Sind private Fahndungsaufrufe von angeblichen Straftätern erlaubt oder nicht?
Diese Frage kann ganz klar mit NEIN beantwortet werden, es ist nicht erlaubt!
Mit einem solchen privaten Fahndungsaufruf kann man die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen verletzen, insbesondere das Recht am eigenen Bild, sowie gegen diverse Strafgesetze verstoßen.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass auch ein Straftäter, das heißt selbst wenn der in dem Fahndungsaufruf vorgetragene Verdacht sich als wahrheitsgemäß herausstellt, ein Recht am eigenen Bild hat. Hat die Person, die den Fahndungsaufruf gestartet und veröffentlicht hat, nicht die Zustimmung des Abgebildeten, also des vermeintlichen Täters, verletzt die Verbreitung des Fotos die Persönlichkeitsrechte des Abgebildeten und verstößt gegen § 22 KUG.
„Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.“
Es ist auch keine Rechtfertigung, dass es sich bei den Abgebildeten um einen angeblichen Straftäter handelt, den man mit Hilfe des Bildes dingfest machen will.
Der Abgebildete kann in diesem Fall zivilrechtliche Ansprüche auf Unterlassung und ggf. Geldentschädigung geltend machen und gem. § 33 KUG auch Strafanzeige stellen.
„Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen den §§ 22, 23 ein Bildnis verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt.“
Bereits nur für die ungenehmigte Verbreitung eines Personenbildnisses kann man sich strafbar und zivilrechtlichen Ansprüchen aussetzen.
Verleumdung, Üble Nachrede und Beleidigung
Daneben kann durch den Inhalt des Fahndungsaufrufes auch der Tatbestand der Verleumdung (§187 StGB) erfüllt werden, wenn in dem Fahndungsaufruf absichtlich dem angeblichen Täter irgendwelche Straftaten unterstellt werden, obwohl der Verfasser weiß, dass dies nicht den Tatsachen entspricht.
„Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Das kommt häufig bei Racheaktionen vor.
Der Inhalt eines solchen Fahndungsaufrufs erfüllt dann den Tatbestand der Üblen Nachrede (§ 186 StGB), wenn falsche Tatsachen behauptet werden, die geeignet sind, den Betroffenen verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn man jemanden eine Straftat unterstellt, die sich als nicht wahr erweist.
Je nach Wortwahl, kann ein Fahndungsaufruf auch den Tatbestand der Beleidigung (§ 185 StGB) erfüllen, bspw. wenn der Verdächtigte als „dreckiger Kinderficker“ bezeichnet wird.
Fahndungsaufrufe dürfen nur von Ermittlungsbehörden gestartet werden
Wir leben in einem Rechtsstaatssystem – auch wenn das nicht jeder so sieht – und nicht im Wilden Westen. Wir spielen zwar gerne Räuber und Gendarm, trotzdem können solche Fahndungsaufrufe (Öffentlichkeitsfahndung) nur von den Ermittlungsbehörden (Polizei und Staatsanwaltschaften) gestartet werden. Selbst die Ermittlungsbehörden dürfen nicht bei jeder kleinen Straftat einen Fahndungsaufruf mit Bild des Verdächtigten starten, sondern nur bei schweren Straftaten - § 131b Abs. 1 StPO.
„Die Veröffentlichung von Abbildungen eines Beschuldigten, der einer Straftat von erheblicher Bedeutung verdächtig ist, ist auch zulässig, wenn die Aufklärung einer Straftat, insbesondere die Feststellung der Identität eines unbekannten Täters auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre.“
Desweiteren muss ein solcher Fahndungsaufruf mit Bild vor der Veröffentlichung durch einen Richter angeordnet werden, bzw. wenn Gefahr im Verzug besteht, durch die Staatsanwaltschaft oder die Polizei - § 131 c Abs. 1 StPO. In diesem Fall muss innerhalb einer Woche die Fahndungsanordnung durch einen Richter bestätigt werden - § 131 c Abs. 2 StPO.
Die Ermittlungsbehörden werden explizit in der Ausnahmeregel des § 24 KUG aufgeführt, private Personen nicht!
