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Studie - Verbessern Arztbewertungsportale die Qualität der Patientenversorgung?

Veröffentlicht am

Karsten Gulden vertitt als Rechtsberater seit einigen Jahren Ärzte und weitere Dienstleister aus der Health & Care Branche, die mit negativen Bewertungen zu kämpfen haben. "Dabei gibt es in der Tat Ärzte, die noch gar nicht wissen, dass es Bewertungsportale gibt, während andere Ärzte bereit sind, viel Geld in die Hand zu nehmen, um den eigenen Ruf zu schützen", so Guldens Erfahrungen aus der anwaltlichen Praxis.

Unbekannt waren Ihm bisher Aussagen darüber, ob Ärzte die Bewertungen nicht nur zum Anlass nehmen, damit zum Anwalt zu rennen, sondern auch, um ihr eigenes Angebot zu verbessern. Umso erfreuter war er dann, als er von der Studie des Herrn Prof. Dr. Emmert erfuhr, der untersuchte, ob sich Ärzte von den Bewertungen in ihrem Täglichen Tun beeinflussen lassen. So setzte sich Fachanwalt Gulden, LL.M. mit Herrn Prof. Dr. Emmert in Verbindung und interviewte ihn zu dem Thema Artzbewertungen im Internet.

„Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Emmert, Sie haben eine Studie durchgeführt, um herauszufinden, ob Mediziner Arztbewertungsportale nutzen, um die Qualität der Patientenversorgung zu verbessern. Wie lautet das Ergebnis?

(Martin Emmert): Wir konnten mit der Umfrage erstmals überhaupt zeigen, dass online Bewertungen auf Bewertungsportalen im Internet einen Einfluss auf die Patientenversorgung haben. Genauer gesagt haben wir gelernt, dass 55% aller befragten Ärzte und Heilberufler die online Bewertungen als Anlass dazu genommen haben, Maßnahmen zur Verbesserung der Patientenversorgung zu implementieren. Des Weiteren konnten wir sehen, dass 87% der befragten Mediziner Einträge auf Arztbewertungsportalen lesen und 61% diese mindestens einmal im Monat auswerten. Überraschend war das Ergebnis, dass jeder achte Leistungserbringer angab, selbst die online Bewertungen heranzuziehen, sofern Patienten an andere Ärzten weiterüberwiesen werden müssen. Das zeigt, dass sich selbst Ärzte von den online Bewertungen beeinflussen lassen.

Kann man von einem repräsentativen Ergebnis der Studie sprechen?

(Martin Emmert): Die Befragung kann nicht als repräsentativ für alle niedergelassenen Ärzte in Deutschland gelten, nein. Aber die Ergebnisse sind nahezu repräsentativ für alle Ärzte und Heilberufler, welche auf jameda registriert sind. Und das sind immerhin ca. 25.000 niedergelassene Leistungserbringer. Die Ergebnisse gelten eher nicht für niedergelassene Leistungserbringer, die nicht auf online Portalen wie jameda aktiv sind bzw. von entsprechenden Internetangeboten nichts wissen oder diese in ihrer täglichen Arbeit nicht berücksichtigen.

Welche Ärzte haben Sie befragt?

(Martin Emmert): Wir haben 25.000 niedergelassene Leistungserbringer angeschrieben, die sich auf dem Arztbewertungsportal jameda mindestens kostenlos registriert haben. Das sind ca. 8% aller in Deutschland niedergelassenen Ärzte bzw. Heilberufler. Insgesamt konnten wir schließlich in unseren Auswertungen die Antworten von über 2.300 Ärzten und Heilberuflern einschließen, die unsere Befragung vollständig beantwortet haben.

Gibt es innerhalb der Ärzteschaft eine unterschiedliche Wahrnehmung was die Wichtigkeit der Arztbewertungen anbetrifft?

