Tatsachenbehauptung - Meinungsäußerung
Lassen wir zunächst die Politiker außen vor und schauen uns in aller Kürze das allgemeine Äußerungsrecht an.
Welche Aussagen sind im Wahlkampf zulässig?
Jeder hat das Recht, seine Meinung frei zu äußern. Das gilt auch im Wahlkampf.
Artikel 5 Abs. 1, S. 1 GG schützt die Meinungsfreiheit und besagt, dass
Jeder das Recht hat, „seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten“.
Das Grundrecht der Meinungsfreiheit (trotz des Wortlauts) nicht schrankenlos gewährt. Es muss sich an konkurrierenden Grundrechten messen. Die hier bedeutsame Schranke ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht (APR), das ein eigenes Grundrecht darstellt und aus den Artikeln 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG abgeleitet wird.
Man unterscheidet in rechtlicher Hinsicht zwischen sogenannten Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen. Tatsachen sind im Gegensatz zu Meinungsäußerungen grundsätzlich dem Beweis zugänglich. Falsche und unwahre Tatsachenbehauptungen sind nie von der Meinungsfreiheit gem. Art. 5 GG gedeckt und damit immer rechtswidrig. Werturteile sind immer von dem Recht zur freien Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gedeckt, soweit sie nicht zugleich darauf gerichtet sind, die Persönlichkeit herabzusetzen, zu diffamieren oder formal beleidigend sind (Schmähkritik). Eine sachliche Kritik ist also noch nicht widerrechtlich.
Bei konkurrierenden Grundrechten ist stets eine Abwägung vorzunehmen, hier also zwischen der Meinungsfreiheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Enthält eine Meinungsäußerung einen erwiesen falschen oder bewusst unwahren Tatsachenkern, so tritt das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurück. Denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schutzwürdiges Interesse. Genau so auch bei diffamierenden Äußerungen, bzw. Schmähkritik.
Bei konkurrierenden Grundrechten ist stets eine Abwägung vorzunehmen, hier also zwischen der Meinungsfreiheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
Enthält eine Meinungsäußerung einen erwiesen falschen oder bewusst unwahren Tatsachenkern, so tritt das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurück. Denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schutzwürdiges Interesse. Genau so auch bei diffamierenden Äußerungen, bzw. Schmähkritik.
Äußerungen in der Politik
Natürlich müssen sich auch Politiker, wenn sie öffentliche Äußerungen tätigen, an die oben genannten Regeln und Grenzen halten. Für sie gelten grundsätzlich kein „besonderes Äußerungsrecht“.
Einzig in der Einzelfallabwägung kann die Position / das Berufsfeld / oder andere äußere Umstände, wie etwa die Wahlkampfzeit, mit einfließen. Gerade während einer Wahlkampfzeit spitzen sich die Äußerungen zu. Man spricht auch von „öffentlichem Meinungskampf“. Wo zieht man hier jedoch die Grenze?
„öffentlichem Meinungskampf“
Schon im Jahre 1982 führte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschluss v. 22.06.1982, Az. 1 BvR 1376/79) sinngemäß aus, „dass Polemik gegen den politischen Gegner in der Absicht, sich einprägsam von ihm abzugrenzen, wofür allgemeine, unsubstantiierte Formeln als besonders geeignet angesehen werden, Grundformen jedes Wahlkampfes sind, die prinzipiell in den Bereich des Meinungsmäßigen und damit in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gehören.“ Sachverhalt war hier eine Äußerung eines Sozialdemokraten bei den Wahlen zum Europaparlament.
„die CSU sei die NPD Europas“
Das BVerfG führt weiterhin zur weiten Auslegung der Meinungsfreiheit aus, dass die freie Rede gerade im offenen Meinungskampf zulässig sein muss, da ansonsten „die Meinungsfreiheit, die Voraussetzung eines freien und offenen politischen Prozesses ist, in ihrem Kern betroffen wäre.“
„In besonderem Maße hat dies zu gelten, wenn es sich - wie hier - um Auseinandersetzungen in einem Wahlkampf handelt, also einer Situation, in welcher der politische Meinungskampf auf das höchste intensiviert ist.“ Weiterhin würde Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG – die Mitwirkung der Politischen Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes - den Schutzbereich der Meinungsfreiheit ausdehnen:
Soweit es sich um Auseinandersetzungen zwischen politischen Parteien in einem Wahlkampf handelt, ist deshalb Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG für die Zuordnung von Meinungsfreiheit und beschränkenden Gesetzen von wesentlicher Bedeutung: Er verstärkt die Vermutung für die Zulässigkeit freier Rede mit der Folge, daß gegen das Äußern einer Meinung nur in äußersten Fällen eingeschritten werden darf.“
gegen das Äußern einer Meinung darf nur in äußersten Fällen eingeschritten werden
Es ist also festzustellen, dass während des Wahlkampfes, bei Parteien die Zulässigkeit der Meinungsäußerungen gegenüber anderen Parteien tatsächlich im Einzelfall weiter gezogen werden kann.