„Für Zwecke der Rechtspflege und der öffentlichen Sicherheit dürfen von den Behörden Bildnisse ohne Einwilligung des Berechtigten sowie des Abgebildeten oder seiner Angehörigen vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zur Schau gestellt werden.“
Wie man deutlich sehen kann, muss auch die Polizei einige Hürden nehmen, bevor diese einen bebilderten Fahndungsaufruf veröffentlichen kann. Gerade durch die erforderliche richterliche Genehmigung wird weitestgehend gewährleistet, dass sich in der Regel niemand auf einen solchen Fahndungsaufruf wieder findet, gegen den keinerlei konkrete Hinweise bestehen. Das ist im Gegensatz bei privaten Fahndungsaufrufen in keinster Weise gewährleistet.
Fahndungsaufrufe in der Presse
Die Presse ist keine Behörde, darf solche Fahndungsaufrufe der Ermittlungsbehörden aber veröffentlichen, wenn die Bilder ihnen von der Polizei zur Verfügung gestellt worden sind. Der Klassiker einer solchen Öffentlichkeitsfahnung ist die ZDF Sendung Aktenzeichen XY.
Kann man solche privaten Fahndungsaufrufe bedenkenlos teilen, verlinken oder kopieren und selbst veröffentlichen?
Nein, man sollte davon die Finger lassen! Auch derjenige, der solche privaten Fahndungsaufrufe teilt, verlinkt oder kopiert und selbst veröffentlicht kann sich ebenfalls strafbar machen – hier kommt insbesondere der Tatbestand der Üblen Nachrede in Frage – und Persönlichkeitsrechte des Abgebildeten verletzen. Auch in diesem Fall drohen Abmahnungen und Unterlassungsklagen.
Auch diejenigen, die bspw. über Facebook solche Fahndungsaufrufe kommentieren, sollten sich in ihrer Wortwahl beherrschen, da solche Kommentare häufig nur vor Beleidigungen strotzen.
Darf man öffentliche Fahndungsaufrufe der Polizei teilen oder verlinken?
Die Fahndungsaufrufe der Polizei finden auf deren Internetseiten wie bspw. http://www.polizei.niedersachsen.de/fahndung/ statt. Auf der Facebookseite wird lediglich ein Link zum Fahndungsaufruf auf der Internetseite gesetzt. Einen Link zum Fahndungsaufruf der Polizei kann man bedenkenlos teilen, wenn es sich um einen solch offiziellen Fahndungsaufruf handelt. Aber Achtung, lassen Sie die Finger von Privatseiten, die wie Polizeiseiten gestaltet sind und insbesondere in Facebook Fahndungsaufrufe mit Bildern verteilen. Achten Sie darauf, ob eine solche Seite ein offizielles Impressum hat, welches tatsächlich einer Polizeibehörde zugewiesen werden kann. Wenn Sie unsicher sind, lassen Sie die Finger davon.
Warum darf man offizielle Fahndungsaufrufe der Polizei teilen bzw. Verlinken? Hintergrund ist der, dass auch die Ermittlungsbehörden nach Beendigung der Fahndung die Fahndungsaufrufe und insbesondere die Fahndungsbilder entfernen müssen, da nach Fahndungsbeendigung ansonsten wieder ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten vorgenommen wird. Nach Fahndungsbeendigung erlischt die Ausnahme des § 24 KUG.
Wenn die Polizei und Presse die Fahndungsaufrufe wieder entfernen, funktionieren auch die geteilten Links nicht mehr, so dass der geteilte Link zu keinem Ziel mehr führt.
Man sollte als Privatperson aber nicht solche offiziellen Fahndungsaufrufe kopieren und selbst veröffentlichen. Hier besteht wieder die Gefahr einer Persönlichkeitsrechtsverletzung.
Die Moral von der Geschicht…
… wir befinden uns im Wilden Westen nicht. Wanted – dead or alive! Private Fahndungsaufrufe verstoßen nicht nur gegen zahlreiche Gesetze, sondern sind auch aus moralischer Sicht zu verurteilen. Es kommt immer wieder vor, dass unbescholtene Personen verdächtigt werden und dass durch tendenziöses Verbreiten eine Online-Hetzjagd beginnt, die teilweise in der Lynchjustiz endet. Privatfahndungen entwickeln häufig eine gefährliche Eigendynamik, daher sollte man solche privaten Fahndungsaufrufe weder betreiben noch unterstützen. Wir sind keine Hilfssheriffs.