Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht &
Gesellschafter von gulden röttger rechtsanwälte
In und über Politik wird und wurde schon immer heftig diskutiert. Zu konstruktiven Diskursen gehört Kritik auch immer dazu. Insbesondere Amtsträger werden häufig kritisiert, was ausdrücklich gewollt ist. Amtsträger müssen auch mehr einstecken als der Otto-Normalverbraucher. Der Unterschied zu einer Diskussion in unseren eigenen vier Wänden oder mit Freunden besteht darin, dass Amtsträger und Politiker in der Funktion ihres Amtes Befugnisse und Möglichkeiten haben, die der „Normalo“ nicht hat. Nicht umsonst gibt es den Ausdruck „die da oben“. Damit „da oben“ kein Unfug getrieben wird, es ist sogar zwingend notwendig, dass „die da oben“ auch kritisiert werden dürfen. Dies darf jeder Bürger – kraft der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit aus Art. 5 I GG.
Unser oberstes Gericht – das Bundesverfassungsgericht – hat erklärt dies so:
„Der Schutz der Meinungsfreiheit ist gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen und findet dort seine Bedeutung“
Doch alles hat seine Grenzen. Auch die Meinungsfreiheit – und darum soll es in diesem Artikel gehen- Welche Kritik an Amtsträgern und Politikern ist erlaubt? Was nicht? Und was kann man als einer „von denen da oben“ tun, wenn die Ebene der zulässigen Kritik überschritten wurde?
Grundsätzlich muss der Bürger die Möglichkeit haben, Amtsträger auch in „anklagender und personalisierter Art und Weise“ zu kritisieren, ohne befürchten zu müssen, dass dies für ihn negative Folgen im Rahmen der Entscheidung des Amtsträgers hat.
Dabei darf diese Kritik auch polemisch und überspitzt sein, sofern sie einen sachlichen Hintergrund aufweist und aus einem bestimmten Kontext heraus geäußert wird. Das kann die schlechte Erfahrung mit einer Richterin sein oder die langsame Bearbeitung eines Antrags auf dem Amt.
Zu bedenken ist hierbei, dass sich die Kritik oftmals gegen die Person, welche das Amt lediglich ausführt, erstreckt. Es muss also klar sein, dass es Menschen sind die hier kritisiert werden. Auch diese Menschen haben Rechte. Dies ist es für die Frage, was in Sachen Machtkritik erlaubt ist elementar, da das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Ehrgefühl dieser Menschen mit einbezogen werden muss.
Konkret bedeutet dies, dass es immer zu einer Einzelfallabwägung kommt, in der die Interessen des Äußernden mit den Interessen der Amtsperson abgewogen werden. Das BVerfG räumt hier der Meinungsfreiheit keinen grundsätzlichen Vorrang ein, auch wenn die Machtkritik als der Ursprung der Meinungsfreiheit gilt.
Will man also wissen, ob eine Kritik eines Amtsträgers zulässig war, müssen folgende Punkte beachtet werden:
Wenn Kritik öffentlich geäußert wird, sind die möglichen Folgen weitaus größer als im privaten Bereich.
Während ein Gespräch innerhalb der Familie oder unter guten Freunden natürlich nicht in Beleidigungen und Verleumdungen ausarten sollte, ist eine harsche Kritik im kleinen privaten Kreise weniger schwer zu gewichten wie ein Post auf einer öffentlichen Facebook-Seite oder auf Twitter. Dies gilt insbesondere dann, wenn Klarnamen und weitere identifizierende Merkmale genannt werden. Wer sich im Netz kritisch über bestimmte Personen äußert, sollte sich immer bewusst sein, dass sich diese Kritik wie ein Lauffeuer verbreiten kann, was selten folgenlos bleibt.
So kann es sinnvoll sein, sich auf den offiziellen Wegen, zB mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde, zur Wehr zu setzen, anstatt seinen Unmut direkt im Internet zu äußern.
Wichtig ist auch, wie der Amtsträger kritisiert wird. Kritische Äußerungen, die im Affekt während hitzigen Diskussionen, zB vor Gericht, fallen, können anders bewertet werden, als schriftliche Äußerungen. Bei letzterem kann man davon ausgehen, dass sie mit mehr Bedacht verfasst wurden, sodass Vorwürfe hier schwerer wiegen. Insoweit ist auch nochmal auf die Problematik von harscher persönlicher Kritik im Netz hinzuweisen. Nicht nur, dass dies jeder lesen kann – es kann auch davon ausgegangen werden, dass sich der Verfasser seine Worte wohl überlegt hat.
Sicherlich ist nicht jeder Mitarbeiter des Staates eine Person des öffentlichen Lebens. Gerade bei einfachen staatlichen Amtswaltern sollte auf identifizierende Kritik in der Öffentlichkeit verzichtet werden. Dies gilt gerade für solche Menschen, die nur aufgrund von behördeninternen Strukturen in Kontakt mit Bürgern kommen. Anders sieht es insbesondere bei Politikern, Behördenleitern oder Beamten aus, die von sich aus die Öffentlichkeit gesucht haben.
Wer bewusst in die Öffentlichkeit tritt, muss mehr aushalten. Dementsprechend ist es auch ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, dass die Grenze zulässiger Kritik an Politikern weiter zu ziehen ist, als bei anderen. Dieser Grundgedanke dient auch dem Schutz der Demokratie, denn die Politiker sind dem Volk dem Land verpflichtet.
„Ein Politiker muss einstecken können. Beleidigungen, Verleumdungen und Üble Nachreden gehören nicht hierzu!“ RA K. Gulden
Daher ist auch polemische und überspitze Kritik an der Ausführung des Amtes durch die Person durchaus erlaubt. Vorsichtig sollte man allerdings dann sein, wenn die Person hinter dem Amt getroffen werden soll. Mit anderen Worten, wenn es „persönlich wird“ und Verächtlichmachungen und Hetze verbreitet wird. Zum einen fehlt hier oftmals der sachliche Bezug zu einem konkreten Thema (Stichwort: Schmähkritik) und zum anderen gelten hier die gleichen Maßstäbe wie für Private.
Merke:
Je weiter sich die Kritik also von einem sachlichen Kontext entfernt, desto eher dürfte sie unzulässig sein.
Auch die Amtsträger und Politiker müssen irgendwo geschützt werden. Denn eine Bereitschaft zur Mitwirkung in Staat und Gesellschaft kann nur erwartet werden, wenn für diejenigen, die sich engagieren und öffentlich einbringen, ein hinreichender Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte gewährleistet wird. Daher liegt der Schutz des Persönlichkeitsrechts von engagierten Menschen auch im Interesse aller.
Die Frage, ob ein öffentliches Interesse an einer kritischen Äußerung besteht, hängt eng mit der Frage zusammen wer kritisiert wird. Je bekannter die Person, desto eher wird von einem öffentlichen Interesse ausgegangen. So muss sich ein Bundesminister mehr gefallen lassen als ein Lokalpolitiker im Gemeinderat. Auch die Thematik und die damit verbundenen Vorwürfe spielen eine Rolle. Je gesellschaftsrelevanter das Thema ist, desto eher muss das Persönlichkeitsrecht zurückstehen.
Kritik ist selten anlasslos - man kann sich zwar über den Anlass und dessen Bedeutung streiten, allerdings sollte dieser immer klar erkennbar sein. Nur so kann der Hörer/Leser einen Bezug zum Kontext herstellen.
Dazu hat das BVerfG eine klare Antwort – nein: Es werden nicht nur sachlich differenzierte Äußerungen geschützt, sondern gerade auch solche Kritik, die grundlos harsch, pointiert, polemisch und überspitzt vorgetragen wird. Dabei kommt es also nicht drauf an, ob die fragliche Kritik sachlicher oder differenzierter hätte geäußert werden können, ohne den Inhalt zu verfälschen.
Solche „harte“ Formen der Kritik haben vielmehr zur Folge, dass das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen unter Umständen stärker betroffen wird. Aber sie ist nicht grundsätzlich unzulässig.
