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EuGH - Zuständigkeit der Gerichte im Urheberrecht

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Der EuGH hat mit Urteil vom 22.01.2015 entschieden, dass die besondere Zuständigkeit eines Gerichts im Falle von Urheberrechtsverletzungen im EU-weiten Kontext nicht vom Urheberrechtsverletzer dadurch beeinflusst werden kann, dass dieser eine Website mit dem urheberrechtsverletzenden Inhalt nur auf bestimmte Mitgliedstaaten ausrichtet. Allerdings könne, so der EuGH, das danach zuständige Gericht bei der Entscheidung über Schadensersatzansprüche nur Schäden aus dem Staat berücksichtigen, in dem es ansässig ist.

Um welche Zuständigkeitsregelung geht es?

Lädt jemand in einem Mitgliedstaat ein Foto eines anderen ohne Lizenz und für Jedermann über Landesgrenzen hinaus abrufbar auf einer Website hoch, entgehen dem Rechteinhaber nicht nur in diesem, sondern auch in anderen EU-Mitgliedstaaten Lizenzgebühren. Während sich also die Verletzungshandlung auf einen Mitgliedstaat beschränkt, treten die Schäden EU-weit ein.

In einem solchen Fall, in dem der Ort der Verletzungshandlung nicht identisch mit dem Ort des eingetretenen Schadens ist, kann der Rechteinhaber aufgrund einer europäischen Zuständigkeitsregelung grundsätzlich wählen, in welchem Mitgliedstaat er gegen die Rechtsverletzung klagt. Es gilt der Grundsatz: Wo Unrecht getan wurde, darf Abhilfe begehrt werden. Ein entsprechendes Wahlrecht existiert auch beschränkt auf den deutschen Rechtsraum.

Warum kann der Rechtsverletzer diese weitreichenden Zuständigkeiten nicht beeinflussen?

Der EuGH hat bereits betont, dass die Zuständigkeit mehrerer Gerichte darauf beruht, dass sowohl am Ort der Verletzungshandlung als auch am Ort der Rechtsbeeinträchtigung eine besonders enge Beziehung zwischen der Streitigkeit und dem jeweiligen Gericht besteht. Ferner beruht die europäische wie die entsprechende deutsche Zuständigkeitsregelung auf dem Gedanken, dass der Verletzer weniger schutzwürdig ist als der Verletzte und der Verletzte dem Verletzer nicht nachreisen müssen soll.

Ließe man die Beschränkung der Zuständigkeiten durch den Rechtsverletzer dahingehend zu, dass die Website nur für bestimmte Besucher aus bestimmten Regionen oder Ländern bestimmt sein soll, wäre zwar schwierig, eine größere Sachnähe in einem Mitgliedstaat gegenüber einem anderen zu begründen. Die Beschränkung der zuständigen Gerichte würde aber auf jeden Fall dem Schutzgedanken der Zuständigkeitsregelung nicht ausreichend Rechnung tragen. Soweit der Verletzte sich in einem Mitgliedstaat befindet, auf den der Verletzer seine Website nicht ausgerichtet hat, müsste der Verletzte sehr wohl dem weniger schutzwürdigen Verletzer nachreisen.

Warum darf das Gericht eines Staates nur über Schäden entscheiden, die im jeweiligen Staat eingetreten sind?

Aufgrund einer europäischen Richtlinie ist das Urheberrecht in allen Mitgliedstaaten der EU zu schützen. Jeder Staat entscheidet jedoch selbstständig darüber, in welchem Maße er das Urheberrecht schützt. Ein Verhalten, das in einem Staat eine Urheberrechtsverletzung darstellt, ist deshalb nicht zwingend in anderen Staaten ebenfalls rechtswidrig. Könnte ein Gericht eines Landes über eine Verletzung entscheiden, die in einem anderen Land eingetreten ist, würde es sich an die Stelle der Gerichte dieses Landes setzen. Diese Gerichte sind aufgrund der besseren Kenntnis des eigenen Urheberrechts jedoch am besten in der Lage zu beurteilen, ob eine Urheberrechtsverletzung vorliegt.

Nichts anderes gilt für die Beurteilung von Schäden. Schäden sind nur ersatzfähig, wenn ihnen eine Urheberrechtsverletzung vorausgeht. Die Frage eines ersatzfähigen Schadens ist also mit der Frage einer Urheberrechtsverletzung untrennbar verknüpft. Die Ersatzfähigkeit von Schäden kann also nur dasjenige Gericht kompetent beurteilen, das auch in der Lage ist, das Vorliegen einer Urheberrechtsverletzung zu prüfen.

Muss der in Deutschland wohnhafte Urheberrechtsverletzer, der die Urheberrechtsverletzung im privaten Bereich begangen hat, nicht an seinem Wohnort verklagt werden?

Das kommt darauf an, wo der Verletzte Klage erhebt. Nach deutschem Urheberrecht muss der Urheberrechtsverletzer, der Verbraucher ist, an seinem Wohnsitz verklagt werden. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Urheberrechtsverletzer in Deutschland verklagt wird. Wird er in einem anderen Mitgliedstaat verklagt, kann er sich nicht auf diese deutsche Zuständigkeitsregelung berufen. Denn dann geht die europäische der deutschen Zuständigkeitsregelung vor.

Das grundsätzliche Wahlrecht des Verletzten, zu entscheiden, in welchem Mitgliedstaat er klagt, wird dadurch nicht berührt.

Fazit:

Der Urheberrechtsverletzer muss in EU-weiten urheberrechtlichen Auseinandersetzungen vorsichtig sein. Er kann durch die inhaltliche Ausgestaltung seiner Website, die einen urheberrechtsverletzenden Inhalt hat, nicht einseitig dazu beitragen, dass er in dem Mitgliedstaat, in dem er lebt oder an seinem Wohnort verklagt wird. Er ist zunächst dem Verletzten dahingehend ausgeliefert, dass dieser bestimmt, in welchem Mitgliedstaat geklagt wird. Nur wenn der Verletzte in Deutschland klagen will und der Urheberrechtsverletzer ein Verbraucher ist, muss dieser an seinem Wohnsitz verklagt werden. Der in Deutschland wohnende Urheberrechtsverletzer muss im jeden Fall nicht für EU-weite Schäden haften, sondern nur für diejenigen, die in dem Mitgliedstaat entstanden sind, wo letztendlich geklagt wird.

Ansprechpartner
Rechtsanwalt Tobias Röttger, LL.M.

Tobias Röttger

Rechtsanwalt für Urheber- und Medienrecht

Rechtsanwalt Tobias Röttger, Medienrecht LL.M. – zertifizierter Datenschutzbeauftragter

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