Möglichkeiten der Identifizierung von Accounts in sozialen Netzwerken
Persönlichkeitsrecht|FAQ
Im Zeitalter der digitalen Medien nimmt auch die Internetkriminalität stetig zu. Der nachfolgende Beitrag erklärt anhand eines fiktiven Falls, welche rechtlichen Möglichkeiten Unternehmen und Personen haben, wenn ihre Rechte von bekannten und unbekannten Personen durch Äußerungen und Bewertungen in Sozialen Netzwerken wie Facebook verletzt werden. Folgende Fragen und Themen werden u.a. behandelt:
Löschantrag und Strafantrag gegen Facebook, Google und Co.
Strafbarkeit von Facebook?
Anwendbarkeit von deutschem Recht
Zivilrechtliches Vorgehen gegen Facebook
Klageverfahren gegen Facebook
Was tun bei einem anonymen Profil?
Herausgabe der IP-Adresse
Sachverhalt (fiktiv): Facebook User A betreibt ein Hotel. Während der Flüchtlingskrise 2015/2016 stellt A die Hotelzimmer gegen Zahlung einer Miete vollständig der Kommune B zur Verfügung. B benötigt den Wohnraum, um die Flüchtlinge unterbringen zu können. Als sich dies in der ländlichen Gemeinde herumspricht, kommentieren Facebook User auf die Facebook-Seite des Hotels teils anonym, teils mit deren Klarnamen u.a. Äußerungen wie „du linksgrünversiffter Gutmensch, wir zünden dein Hotel an“, „ich bringe dich um“, „lass dich nie wieder in unserem Ort blicken, sonst schlag ich dir den Schädel ein“, „du geldgeiles Arschloch“.
Löschantrag und Strafantrag gegen Facebook, Google und Co.
Problem: Gehen von einer Person hinter einem Account Verhaltensweisen aus, wegen derer der Betroffene grundsätzlich einen Löschanspruch hat, so hat der Betroffene i.d.R. zwei Möglichkeiten:
- Löschanfrage an Facebook („melden“ Funktion) senden
- Gegen den Nutzer Strafantrag bei der zuständigen Staatsanwaltschaft stellen bzw. Zivilrechtlich Unterlassungs- und Schmerzensgeldansprüche geltend machen.
Zu 1.) Die Nutzer können gemeldet werden. Facebook prüft dann, ob das gemeldete Verhalten einen „Verstoß gegen die Gemeinschaftsrichtlinien“ darstellt. Kommt Facebook zu dem Ergebnis, dass ein solches Fehlverhalten vorliegt, werden ggf. betreffende Einträge gelöscht.
Problematisch hierbei ist, dass Facebook längst nicht alles löscht, was u.U. strafrechtlich relevant ist. In diesem Fall bleibt dem Betroffenen nur noch der Rechtsweg. In Betracht kommen grundsätzlich zwei Vorgehensweisen:
Strafbarkeit von Facebook?
a) Strafantrag wegen Beihilfe
Ab dem Zeitpunkt, von dem Facebook durch die Meldung Kenntnis hat von dem nach deutschem Recht strafbaren Verhalten und die Beiträge nicht löscht, könnte darüber zu diskutieren sein, ob Facebook sich nicht wegen Beihilfe zu dem betreffendem Delikt strafbar macht.
Problematisch erscheint dies allerdings aus zweierlei Gesichtspunkten:
aa) Es gibt in Deutschland keine Unternehmensstrafbarkeit
„Facebook“ an sich kann sich nicht strafbar machen. Es können sich nur natürliche Personen strafbar machen. Daher müssten sich dann ggf. die entscheidenden Mitarbeiter (Manager) bei Facebook strafbar machen. Hierbei könnte es sich möglicherweise um Nachweisprobleme handeln.
bb) Anwendbarkeit von deutschem Strafrecht
Die Staatsanwaltschaft Hamburg hatte Anfang 2016 ein Ermittlungsverfahren gegen Facebook Manager wegen Beihilfe zur Volksverhetzung wieder eingestellt. Begründet wurde dies damit, dass beispielsweise die Facebook Manager Zuckerberg und Sandberg US-Staatsbürger sind, die auch dort leben. Deutsches Strafrecht sei daher nicht anwendbar. Aber auch das Ermittlungsverfahren gegen einen deutschen Facebook Manager wurde wieder eingestellt. Die Facebook GmbH in Deutschland sei nur für Kundenakquise zuständig, die die Hasskommentare also grundsätzlich überhaupt nicht zu lesen bekomme.
