Sexualität als Kernbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts
Die Sexualität gehört zu dem höchstpersönlichen und intimen Lebensbereich.
Sexualität und Persönlichkeitsrecht
Berichterstattungen über intime und private Angelegenheiten von prominenten Personen erfreuen sich seit jeher großer Beliebtheit. Je intimer und pikanter die Angelegenheit, umso besser verkaufen sich die einschlägigen Blätter, die sich auf diese Art der Berichterstattung konzentrieren. Die Verkaufszahlen sprechen für sich.
Auch in diesem Zusammenhang gilt der Grundsatz: „Sex sells“ Je intimer der Inhalt einer Berichterstattung wird, umso höher sind auch die Verkaufszahlen. Dem Schamgefühl sind hier keine Grenze gesetzt, wohl aber der Zulässigkeit solcher Berichterstattungen, wenn diese zu Verletzungen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts führen.
Die Sexualität wird allgemein als ein Teil der Intimsphäre angesehen, die keinen anderen Menschen zu interessieren hat. Wäre dem so, gäbe es keine Yellow Press und auch keine diesbezüglichen Streitigkeiten. Nicht jede Berichterstattung über die Sexualität anderer Menschen führt per se zu einem Verstoß gegen die Persönlichkeitsrechte der Person über die berichtet wird. Es hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab und insbesondere maßgeblich vom Verhalten der Person über die berichtet wird.
Sexualität als Teil der Intimsphäre
Die Intimsphäre des Menschen ist absolut geschützt. Jegliche Berichterstattungen über die Intimsphäre sind unzulässig und stellen einen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht dar, der nicht gerechtfertigt ist.
„Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt das Grundgesetz dem Einzelnen im Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung einen unantastbaren Bereich zur Entfaltung der Persönlichkeit, der wegen seiner besonderen Nähe zur Menschenwürde absolut geschützt und einer Einschränkung durch Abwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht zugänglich ist (vgl. BVerfGE 34, 238, 245; 80, 367, 373; 109, 279, 313 f.; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 25). Diesem Kernbereich gehören grundsätzlich Ausdrucksformen der Sexualität an (vgl. BVerfGE 119, 1, 29 f.; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 25 f.). Im Übrigen hängt die Beurteilung, ob ein Sachverhalt diesem Kernbereich zuzuordnen ist, davon ab, ob der Betroffene ihn geheim halten will, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt (vgl. BVerfGE 80, 367, 374; 109, 279)“, BGH, Urteil vom 25.10.2011, Az VI ZR 332/09.
Der Bereich der Sexualität kann demnach unter den absoluten Kernbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts fallen – muss es aber nicht zwangsläufig. Der BGH führt in seinem Urteil „Zur Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch eine Berichterstattung über die Mitwirkung als Darsteller in kommerziell zu verwertenden Pornofilmen“ mustergültig aus, dass zwar die Freiheit, die eigenen Ausdrucksformen der Sexualität für sich zu behalten und sie in einem dem Zugriff anderer entzogenen Freiraum zu erleben geschützt, dennoch könne der Schutz entfallen, „wenn der Grundrechtsträger den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung von sich aus öffnet, bestimmte, an sich dem unantastbaren Kernbereich zuzurechnende Angelegenheiten der Öffentlichkeit zugänglich macht und damit zugleich die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt.“ BGH, Urteil vom 25.10.2011, Az VI ZR 332/09.
In diesem Fall könne sich die Person dann nicht gleichzeitig auf den öffentlichkeitsabgewandten Schutz seiner Intim- oder Privatsphäre berufen. Im zugrundeliegenden Fall begehrte ein ehemaliger Pornodarsteller die Unterlassung der Behauptung, er habe in pornographischen Filmen mitgewirkt und hierbei kein Kondom verwendet, was im Übrigen den Tatsachen entsprach.
Sexualität als Teil der Privatsphäre
Geschützt ist auch der Bereich der Privatsphäre unter den die Sexualität ebenfalls fallen kann. Dies ist gefestigte Rechtsprechung.
„Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des erkennenden Senats umfasst das allgemeine Persönlichkeits-recht auch das Recht auf Achtung der Privatsphäre, das jedermann einen autonomen Bereich der eigenen Lebensgestaltung zugesteht, in dem er seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen kann. Dazu gehört in diesem Bereich auch das Recht, für sich zu sein, sich selber zu gehören und den Einblick durch andere auszuschließen (vgl. BVerfGE 34, 238, 245; 35, 202, 220; BVerfG, AfP 2010, 562; Senatsurteile vom 19. Dezember 1995 - VI ZR 15/95, BGHZ 131, 332, 337; vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02, VersR 2004, 522; vom 26. Oktober 2010 - VI ZR 230/08, BGHZ 187, 200 Rn. 10, 13, jeweils mwN). Der Schutz der Privatsphäre ist thematisch und räumlich bestimmt. Er umfasst insbesondere Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als "privat" eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst, wie es etwa bei Auseinandersetzungen mit sich selbst in Tagebüchern (BVerfGE 80, 367), bei vertraulicher Kommunikation unter Eheleuten (BVerfGE 27, 344), im Bereich der Sexualität (BVerfGE 47, 46; 49, 286), bei sozial abweichendem Verhalten (BVerfGE 44, 353) oder bei Krankheiten (BVerfGE 32, 373) der Fall ist. Fehlte es hier an einem Schutz vor der Kenntniserlangung anderer, wären die Auseinandersetzung mit sich selbst, die unbefangene Kommunikation unter Nahestehenden, die sexuelle Entfaltung oder die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe beeinträchtigt oder unmöglich, obwohl es sich um grundrechtlich geschützte Verhaltensweisen handelt (vgl. BVerfGE 101, 361, 382)“ BGH, Urteil vom 25.10.2011, Az VI ZR 332/09.
Der Schutz des Grundrechtsträger kann aber auch hier entfallen, wenn er seine Privatsphäre nach außen hin für Jedermann öffnet.
Sexualität als Teil der Sozialsphäre
Die Ausdrucksformen der Sexualität können meist zumindest dem Bereich des Sozialsphäre zugeordnet werden. Berichterstattungen über die Themen aus der Sozialsphäre sind in der Regel zulässig, wenn es sich um wahre Tatsachenbehauptungen handelt. Grundsätzlich hat kein Mensch einen Anspruch darauf öffentlich nur so dargestellt zu werden, wie es seinem Selbstbild entspricht oder es ihm genehm ist. Eine Verletzung die nicht hinzunehmen wäre würde nur dann vorliegen, wenn die Schutzinteressen des Betroffenen die schutzwürdigen Interessen der berichtserstattenden Seite überwiegen würden.
Fazit
Berichterstattungen über Intimes und Sexuelles können zulässig sein, wenn dies aus den Umständen des Einzelfalles erkennbar wird z.B. weil der Grundrechtsträger sein Intim- und Privatleben ohnehin nach außen kehrt.
Karsten Gulden
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und zertifizierter Mediator
Karsten Gulden, LL.M. Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und zertifizierter Mediator