(Martin Emmert): Das ist schwer zu sagen, wissenschaftlich repräsentative Ergebnisse hierzu liegen derzeit nicht vor. Meiner Erfahrung nach ist die Bandbreite allerdings sehr groß. Es gibt Ärzte, welche die Portale sehr aktiv verwenden, die Kommentare in ihrer täglichen Arbeit aufgreifen, viele Informationen für Patienten bereitstellen, aktiv für das Marketing heranziehen etc. Aber auf der anderen Seite gibt es auch viele Ärzte, die dem Thema sehr skeptisch gegenüberstehen und den Portalen keinerlei Bedeutung beimessen.

Nehmen die Ärzte die Bewertungen zum Anlass, die Patientenversorgung zu verbessern?

(Martin Emmert): Ja, insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass die online Bewertungen durchaus einen Einfluss auf die Patientenversorgung haben können. Bislang war noch gänzlich unbekannt, ob und wie Ärzte in Deutschland auf die online Bewertungen reagieren. Wir sind zum Teil auch ein wenig überrascht gewesen, wie groß der Einfluss ausgefallen ist. Aber man muss immer auch gewisse „Nebenwirkungen“ der online Bewertungen bedenken, die ebenfalls einen negativen Effekt auslösen können. So ist sicherlich nicht gänzlich undenkbar, dass vereinzelte Leistungserbringer schwierige Patientenfälle nicht annehmen bzw. zu Kollegen überweisen. Hintergrund ist, dass die Ergebnisse nicht risikoadjustiert dargestellt sind, d.h. Patienten- und Krankheitseigenschaften nicht berücksichtigt werden. Einige Ärzte werden weniger das Risiko eingehen wollen, eine schlechte(re) Bewertung zu erhalten. Solche Effekte darf man nicht ganz außen vor lassen.

Welche konkreten Maßnahmen werden durchgeführt, um die Versorgung zum Wohle der Patienten zu verbessern?

(Martin Emmert): Wie oben bereits erwähnt, hat mehr als die Hälfte der befragten Ärzte und Heilberufler die online Bewertungen als Anlass dazu genommen haben, Maßnahmen zur Verbesserung der Patientenversorgung zu implementieren. Die am häufigsten umgesetzten Maßnahmen betreffen solche zur Verbesserung der Kommunikation mit dem Patienten; 29% aller Leistungserbringer haben hier von entsprechenden Maßnahmen berichtet. Des Weiteren haben 24% der Befragten den Terminvergabeprozess verbessert und mehr als jeder fünfte Befragte den Ablauf in der Praxis optimiert. Jeder zehnte Befragte gab zudem an, Schulungen für das Praxispersonal durchgeführt zu haben, 6% stellten weitere Mitarbeiter ein und 3% haben aufgrund der Bewertungen Mitarbeiter entlassen.

Gibt es „Vorbilder“ innerhalb der Ärzteschaft, die in besonders häufig Maßnahmen zur Qualitätssteigerung durchführen?

(Martin Emmert): Ja, wir haben hierbei deutliche Unterschiede gesehen. Am aktivsten waren Augenärzte und Gynäkologen, ca. zwei von drei befragten Leistungserbringern gaben hierbei an, Maßnahmen umgesetzt zu haben. Im Mittelfeld lagen Urologen, Zahnärzte, Dermatologen und Allgemeinmediziner. Am wenigsten haben Kinderärzte, Psychotherapeuten und alternative Heilberufe die online Bewertungen als Anlass genommen, Maßnahmen zur Qualitätssteigerung abzuleiten.

Welche Chancen bieten Arztbewertungsportale für Ärzte und Patienten?