Die rechtlichen Grenzen der Meinungsfreiheit bleiben aber bestehen.
Wird ein Politiker also öffentlich ausfallend gegenüber einem anderen Politiker, so muss man schauen, ob die Grenze zur Schmähkritik überschritten ist, also die Diffamierung der Person im Vordergrund steht.
So sieht dies auch das Bundesverfassungsgericht in BVerfG Beschluss vom 05.04.2001, 1 BvR 932/94:
„Auch im Wahlkampf findet die Meinungsfreiheit allerdings eine absolute Grenze im Schutz der Menschenwürde der durch eine Meinungsäußerung nachteilig betroffenen Personen.“
Hierzu zählt auch das – auch aus der Menschenwürde abgeleitete – allgemeine Persönlichkeitsrecht.
Berichterstattung über AfD
rechtsextremistisch und rechtsradikal
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft. Das Verwaltungsgericht Köln bestätigte die Einstufung des Verfassungsschutzes, woraufhin die Partei in Berufung ging. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat die Berufung der AfD hiergegen zurückgewiesen.
„rechtsextremistisch“ oder „rechtsradikal“
Dass die AfD als Verdachtsfall eingestuft wird, hat nicht automatisch zur Folge, dass sie als „rechtsextremistisch“ oder „rechtsradikal“ bezeichnet werden darf, jedoch spricht mehr denn je dafür, dies auch unter juristischen Gesichtspunkten für zulässig zu erachten. Dies gilt umso mehr, wenn es um journalistische Beiträge über die Partei geht.
Die Bezeichnung „rechtsradikal“ stellt laut dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ein Werturteil dar und fällt unter die Meinungsäußerung (Beschluss vom 17. September 2012, 1 BvR 2979/10, (Pressemeldung: www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg12-077.html ).
keine Schmähkritik
Bei der Bezeichnung als „rechtsextrem“ handelt es sich auch nicht um eine Schmähkritik. Diese sei nicht einfach jede Beleidigung, sondern spezifisch dadurch gekennzeichnet, dass nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund stehe.
Diese Einstufung des Bundesverfassungsgerichts hat allerdings nicht automatisch zur Folge, dass eine Bezeichnung als „rechtsextrem“ pauschal zulässig ist. So unterliegt auch die Meinungsäußerung gesetzlichen Schranken und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Gerichtlich kann somit überprüft werden, ob die Meinungsäußerung im Einzelfall in das allgemeinen Persönlichkeitsrechts übermäßig eingreift. Das gilt auch im Bezug auf politische Parteien. Das Ergebnis dieser Abwägung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Bei öffentlichen Debatten geht das Bundesverfassungsgericht allerdings regelmäßig von einer Vermutung für die freie Rede aus (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2009, Az. 1 BvR 2272/04). Laut dem BVerfG sind Debatten und Diskussionen, die im öffentlichen Raum stattfinden entscheidend für eine funktionierende Demokratie. In der öffentlichen Auseinandersetzung, insbesondere im politischen Meinungskampf, müsse daher auch Kritik hingenommen werden, die in überspitzter und polemischer Form geäußert werde, weil andernfalls die Gefahr einer Lähmung oder Verengung des Meinungsbildungsprozesses drohe.
Am Beispiel dieses Artikels: www.zvw.de/mehr-nachrichten/deutschland/von-wegen-verdachtsfall-warum-die-afd-eine-rechtsextreme-partei-ist-kommentar_arid-781751 wird deutlich, dass man durchaus im Rahmen einer inhaltlichen und argumentativen Auseinandersetzung diese Begrifflichkeit wählen kann, um die Stellung der Partei und ihre Inhaltsrichtung zu verdeutlichen.
Äußerungsbefugnisse von Regierungsmitgliedern
Bundesregierung, BundeskanzlerIn und auch der oder die StaatspräsidentIn sind zur politischen Neutralität verpflichtet und dürfen keinen Einfluss nehmen auf den politischen Meinungsbildungsprozess der Bürger. Sie unterliegen dem Gebot der Sachlichkeit und sie sind keine Träger von Grundrechten sind, auf die sie sich berufen können. Sie sind vielmehr Grundrechtsverpflichtete. Das bedeutet: Sie haben kein Recht auf eine politische Meinungsäußerung, sondern sie dürfen nur innerhalb ihrer gesetzlich zugewiesenen Kompetenzen sachlich kommunizieren. Wo keine Kompetenz, da keine Äußerungsbefugnis, vgl. AfD gegen Merkel als Bundeskanzlerin und Bundesregierung Aktenzeichen: 2 BvE 4/20, 2 BvE 5/20.
Boykottaufruf durch Politiker
Die Ausübung wirtschaftlichen Drucks ist normalerweise nicht von der freien Rede geschützt. Anders diesht dies aus, wenn Boykottaufrufe im politischen Meinungskampf erfolgen.
Beispeiele für zulässige Boykottaufrufe:
- Boykottaufruf aus politischen Gründen
- Boykottaufruf aus weltanschaulichen Gründen
Wenn also ein Politiker dazu aufruft, Produkte oder Dienstleistungen eines Unternehmens aus politischen oder weltanschaulichen (auch religiösen) Gründen nicht zu kaufen, aknn dies im politischen Meinungskampf zulässig sein als freie Äußerung der eigenen Meinung.
Sollte es zu Beleidigungen, Verleumdungen oder Üblen Nachreden kommen, können sich auch Politiker strafbar machen, denn auch für Politiker gelten „Recht und Gesetz“. Insbesondere können ehrverletzende Äußerungen bestraft werden.
Besondere Ausnahme stellt hier § 193 StGB dar. Demnach sind „Tadelnde Urteile über […], desgleichen Äußerungen, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemacht werden, sowie […] nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.“
Das Bundesverfassungsgericht sieht § 193 StGB als besondere Ausprägung des Grundrechts der Meinungsfreiheit. Sollte die beleidigende Aussage also im Rahmen öffentlicher und politischer Meinungsbildung getätigt worden sein, so kann – sofern es sich wiederum nicht um Schmähkritik oder offensichtlich unwahre Tatsachen handelt – die Aussage gerechtfertigt sein.
Nach dem Bundesverfassungsgericht besteht auch ein „Recht zum Gegenschlag“ in dem Sinn, dass ehrverletzenden Angriffen oder überspitzter Kritik scharf und drastisch erwidert werden darf, so dass auch ihrerseits beleidigende Äußerungen gerechtfertigt sein können (BVerfGE 12, 113,132). Dieser muss als „adäquate Reaktion“ auf eine vorausgegangene, vergleichbar formulierte Ehrverletzung angesehen werden können.
Anzumerken ist jedoch, dass sich auch nichtpolitische Personen im Strafverfahren auf den § 193 StGB berufen können, sofern die Voraussetzungen vorliegen. Dieser ist kein Parteiexklusiver Rechtfertigungsgrund.
Üble Nachrede und Verleumdung von Politikern
Politiker müssen sich im Wahlkampf nicht alles gefallen lassen - auch ncht von Wutbürgern und anderen Vertretern, die das friedliche Zusammenleben stören wollen.
Ganz im Gegenteil: § 188 Strafgesetzbuch schützt Politiker vor strafbaren Äußerungen, die zu einem Rufmord des Politikers führen können:
(1) Wird gegen eine im politischen Leben des Volkes stehende Person öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) eine üble Nachrede (§ 186) aus Beweggründen begangen, die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen, und ist die Tat geeignet, sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(2) Eine Verleumdung (§ 187) wird unter den gleichen Voraussetzungen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
Im politischen Meinungskampf geht die Meinungsfreiheit sehr weit. Grenzen werden allerdings erreicht, wenn die Menschenwürde angegriffen wird, ebenso, wenn die Äußerungen strafbaren Inhalts sind.