Der Verletzte hat seinen Sitz nicht in Deutschland
Häufig kommt es bei Rechtsverletzungen im Internet zu folgendem Problem: Der Verletzte hat seinen Sitz nicht in Deutschland, die Rechtsverletzungen sind aber in Deutschland genau so auch in derselben Sprache abrufbar und zugänglich.
Nun stellt sich die Frage, ob der Verletzte in Deutschland gegen den Anbieter, bei dem die Rechtsverletzung zugänglich gemacht wurde (häufig in Ergebnislisten bei Suchmaschinen wie Google), Klage erheben kann. Es stellt sich dann die Frage, welcher Gerichtsstand einschlägig ist.
Verschiedene Arten von Gerichtsständen für Internetstreitigkeiten
Es gibt in der deutschen Zivilprozessordnung verschiedene Arten von Gerichtsständen, den allgemeinen und mehrere besondere Gerichtsstände. In den meisten Fällen der Rechtsverletzung im Internet kommt der besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gemäß § 32 ZPO in Betracht. Danach ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen wurde.
Da das Internet keinem Bezirk eines bestimmten Gerichts zugeteilt oder gar ein räumlich abgegrenzter Raum ist, kommen folglich bundesweit alle Gerichte in Betracht, sofern die Rechtsverletzung bundesweit veröffentlicht und abrufbar ist.
Dies gilt grundsätzlich in der Form allerdings erst ein Mal nur für auch in Deutschland ansässige Betroffene, da die ZPO deutsches Recht ist.
EuGVO - Gerichtsstand bei Delikten im Internet
Sitzt der Betroffene in einem EU-Mitgliedsstaat, entscheidet die EuGVO, wo Klage erhoben werden kann. Die hier einschlägige Vorschrift für den o.g. Fall ist Art. 7 Nr. 2 EuGVO. Dieser legt für den Gerichtsstand bei Delikten eine besondere Zuständigkeit am Deliktsort fest. Der Ort ist dort, wo das „schädigende Ereignis eingetreten ist“. Das heißt, ist die Rechtsverletzung in Deutschland ebenfalls zugänglich und abrufbar, so ist sie als schädigendes Ereignis auch in Deutschland eingetreten. Es kann damit Klage in Deutschland erhoben werden.
Abmahnung gegen Google wegen rechtswidriger Bewertung
Befindet sich Google nun in Verzug, wird in der Regel eine anwaltliche Abmahnung gegen Google ausgesprochen und Google nochmals und letztmals zur außergerichtlichen Entfernung der Bewertung aufgefordert. Gleichzeitig werden Google die Rechtsanwaltskosten in Rechnung gestellt. Führt auch dies nicht zum Erfolg, können gerichtliche Schritte eingeleitet werden.
Schwieriger ist der Fall, wenn der Geschädigte im Nicht-EU-Ausland sitzt und die Inhalte dennoch auch in Deutschland in der gleichen Art und Weise zugänglich sind. Das praktisch relevanteste Beispiel hierfür ist die Schweiz. Werden auf einer Internetseite, welche von einem Unternehmen mit Sitz in der Schweiz auf deutscher Sprache betrieben wird, Rechtsverletzungen begangen, die genau so auch in Deutschland abrufbar sind, ist die Anwendung der EuGVO ausgeschlossen.
Dies scheint zunächst ungerecht, sind die Rechtsverletzungen doch ebenso „begangen“, wie wenn die Schweiz ein EU-Mitglied wäre.
In solchen Fällen muss als Anknüpfungspunkt wieder die Verletzungshandlung genommen werden. Dabei ist auf die konkreten Umstände abzustellen. Insbesondere ist relevant, ob die Internetseite auch und gerade einem deutschen Publikum zugänglich gemacht wurde und ebenso auch für dieses bestimmt ist. Dabei sind die Angebotssprache, die angebotenen Leistungen oder Informationen ebenso wie die Zielrichtung der angebotenen Inhalte zu beachten. Sollten diese Bedingungen erfüllt sein, ist also auch und gerade ein Erreichen von deutschen Staatsbürgern auf deutschem Hoheitsgebiet bezweckt, so ist die Rechtsverletzung als auch in Deutschland begangen anzusehen. Dann wiederum wären für eine Klageerhebung die Gerichtsstände nach der ZPO ausschlaggebend und § 32 ZPO wäre einschlägig.
BGH zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte
Dies entschied der BGH ausdrücklich in seinem Urteil vom 21.04.2016 – I ZR 43/14 in Bezug auf Urheberrechte und führte wörtlich aus:
„Der Erfolgsort einer unerlaubten Handlung im Sinne von §32 ZPO ist bei einer behaupteten Verletzung des Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte durch ein öffentliches Zugänglichmachen des Schutzgegenstands über eine Internetseite im Inland belegen, wenn die geltend gemachten Rechte im Inland geschützt sind und die Internetseite (auch) im Inland öffentlich zugänglich ist; (..)“
Danach kommt es also neben den bereits genannten Voraussetzungen noch darauf an, ob das beeinträchtigte Recht in Deutschland ebenfalls geschützt ist. Dies trifft nur in besonderen Ausnahmefällen nicht zu.
Was sagt der EuGH zur Zuständigkeit deutscher Gerichte?
EuGH bejaht internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte auch Persönlichkeitsrechtsverletzungen
Der BGH spricht ausdrücklich nur vom Urheberrecht und verwandten Schutzrechten. In der Praxis ebenso relevant sind aber auch Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Der EuGH hat mit Urteil vom 25.10.2011 bereits festgestellt, dass die o.g. Grundsätze auch für das Persönlichkeitsrecht gelten (Az. C-509/09 und C-161/10).
Dass die Bindungswirkung solcher Urteile von im EU-Ausland sitzenden häufig bestritten wird ist keine überzeugende Ansicht. Die vermittelten Grundsätze sind allgemeingültig und können, auch unabhängig von einer nicht bestehenden (unmittelbaren) Bindungswirkung der Urteile von nationalen und EU-Gerichten, angewandt werden. Anderenfalls wäre eine Rechtsverletzung im Internet nur dann verfolgbar, wenn Schädiger und Geschädigter sowie alle, die Zugriff auf die Verletzung haben im selben Land (oder zumindest in der EU) wohnen würden. Dies ist natürlich nicht der Fall.
Damit können auch Verletzte aus Luxemburg, Liechtenstein, der Schweiz und Österreich gegen Google und andere Betreiber von Plattformen in Deutschland klagen, sofern ihre Rechte betroffen sind und die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind.