Recht auf Vergessenwerden - Google-Urteil des EuGH
Personen können Google Einträge löschen lassen
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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit seinen „Google-Urteilen“ vom 08.12.2022 (C-460/20) sowie vom 13.05.2014 (Az. C 131/12) weitreichende Entscheidungen gefällt. Er räumt Privatpersonen das Recht ein, von Suchmaschinenbetreibern die Löschung von Links zu Webseiten Dritter zu verlangen, die unerwünschte Inhalte bzw. Informationen enthalten. Der EuGH stellt auch klar, dass "Die Rechte der betroffenen Person auf Schutz der Privatsphäre und auf Schutz personenbezogener Daten überwiegen im Allgemeinen gegenüber dem berechtigten Interesse der Internetnutzer, die potenziell Interesse an einem Zugang zu der fraglichen Information haben."
Ansprechpartner Karsten Gulden, LL.M. Medienrecht
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht &
Gesellschafter von gulden röttger rechtsanwälte
Die Meinungsfreiheit ist ein Gut von Verfassungsrang, ebenso der Schutz der Persönlichkeitsrechte. Google ist ein Diensteanbieter. Solange Google nichts weiß, haftet Google nach den derzeitigen Gesetzen und Rechtsprechungen nicht. Mit Kenntnisnahme eines Rechtsverstoßes ist Google jedoch zur Überprüfung des Sachverhaltes verpflichtet - in jedem Fall, wenn der Verstoß konkret dargelegt wurde. Die Existenz von Suchmaschinen als Geschäftsmodell wird hierdurch nicht gefährdet.
Dem Urteil ging ein Vorabentscheidungsverfahren voraus, das von der Audiencia Nacional de Espana eingereicht wurde. Herr Gonzalez, spanischer Staatsbürger, hatte Beschwerde bei der spanischen Datenschutzagentur AEPD sowohl gegen die spanische Tageszeitung La Vanguardia als auch Google Inc. und Google Spain eingelegt. Er beanstandete, dass nach Eingabe seines Namens bei Google Search Links zu zwei Seiten von La Vanguardia angezeigt wurden, die Informationen bezüglich einer 15 Jahre zurückliegenden Versteigerung seines Grundstücks zwecks Pfändung enthielten. Herr Gonzalez beantragte dabei, dass Google Spain oder Google Inc. die ihn betreffenden personenbezogenen Daten löschen sollten, sodass diese nicht mehr in den Suchergebnissen erschienen.
Der EuGH hat, bezogen auf den vorgenannten Sachverhalt, einige grundlegende Dinge entschieden. Zum einen seien die von Google Search gefundenen und in eine Ergebnisliste eingebetteten Informationen „personenbezogene Daten“ im Sinne der EU - Datenschutzrichtlinie, die der Suchmaschinenbetreiber zugleich auch verarbeite. Dem stünde auch nicht entgegen, dass Google Search die Daten nicht verändert, sondern nur in seiner Ergebnisliste zusammengefasst anzeigt. Durch die systematische Durchforstung des Internets nach Daten seien sowohl das Recht auf Achtung des Privatlebens, als auch das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten aus der Grundrechte-Charta der EU erheblich gefährdet. Mit der Ergebnisliste würde nämlich ein strukturierter Überblick über die Daten zu einer bestimmten Person, sogar ein detailliertes Profil erstellt, welches ohne die Suchmaschine in dieser Form nur schwer zu finden sei. Daher hat der EuGH Privatpersonen, die nicht im besonderen Interesse der Öffentlichkeit stehen, das Recht eingeräumt, sowohl vom Suchmaschinenbetreiber als auch von jeder anderen Kontrollstelle oder einem Gericht die Löschung, Berichtigung oder Sperrung der betreffenden Daten verlangen zu können. Dies selbst dann, wenn die Veröffentlichung auf den Internetseiten, auf der sich die Daten und Informationen befinden, rechtmäßig ist. Es muss auch nicht zunächst vom Herausgeber der Website Löschung verlangt werden. Voraussetzung des Anspruchs auf Löschung ist aber, dass die jeweiligen Daten nicht mehr der EU-Datenschutzrichtlinie entsprechen, was insbesondere der Fall sei, wenn die Daten den Zwecken der Verarbeitung nicht mehr entsprechen, weil sie aufgrund der verstrichenen Zeit nicht mehr erheblich sind oder länger als erforderlich aufbewahrt werden. Ein Schaden muss der betroffenen Person nicht entstanden sein. Ein Anspruch bestehe nur dann nicht, wenn die Beachtung der Grundrechte der betroffenen Person hinter dem Interesse der Internetnutzer an der Zugänglichmachung der Informationen zurücktrete.
Weiter hat das Gericht festgelegt, dass sich die Suchmaschinenbetreiber nicht mit dem Argument aus der Verantwortung ziehen können, die Verarbeitung der bereitgestellten, personenbezogenen Daten finde nicht in dem Mitgliedstaat statt, in dem der Betroffene die Löschung beantragt. Denn auch Niederlassungen der Google Inc., wie in diesem Fall Google Spain, seien Datenverarbeiter, selbst wenn sich die Haupttätigkeit der Niederlassungen auf dem Gebiet der Werbung für die Suchmaschine bewege. Zudem könnten sich die Suchmaschinenbetreiber im Gegensatz zu den Herausgebern der Website nicht darauf berufen, sie verarbeiteten die Daten zu journalistischen Zwecken – etwaige Ausnahmen bestünden daher nicht.
Zu beachten ist auch, dass diese Maßgaben nur gelten, falls die Suche mit der Suchmaschine „anhand des Namens einer natürlichen Person durchgeführt“ wird. Auf andere Suchanfragen kann die Entscheidung nicht ohne Weiteres übertragen werden.
Offen bleibt aber beispielsweise noch, wie viel Zeit verstrichen sein muss, bis ein Anspruch auf Löschung besteht (auch bereits nach fünf Jahren, zehn Jahren oder erst nach 15 Jahren?) oder bei welchen nationalen Gerichten ein Löschungsantrag gestellt werden kann. Die weitere Entwicklung dieser Rechtsprechung bleibt daher abzuwarten.
Die Rechtsprechung konkretisiert diese Fragen immer weiter. Zum Recht auf Vergessenwerden nach Art. 17 DSGVO urteilte bspw. das Landgericht Frankfurt, LG Frankfurt, Az 2-03 O 315/17, Urteil vom 28.06.2019, dass "eine ursprünglich rechtmäßige Verarbeitung personenbezogener Daten zu einem späteren Zeitpunkt Gegenstand eines Löschungsanspruchs werden könne."
Zudem folge aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO ein Anspruch auf Unterlassung der Verarbeitung personenbezogener Daten für die Zukunft. Die Unterlassung der Verarbeitung in der Zukunft sei als Teil der Löschung im Sinne des Art. 17 Abs. 1 DS-GVO zu verstehen.
Zum Zeitablauf stellte das Gericht fest, dass .."bei einem 35 Jahre zurückliegenden Bericht über eine mögliche, aber nie verfolgte Straftat des Betroffenen… die Interessen des Betroffenen die des Suchmaschinenbetreibers überwiegen können. Dies gilt insbesondere, wenn ein aktuelles öffentliches Informationsinteresse nicht besteht."