Ein Strafantrag gegen einzelne Facebook-Manager ist daher (momentan) wenig erfolgsversprechend.
b) Zivilrechtliches Vorgehen gegen Facebook
Auch hier ist zu differenzieren:
aa) Anspruch gegen Facebook auf Offenlegung der Account-Informationen
Bei anonymen Profilen ist es nur schwer möglich, zivilrechtliche Ansprüche geltend zu machen bzw. Strafantrag zu stellen da, die persönlichen Informationen wie Name und Wohnort nicht ersichtlich sind. Es stellt sich daher die Frage, ob der Einzelne einen Anspruch gegen Facebook hat, die Accountinformationen herauszugeben oder ob die Staatsanwaltschaft Facebook zur Herausgabe der Informationen verpflichten kann. In einem Verfahren vor dem AG Reutlingen ordnete ein Richter erstmalig die Beschlagnahme eines Facebook Accounts an. Hierbei gab die Facebook GmbH Deutschland an, über keinerlei Accountinformationen zu verfügen. Zuständig sei Facebook Irland. Diese verweigerten eine Herausgabe jedoch, da die Daten auf Servern in den USA gespeichert seien. Auf diese Daten hätten europäische Behörden keinen Zugriff.
Es steht daher zu erwarten, dass Facebook die Daten auch nicht an Privatpersonen herausgeben wird.
bb) Anspruch auf Löschung
Zivilrechtlich ist ein Vorgehen gegen Facebook im Rahmen der einstweiligen Verfügung oder auf dem Klageweg möglich.
Einstweilige Verfügung
Im Rahmen der Einstweiligen Verfügung kann eine vorläufige gerichtliche Entscheidung bei eilbedürftigen Sachverhalten bewirkt werden. Gerade bei Hasskommentaren, Beleidigungen u.a. bietet sich dieses Vorgehen an, da ein schnelles Ergebnis erreicht werden kann.
Klageverfahren gegen Facebook
Gegen Facebook kann auch auf dem Klageweg vorgegangen werden. Hierfür muss allerdings mehr Zeit eingeplant werden.
Außerdem ist zu beachten, dass im Klageverfahren Beweise benötigt werden, beim einstweiligen Rechtsschutz ist das Glaubhaftmachen ausreichend.
Zu 2.) Vorgehen direkt gegen den Inhaber des Accounts
aa) Name und Wohnort aus Account ersichtlich
Ist der Vor-und Zuname des Accountinhabers aus dem Profil ersichtlich, so kann gegen diesen sowohl strafrechtlich als auch zivilrechtlich unmittelbar vorgegangen werden.
Strafantrag
Wenn den Einträgen ein Sachverhalt zugrunde liegt, der möglicherweise strafrechtlich relevant ist, kann Strafantrag bei der zuständigen Staatsanwaltschaft bzw. bei der zuständigen Polizeidirektion gestellt werden. Zur Beweissicherung empfiehlt es sich, Screenshots anzufertigen. Kommt es zu einer Anklage und ggf. auch zu einer Hauptverhandlung, so kann der Geschädigte als Nebenkläger auch aktiv am Verfahren teilnehmen.
Einstweilige Verfügung/ Klageverfahren
Zivilrechtlich gibt es auch hier wieder die Möglichkeit, eine einstweilige Verfügung zu erwirken, bzw. den Klageweg zu beschreiten.
