Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche des Anwalts
Anwaltliche Schriftsätze oder außergerichtliche Schreiben sind Gedankenerklärungen eines Anwalts. Auch Anwälte haben ein Verfügungsrecht über ihr geschriebenes Wort. Als urheberrechtliches Werk i.S.d. § 2 UrhG werden Schriftsätze jedoch mangels Schöpfungshöhe meist nicht eingestuft. Auch wenn der BGH anwaltlichen Schriftsätzen nur einen niedrigen Schutz zumisst, kann dieser unter gewissen Voraussetzungen dennoch bestehen.
Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
Grundsätzlich kommen daher Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in seiner Ausprägung als Bestimmungsrecht des Autors über die Veröffentlichung eines von ihm verfassten Schreibens (§§ 1004 Abs.1 2, 823 Abs.1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs.1, 1 Abs.1 GG, Art. 2 Abs.1, 8 Abs.1 EMRK) in Frage. Die Rechtsprechung lässt die Einordnung in die jeweiligen Ausprägungen regelmäßig dahinstehen, da es im Ergebnis auf die Frage der Rechtswidrigkeit als Folge einer Abwägung der widerstreitenden Interessen ankommt.
Als Rahmenrecht ist dieses Recht also nur verletzt, wenn das Interesse an der Veröffentlichung nicht das Persönlichkeitsrecht des Anwalts überwiegt. Das Selbstbestimmungsrecht des Anwalts muss im Einzelfall also wichtiger sein, als die Meinungs- und Pressefreiheit des Veröffentlichenden, wenn der Anwalt die Veröffentlichung unterbinden möchte.
Die Rechte des Anwaltes werden immer dann (unzulässig) verletzt, wenn der Anwalt und sein Vorgehen durch die Veröffentlichung abgestraft werden sollen. Das BVerfG hat in seinem Beschluss (18.2.2010 - 1 BvR 2477/08) klargestellt, dass die Grundsätze der sog. Prangerwirkung auch für Zitate aus Anwaltsschreiben gelten.
„Diese wird von der zivilgerichtlichen Rechtsprechung dann erwogen, wenn ein – nach Auffassung des Äußernden – beanstandungswürdiges Verhalten aus der Sozialsphäre einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht wird und sich dies schwerwiegend auf Ansehen und Persönlichkeitsentfaltung des Betroffenen auswirkt, was insb. dort in Betracht kommt, wo eine Einzelperson aus der Vielzahl derjenigen, die das vom Äußernden kritisierte Verhalten gezeigt haben, herausgehoben wird, um die Kritik des als negativ bewerteten Geschehens durch Personalisierung zu verdeutlichen.“
Das bedeutet, dass einzig und allein der Zweck, einen Anwalt abzustrafen, kein berechtigtes Interesse an einer Veröffentlichung begründet. Etwa dann, wenn dem Anwalt unterstellt wird, er versuche durch sein Schreiben „einzuschüchtern“, jemanden „mundtot“ zu machen oder handle aus anderen unbilligen und standesrechtswidrigen Motiven.
Die Veröffentlichung eines anwaltlichen Schreibens ist also unzulässig, wenn die Veröffentlichung keinen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung darstellt oder einen Bezug zu Vorgängen hat, an denen ein öffentliches Interesse besteht.
Die Veröffentlichung ist stets unzulässig, wenn der Verbreiter in dem Zusammenhang unwahre Tatsachenbehauptungen verbreitet.
Auch der Umfang der Veröffentlichung ist zu berücksichtigen. Die Veröffentlichung eines anwaltlichen Schreibens darf nur im angemessenen Umfang erfolgen. An kleinere Zitate zum Zwecke des öffentlichen Meinungskampfes sind hier geringere Anforderungen zu stellen als an die komplette Veröffentlichung des gesamten Dokumentes.
Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche des Mandanten
Sollte das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mandanten betroffen sein, so stehen ihm unter den o.g. Grundsätzen die gleichen Ansprüche wie einem Anwalt zu.
Meist enthalten anwaltliche Schreiben auch persönliche Details und Daten des Mandanten, so dass hier auch Ansprüche aus dem Datenschutzrecht in Betracht kommen. Etwa aus Art. 17 Abs.1 lit. d. DSGVO, denn die Veröffentlichung von personenbezogenen Daten wird idR nicht rechtmäßig i.S.d. Art. 6 DSGVO erfolgen.
Sonderfall: Presseorgane und öffentliches Informationsinteresse
Der BGH (Urt. v. 26.11.2019 – VI ZR 20/19) hält die kurze Wiedergabe des Inhalts von Anwaltsschreiben in Presseveröffentlichungen in der Regel für zulässig. Der Anwalt kann der Pressefreiheit nur schwache Geheimhaltungsinteressen entgegenhalten.
In der Sache ging es um die Steueraffäre eines Profifußballers. Dem prominenten Mandanten wurde hierzu ein Fragebogen zwecks Berichterstattung zugesendet. Der Anwalt äußerte sich hierzu und kritisierte die Berichterstattung über seinen Mandanten.
Zudem wies er explizit darauf hin, dass die Einlassungen nicht für die Veröffentlichung bestimmt seien und Konsequenzen androhte, sollte dies dennoch geschehen. Unter Berufung auf seine „Public Watchdog“- Funktionen gab das Presseorgan das Schreiben in Teilen – teils satirisch – wieder.
Der BGH sah die Pressefreiheit hier aufgrund des öffentlichen Informationsinteresses an der Steuer-Affäre des Prominenten als vorrangig. Rechte des Anwalts seien nicht verletzt, denn ein anwaltliches Schreiben sei keine private Kommunikation. Sie trete gerade aus dem persönlichen Lebensbereich heraus. Insbesondere bei Vorgängen, denen ein öffentliches Informationsinteresse zugrunde liegt, könne ein einseitiges „Veröffentlichungsverbot“ nicht ausreichen.
Veröffentlichung von Filesharing-Abmahnungen
Weiteres Beispiel für eine zulässige Veröffentlichung von Anwaltsschreiben sind Massen-Abmahnungen (Beispiel: Filesharing-Abmahnungen). In diesen Fällen wird man wohl ein öffentliches Interesse an der Information bejahen müssen, da hier potenzielle Empfänger gewarnt werden sollen. Soweit die Kommentierung sachlich erfolgt und keine Datenschutzverstöße vorliegen, liegt auch kein Verstoß gegen die Rechte des schreibenden Anwalts vor.
Liegt der Fokus aber darin, einen Anwalt im Einzelfall „öffentlich vorführen“ zu wollen, ist dies unzulässig.
Anwaltsschreiben genießen geringen Schutz vor Veröffentlichung, denn sie sind grundsätzlich keine private Kommunikation. Der Anwalt als Organ der Rechtspflege äußert sich in den meisten Fällen gegenüber einem Dritten. Liegt dem Sachverhalt zudem ein Vorgang von öffentlicher Relevanz zugrunde, so darf ein Presseorgan aus dem Schreiben zitieren.
Dort, wo jedoch Schreiben im Volltext und unter Nennung von Klarnamen veröffentlicht werden, um Anwälte und Mandanten einzuschüchtern - sie öffentlich anzuprangern – ist jedoch eine Grenze überschritten. An einer Veröffentlichung, der eine Prangerwirkung zugrunde liegt, kann kein öffentliches Interesse bestehen.
Der öffentliche Meinungskampf ist zulässig. Private Streitigkeiten fallen nicht hierunter. Wo Sachlichkeit fehlt und Polemik vorherrscht, haben die Publizierer schlechte Karten. Betroffene sollten in diesen Fällen gegen eine Veröffentlichung vorgehen – zum Schutz ihrer Rechte.