anderen Mitgliedsstaat belegene verantwortliche Stelle (Facebook Ireland) Daten im Inland (also hier, Deutschland!) erhebt. 

Was sagt der EuGH zur Klarnamenpflicht in sozialen Netzwerken?

Zwar liegt mit dem OLG München Fall eine Entscheidung eines oberen deutschen Gerichts vor, allerdings kommt es hier entscheidend auf Wertungen des europäischen Gesetzgebers an, die deutsche Gerichte nur bedingt bewerten können.

Es bleibt daher abzuwarten, ob ein solcher Fall dem EUGH vorgelegt wird.

Facebook selbst hat seine Klarnamenpflicht allerdings in der Vergangenheit bereits gelockert.

Nach aufkommenden Protesten war Facebook damals  zurückgerudert. Chris Cox entschuldigte sich bei den Betroffenen und erklärte, es sei nie Vorschrift gewesen, dass jeder seinen juristischen Namen verwende: „Der Geist unserer Vorschrift ist, dass jeder den Namen verwendet, den er auch im richtigen Leben gebraucht.“

Zuvor mussten Nutzen noch ihren „wahren Namen“ angeben. Das hat Facebook allerdings geändert. Nun kommt es auf den Namen an, den man im täglichen Leben verwendet.  

Nichts anderes sagen die Nutzungsbedingungen auch aus. Das ist der Grund warum das Gericht im Rahmen einer Verhältnismäßigkeits-Abwägung zugunsten von Facebook entschieden hat. Der Eingriff in die Rechte der Nutzer sei nicht derart schwer, dass die Zwecke – nämlich die Vermeidung und Verfolgung von Rechtsverstößen – durch Anonymität erschwert würden dürften.

Die Gerichte sprechen Facebook daher einen Handlungsspielraum zu. Schließlich beruft sich Facebook auch auf löbliche Absichten – die wahrscheinlich nicht der einzige Grund sind.

Ob sich diese Rechtsprechung festigt, wird die Zeit zeigen.  

 

Kann das „Recht auf Vergessenwerden“- Urteil des EuGH in diesem Zusammenhang herangezogen werden?

Facebook schaltet auch Werbeanzeigen und wird auf dem deutschen Markt tätig.

Aus diesem Grunde könnte man nunmehr die Anwendbarkeit des deutschen BDSG bejahen, weil man mit Blick auf die EuGH-Rechtsprechung auch die Facebook Germany GmbH als Niederlassung i.S.d. § 1 V S. 1 BDSG ansieht, dann müsste sich Facebook tatsächlich an das deutsche BDSG halten.

Muss sich Facebook an § 13 VI TMG halten?

Fraglich ist, ob sich Facebook an den § 13 VI TMG halten müsste. Der EuGH hat lediglich die Auslegung der Datenschutzrichtlinie vorgenommen. Das ULD hatte seinerzeit die Verfügungen auf § 38 BDSG i.V.m. § 13 TMG gestützt. Auf dieser Datenschutzrichtlinie wurde das BDSG konzipiert. Allerdings ist § 13 VI TMG ein kleines Stückchen Datenschutzrecht im TMG, denn auch hier sind Sinn und Zweck der Vorschrift zu beachten. Unnütze Datenerhebung soll vermieden werden. Die Anonymisierung bzw. Pseudonymisierung steht allerdings unter einem Zumutbarkeitsvorbehalt.

Sind die deutschen Gesetze für Facebook verbindlich?

Die Frage lässt sich ebenfalls so pauschal nicht beantworten, da viele Gesetze aufgrund der Harmonisierung des Rechts der Mitgliedsstaaten der EU auf Verordnungen und Richtlinien beruhen. Über die Auslegung gibt es - wie die oben angeführte Entscheidung des EuGH sehr schön zeigt - immer wieder Streit. Viele Rechtsfragen sind noch ungeklärt. Große amerikanische Unternehmen wie Facebook und Google haben zudem verschiedene Tochtergesellschaften, die auf der ganzen Welt verstreut sind, so dass zumeist noch nicht einmal klar ist, welches Recht welches Landes Anwendung findet.

Könnte man Facebook auf Einhaltung des § 13 VI TMG verklagen?

Die Nutzer können Facebook nicht auf Einhaltung des § 13 VI TMG verklagen, da § 13 TMG keinen individualrechtlichen Schutz und Anspruch gewährt, welcher gerichtlich geltend gemacht werden könnte. Verstöße gegen § 13 TMG stellen eine Ordnungswidrigkeit dar, die von den Verfolgungsbehörden mit einem Bußgeld geahndet werden können.

Umstritten ist aber, ob § 13 TMG als Marktverhaltensregel i.S.d. UWG anzusehen ist, weil § 13 TMG auch dem Schutz von Mitbewerbern dient oder lediglich dem Schutz überindividueller Belange des freien Wettbewerbs dient, so dass jedenfalls Mitbewerber klagen könnten (andere soziale Netzwerke).

Möglich ist zudem, dass Verfügungen der nach § 38 BDSG zuständigen Aufsichtsbehörde erlassen werden, welche dann ggf. Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung werden. Auch können die zuständigen Behörden ein Bußgeld nach § 16 TMG erlassen. Nutzungsbedingungen könnten zudem der gerichtlichen AGB-Klauselkontrolle unterliegen.

Klarnamenpflicht in der Zukunft

Viele Rechtsfragen in dem Bereich der Klarnamenpflicht sind derzeit noch ungeklärt. Zukünftige Verfahren werden Licht ins Dunkel bringen.

Nach aufkommenden Protesten ist Facebook mittlerweile jedenfalls selbst zurückgerudert. Chris Cox entschuldigte sich bei den Betroffenen und erklärte, es sei nie Vorschrift gewesen, dass jeder seinen juristischen Namen verwende: „Der Geist unserer Vorschrift ist, dass jeder den Namen verwendet, den er auch im richtigen Leben gebraucht.“

Aktuell beschäftigt sich der Bundesgerichtshof BGH mit der Klarnamenpflicht bei der Nutzung eines sozialen Netzwerks (Facebook) in Sachen III ZR 3/21 und III ZR 4/21 am  9. Dezember 2021.

Ansprechpartner
Rechtsanwalt Tobias Röttger, LL.M.

Tobias Röttger

Rechtsanwalt für Urheber- und Medienrecht

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