Als Beispiel hierfür kann folgender Beschluss des BVerfG angeführt werden. Der Betroffene ließ sich nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von uns in Reputationsfragen beraten:
Es handelte sich um einen Vater, der sich mit seiner Ex Frau um das Sorgerecht stritt. Dieser legte nach der für ihn ungünstig verlaufenen Verhandlung Dienstaufsichtsbeschwerde mit folgendem Text ein:
Nach meinem Rechtsempfinden steht es einem Richter ohnehin nicht zu, bei seiner Urteilsverkündung dem Geschädigten mit einem dämlichen Grinsen Ratschläge wie er könne ja Beschwerde gegen sein Urteil einlegen zu erteilen, erst recht wenn er anscheinend davon ausgeht, dass die Beschwerde sowieso nachträglich behandelt wird. Wenn es um das Kinderwohl seiner eigenen Kinder ginge, unterstelle ich […], dass er nicht mehr so lax mit den Terminen umgehen und erst recht nicht dabei dämlich grinsen würde.“
Beschluss vom Oktober 2020 (1 BvR 1024/19)
Der betroffene Familienrichter erstatte Anzeige wegen Beleidigung. Er störte sich insbesondere an der Formulierung „dämliches Grinsen“. Der Vater wurde auch entsprechend verurteilt. Das BVerfG ging allerdings davon aus, dass die Abwägungsentscheidung der der vorausgegangenen Instanzen nicht alle Umstände berücksichtigt hatte und es sich hier um eine zulässige Kritik an der Arbeitsweise des betroffenen Familienrichters handelte. Dementsprechend lehrt uns dieser Beschluss, dass auch polemische Kritik nicht sofort unzulässig ist.
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Das BVerfG stellt immer wieder klar, das Meinungsäußerungen generell und damit auch Machtkritik nur in seltenen Ausnahmefällen per se unzulässig ist.
Dies ist nur dann der Fall wenn
Diese sind Strafvorschriften innerhalb des Strafgesetzbuches, die es u.a. verbieten, den Bundespräsidenten und die Symbole der BRD und der EU zu „verunglimpfen“.
Diese Normen sind gesetzliche Beschränkungen der grundrechtlich gewährten Meinungsfreiheit. Dementsprechend sind sie auch nur in engen Grenzen einschlägig.
Von einer Verunglimpfung ist daher nur dann auszugehen, wenn es sich um eine böswillige Verächtlichmachung handelt, die über eine Systemkritik einschließende Polemik hinausgeht und das in Frage stellt, was die Bundesrepublik Deutschland grundlegend prägt. Darunter zählen zum Beispiel das Demokratieverständnis, die Menschenrechte und deren Verankerung im Grundgesetz, Rechtsstaatlichkeit etc.
Die Presse spielt in puncto Machtkritik eine herausragende Rolle. Denn die Presse ist das Sprachrohr, welches kritische Stimmen zu Wort kommen lässt. Für die Presse gelten grundsätzlich die gleichen Regeln, wie für jeden auch. Meinungen und Berichterstattungen über bestimmte Personen oder Machtstrukturen müssen und dürfen verbreitet werden.
„Machtkritik zu formulieren ist eine der wichtigsten Aufgabe von Presse und Medien!“ Karsten Gulden, LL.M. Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Klar ist, dass ein Pressebericht in der Regel stärker in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Personen eingreift als die Kritik einer Einzelperson.
Daher dürfen Journalisten und Journalistinnen keine falschen Tatsachenbehauptungen aufstellen, keine Schmähungen veröffentlichen und sie dürfen die Betroffenen in der Öffentlichkeit auch nicht anprangern.
Betroffene von entsprechender Berichterstattung oder auch durch Kritik von Privaten müssen sich schnell und effektiv wehren können. Um eventuelle Weiterverbreitung solcher Aussagen und damit eine Vertiefung von Schäden zu vermeiden, sollten folgende Möglichkeiten in Betracht gezogen werden:
Sind zusätzlich Schäden oder schwerwiegende Beeinträchtigungen entstanden, so können Betroffene Schmerzensgeld und Schadensersatz verlangen.
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