Obendrein ist es in einigen Fällen auch erfolgsversprechend Schadensersatz/Schmerzensgeld einzuklagen. Von der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Geschädigte ggf. auch bei schwerwiegenden Beleidigungen einen Anspruch auf Schmerzensgeld hat. Die Erfolgsaussichten hierbei sind im konkreten Einzelfall mit dem Anwalt zu begutachten.
bb) Was tun bei einem anonymen Profil?
Auch bei einem anonymen Profil kann grundsätzlich Strafantrag gestellt werden. Aus dem Untersuchungsgrundsatz folgt, dass die Ermittlungsbehörden den relevanten Sachverhalt ermitteln müssen. Hierzu gehört auch die Person des Beschuldigten. Allerdings ist hierbei wiederum problematisch, dass Facebook die Nutzerdaten wohl-wie bereits oben ausgeführt- nicht offenlegen wird. Ein Vorgehen wird daher wenig aussichtsreich sein.
Auch zivilrechtlich ist für eine zulässige Klage Voraussetzung, dass der Klagegegner genau bezeichnet wird, also mit Name und Wohnort.
Eine Klage gegen „anonym“ wäre daher ebenfalls erfolglos. Gleiches gilt im einstweiligen Rechtsschutz.
Sonderproblem: Herausgabe der IP-Adresse
Hat der Geschädigte gegen den Provider Anspruch auf Herausgabe der IP des Verfassers der Kommentare?
Bei anonymen Kommentaren kann der Täter häufig durch die IP- Adresse identifiziert werden. Allerdings sind die Voraussetzungen, unter denen Provider die IP-Adresse der Nutzer herausgeben müssen, sehr eng.
Herausgabe an den Geschädigten direkt
Eine gesetzliche Ermächtigung für die Herausgabe der Daten besteht hier nicht. Eine Privatperson kann nicht von dem Provider verlangen, die Daten herauszugeben. Grund hierfür sind die datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Eine Ausnahme hiervon wird-in engen Grenzen- nur im Bereich der gewerblichen Urheberrechtsverletzungen gemacht. Allerdings ist auch hierfür Voraussetzung, dass ein Gericht den hierfür erforderlichen Beschluss erlässt, welcher die Zuordnung zu einem Anschluss ermöglicht.
Herausgabe an die Staatsanwaltschaft
Stellt der Geschädigte bei der Staatsanwaltschaft Strafantrag, so leitet diese ein Ermittlungsverfahren ein. Als Herrin des Vorverfahrens verfügt die Staatsanwaltschaft über eine große Anzahl gesetzlicher Befugnisse in der StPO, um Ermittlungsmaßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung durchführen zu können. Ermächtigungsgrundlage für die Auskunft über den Inhaber der IP-Adresse ist § 100j StPO i. V. m. § 113 TKG. Allerdings ist auch hier zu beachten, dass ein Gericht die Maßnahmen auf Antrag der Staatsanwaltschaft grundsätzlich zunächst anordnen muss. Eine Herausgabe der IP- Adresse ist jedoch nur beim Verdacht besonders schwerwiegender Straftaten möglich. Sollte der Verdacht bezüglich der Verwirklichung einer solchen Straftat bestehen, so muss der Provider die Daten der Staatsanwaltschaft übermitteln. Der Antragsteller hat jedoch keinen eigenen Anspruch auf Einsicht der IP-Adresse. Etwas anderes könnte lediglich über den Umweg erreicht werden, dass der Geschädigte in einem späteren Strafverfahren über dessen Anwalt als Nebenkläger Akteneinsicht hat. Jedoch ist ein solches Vorgehen dann auch nicht mehr zielführend, da der Beschuldigte dann bereits feststehen dürfte.
Es gibt viele rechtliche Möglichkeiten, wenn Unternehmen in Ihren Rechten verletzt werden. Wir entscheiden für Sie, welche Wege in Ihrem Fall die gangbarsten sind.
Karsten Gulden
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und zertifizierter Mediator
Karsten Gulden, LL.M. Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und zertifizierter Mediator