(Martin Emmert): Aus Patientensicht sollte man bedenken, dass auf den Portalen derzeit „lediglich“ der Aspekt der Patientenzufriedenheit dargestellt wird. Demnach sollte man hierbei nicht automatisch auf die medizinische Qualität eines Arztes schließen. Studien haben gezeigt, dass es nur einen schwachen Zusammenhang zwischen online Bewertungen und medizinischer Versorgungsqualität gibt. Allerdings spiegeln die online Bewertungen in der Tendenz gleiche Ergebnisse wie offline erhobene Zufriedenheitsbefragungen wider. Daher haben die online Befragungen durchaus ihre Berechtigung. In Bezug auf die online erhobene Patientenzufriedenheit gibt es aber einige Schwachstellen, die bereits oben angesprochen worden sind. Jüngste Studien haben gezeigt, dass online Portale als erste Anlaufstelle verwendet werden, um mögliche Ansprechpartner zu identifizieren. Viele Patienten sind sich der Tatsache bewusst, dass sie die tatsächliche Qualität eines Arztes erst im Rahmen der Behandlung einschätzen können. Nichtsdestotrotz muss man aber auch festhalten, dass die Arztbewertungsportale derzeit die einzige Quelle sind, auf denen sich Patienten über ein breites Meinungsbild über die Ärzte informieren können. Das liegt insbesondere auch an der Tatsache, dass es in der ambulanten Versorgung in Deutschland derzeit keine erhobenen Qualitätsindikatoren in der Breite gibt. Vereinzelt liegen solche Informationen zwar vor (z.B. Hausarztzentrierte Versorgung, Integrierte Versorgung, Strukturierte Behandlungsprogramme), doch werden diese bislang noch unter Verschluss gehalten. Hier müsste in den nächsten Jahren viel passieren, dann könnte ein Schritt in die richtige Richtung vollzogen werden. Bis dahin können die Portale als erste Anlaufstelle dienen. Wünschenswert wäre, wenn sich die Portale noch weiter auf einzelne Erkrankungsbilder fokussieren würden. So könnten zum Beispiel krankheitsspezifische Fragebögen zum Einsatz kommen, die auf die Besonderheiten einer Erkrankung näher zugeschnitten sind.

Ärzte sollten sich der Tatsache bewusst sein, dass die Portale inzwischen in der Bevölkerung angekommen sind und auch bei der Entscheidungsfindung herangezogen werden. Wir konnten beispielsweise aus einer aktuellen Umfrage lernen, dass bereits mehr als jeder zweite Internetnutzer in Deutschland die Portale kennt, jeder vierte die Portale für die Arztsuche nutzt und jeder zwölfte schon einmal eine Bewertung abgegeben hat. Hinsichtlich des Einflusses zeigte sich, dass sich aufgrund der online Bewertungen 60% der Portalnutzer schon einmal für einen Arzt und 43% der Portalnutzer schon einmal gegen einen bestimmten Arzt entschieden haben. Ärzte sollten die Portale daher beobachten und die von den Patienten verfassten Kommentare ernst nehmen. Wo bekommt man sonst ein so ehrliches Feedback wie auf den Portalen? Ich würde auch immer empfehlen, kritische Kommentare zu kommentieren. Andere Patienten sehen diese Antworten und lassen sie bei der Entscheidungsfindung einfließen. Sofern man der Meinung ist, ein Kommentar ist unsachgemäß oder entspricht nicht der Wahrheit, würde ich mir Schritte überlegen, dagegen vorzugehen. Da sind Sie, Herr Gulden, dann aber sicherlich der bessere Ansprechpartner.

Was raten Sie Ärzten, die eine schlechte Bewertung erhalten haben?

(Martin Emmert): Wie eben bereits erwähnt würde ich mir erst einmal überlegen, ob sie der Wahrheit entsprechen und was ich daraus lernen kann. Welche Schritte kann ich daraus ableiten, um die Patientenversorgung in Zukunft besser zu gestalten? Auch würde ich sie online auf dem Portal kommentieren und meine Sicht der Dinge schildern. Ist man der Meinung, der Kommentar entspricht nicht der Wahrheit, würde ich mir Schritte überlegen, dagegen vorzugehen.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

Prof. Dr. Martin Emmert, MHMM

Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
IMG - Institut für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften

Universität Bayreuth Institut für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften

Prieserstraße 2
95444 Bayreuth

Telefon: +49 921 554827
E-Mail: [email protected]

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