Recht auf Löschung Artikel 17 DSGVO
Wem steht das Recht auf Löschung zu?
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"Recht auf Löschung („Recht auf Vergessenwerden“): Der Betreiber einer Suchmaschine muss die in dem aufgelisteten Inhalt enthaltenen Informationen auslisten, wenn der Antragsteller nachweist, dass sie offensichtlich unrichtig sind" - Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-460/20 | Google (Auslistung eines angeblich unrichtigen Inhalts) vom 08.12.2022.
Bereits im Jahr 2014 entschied der Europäische Gerichtshof, dass Suchmaschinenbetreiber in der Pflicht sind, Sucheinträge mit Namensbezug zu löschen, wenn der Betroffene dadurch in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt ist (EuGH Urt. v. 13.5.2014 – Az.: C-131/12). Somit schuf der EuGH das sogenannte „Recht auf Vergessenwerden“. Dieses Recht hat der Gesetzgeber nun durch die Schaffung des Art. 17 DSGVO (Recht auf Löschung („Recht auf Vergessenwerden“)) kodifiziert. Es stellt einen wichtigen Bestandteil der weitreichenden Kontrolle einer Person über die sie betreffenden Daten und damit des sogenannten Selbstdatenschutzes dar.
Ansprechpartner Karsten Gulden, LL.M. Medienrecht
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht &
Gesellschafter von gulden röttger rechtsanwälte
Anbei 5 Beispiele, welche Links aus den Suchergebnissen auf Antrag unserer Kanzlei für Mandanten von Google blockiert wurden (Recht auf Vergessenwerden):
Scientology
Affäre
Rassismusvorwürfe
Waffenhandel
Betrugsvorwürfe
strafrechtliche Verurteilung
Vorschaubilder / Thumbnails
Wirtschaftskriminalität
Wir gehen davon aus, dass Google auch künftig eher dazu tendieren wird, Links zu Suchergebnissen zu blockieren, wenn diese zu Inhalten führen, die sich mit Themen wie Religion, Kriminalität oder Intimität beschäftigen. Hier haben die Betroffenen unserer Auffassung nach in den meisten Fällen auch ein Recht auf eine Löschung der URLs aus dem Index.
Was bedeutet Löschung im Sinne der DSGVO?
Löschen ist eine Form der Verarbeitung von Daten. Löschung bedeutet die Vernichtung der Datenträger oder das Überschreiben. Die bloße Löschung einer Verknüpfung oder eines Verweises ist keine Löschung. Auch die Blockierung von Suchergebnissen in den Suchmaschinen ist keine Löschung.
Recht auf Auslistung - Artikel 17 DSGVO
Artkel 17 DSGVO benhaltet auch ein Recht auf Auslistung. Betroffene können von Google die Entfernung von Links aus der Suchergebnisliste verlangen, die im Anschluss an eine generell anhand des Namens der Person durchgeführte Suche angezeigt werden. Hinsichtlich des bestimmten Suchergebnisses kann dann die Auslistung aus dem Index erfolgen. Google entfernt im Falle eines Rechtsvertoßes den Link des Suchergebnisses zu der Interseite, die den Inhalt zum Abruf bereit hält, der die Rechte des Antragstellers verletzt. Der Anspruch kann insbesondere dann bestehen, wenn das Suchergebnis nach der Eingabe des Namens des Antragstellers angezeigt wird. Der Name ist ein personenbezogenes Datum. Das Auslistungsrecht besteht bei allen in Artikel 17 Absatz 1 DSGVO genannten Gründen.
Wem steht das Recht auf Löschung zu?
Geschützt werden durch Art. 17 DSGVO natürliche Personen, also der einzelne Mensch als Rechtssubjekt. Hingegen fallen juristische Personen, wie etwa Unternehmen oder Körperschaften, grundsätzlich nicht in den Schutzbereich des Art.17 DSGVO. Dies wird bereits durch Art. 1 Abs. 1 und 2 DSGVO deutlich. Unternehmer können sich jedoch ebenfalls auf das Recht auf Vergessen berufen.
Auf Art. 17 DSGVO und damit auf das Recht auf Löschung kann sich daher nur die „betroffene Person“ berufen, also diejenige, die durch die personenbezogenen Daten identifiziert oder identifizierbar ist. Dies gilt für Privatpersonen und auch für Berufsträger, sofern ihr Privatleben verletzt wird.
Der Löschungsanspruch richtet sich gegen den „Verantwortlichen”, also die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Dies können auch Suchmaschinenbetreiber wie Google sein.
Die ewige Abrufbarkeit und öffentliche Zugänglichkeit von Informationen für jedermann kann sich besonders im Berufsleben negativ auswirken.
Beispiele:
Studenten, vor dem Hochschulabschluss bzw. vor dem Berufseintritt
Führungskräfte, Geschäftsführer, leitende Angestellte, insbesondere vor Beförderung
Jobsuchende vor Bewerbungsphase
Politiker, Persönlichkeiten, die im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen
Wirtschaftsstraftäter, die ihre Haftstrafe verbüßt haben und deren Tat schon Jahre zurückliegt
Mehr als 90 % aller Menschen nutzen die Google Suchmaschine, um an Informationen jeglicher Art zu gelangen. Vorgesetzte, Mitarbeiter, Freunde und Verwandte - alle gehören dazu und finden durch die Namenseingabe alle Informationen, die Google zum Abruf bereithält.
Dies führt immer öfter dazu, dass Bewerber nicht eingestellt werden, leitende Angestellte nicht befördert werden oder Beschäftigte plötzlich ihren Job verlieren und gar nicht wissen warum.
Ebenso sind auch Wirtschaftsstraftäter betroffen, die ihre Strafe verbüßt haben und immer wieder von ihrer Vergangenheit eingeholt werden, da Google diese sichtbar macht, obwohl die Tat schon mehr als zehn Jahre zurückliegt. Eine Resozialisierung ist somit nahezu unmöglich.
Der europäische Gesetzgeber hat dies erkannt und das Recht auf Vergessen im Internet geschaffen. Jeder Mensch soll das Recht haben, dass die persönliche Vergangenheit nicht auf alle Zeit und für jedermann im Internet abrufbar bleibt.
Wir überprüfen für unsere Mandanten alle rechtlichen Möglichkeiten, um dieses Ziel zu erreichen.
Die Löschung der Suchergebnisse führt zur Einstellung, Beförderung und verhindert Entlassungen. Auch eine Resozialisierung ist dann wieder möglich.
Wer muss meine Daten löschen?
Jeder Mensch, dessen Persönlichkeitsrechte verletzt werden, kann die Löschung aller Daten verlangen, die seine Rechte verletzen. Diese Löschungsrechte bestehen in der Regel gegen Suchmaschinen- und Webseitenbetreiber, gegenüber sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram oder YouTube und gegen Einzelpersonen. Die erstgenannten Gruppen haften mit Kenntnisnahme eines Rechtverstoßes. Da ein Suchmaschinenbetreiber wie Google in keinem rechtlichen Verhältnis zu den Verfassern, der in der Ergebnisliste nachgewiesenen Inhalten steht, kann Google den Sachverhalt alleine nicht ermitteln. Hier muss der Antragsteller aktiv werden und nötigenfalls auch den Wahrheitsgehalt der Tatsachenbehauptungen beweisen. Die Darlegungs- und Beweislast für den Auslistungsanspruch trägt dann derjenige, der die Rechtsverletzung behauptet, vgl. BGH VI ZR 405/18 und VI 476/18, BGH PM Nr.75/2020 vom 10.06.2020. Der Sachverhalt muss Google so vorgetragen werden, dass Google auf den ersten Bliuck eine offensichtliche Rechtsverletzung erkennt.
Wann kann man sich auf das Recht auf Löschung berufen?
Damit man sich auf Art. 17 DSGVO berufen kann, müssen bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Um seine Rechte geltend machen zu können, muss einer der 6 Löschungsgründe des Art. 17 Abs. 1 DSGVO vorliegen. Diese Auflistung von Löschungsgründen ist abschließend, sodass eine Berufung auf andere Gründe grundsätzlich nicht möglich ist.
Welche Löschungsgründe gibt es?
Die Löschungsgründe im Einzelnen:
Art. 17 Abs. 1 lit. a: Der erste Löschungsgrund liegt bei einem Wegfall des Erhebungs- bzw. Verarbeitungszwecks vor. Das ist dann der Fall, wenn die personenbezogenen Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder in sonstiger Weise verarbeitet worden sind, nicht mehr notwendig sind. Die Daten wurden zunächst rechtmäßig erhoben, der spätere Zweck der Erhebung bzw. Verarbeitung ist jedoch entfallen, sodass kein Grund mehr für ein Behalten der Daten besteht. Wann ein Wegfall des Erhebungs- bzw. Verarbeitungszwecks vorliegt, ist vom Einzelfall abhängig.
Art. 17 Abs. 1 lit. b: Weiterhin besteht ein Löschungsrecht, wenn die betroffene Person ihre Einwilligung in die Datenerhebung bzw. –verarbeitung widerrufen hat. Wie auch beim ersten Löschungsgrund war hier die Erhebung bzw. Verarbeitung der Daten zunächst rechtmäßig und wurde durch den Widerruf der Einwilligung rechtswidrig.
Art. 17 Abs. 1 lit.c: Ein weiterer Grund für eine Löschung liegt vor, wenn die betroffene Person gegen die Verarbeitung ihrer Daten widersprochen hat. Hierbei ist zwischen dem allgemeinen und dem besonderen Widerspruchsrecht zu unterscheiden. Macht der Betroffene von seinem allgemeinen Widerspruchsrecht Gebrauch, müssen seine Interessen gegenüber denen des Verantwortlichen an der Löschung überwiegen. Insoweit findet eine Interessenabwägung statt. Im Falle von Direktwerbung steht dem Betroffenen ein besonderes Widerspruchsrecht zu. Macht er dieses geltend, so sind die Daten zu löschen. Eine Interessenabwägung findet nicht statt. Ausnahmsweise besteht jedoch keine Löschungspflicht, wenn die Verarbeitung der Daten noch anderen zulässigen legitimen Zwecken dient.
Art. 17 Abs. 1 lit. d: Auch die Unrechtmäßigkeit der Verarbeitung stellt einen Löschungsgrund dar. Wann Daten unrechtmäßig verarbeitet worden sind, lässt sich im Umkehrschluss aus den Art. 6 und 9 DSGVO entnehmen, denn diese statuieren, wann eine Verarbeitung von Daten rechtmäßig ist. Eine Verarbeitung ist bspw. unrechtmäßig, wenn die betroffene Person nicht in die Verarbeitung eingewilligt hat, die erhobenen Daten nicht der Erfüllung eines Vertrages dienen oder besondere Kategorien – etwa rassische oder estnische Herkunft, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen – personenbezogener Daten erfasst worden sind. Aber auch ein Verstoß gegen die Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten (Art. 5 DSGVO) kann zu einer Unrechtmäßigkeit und damit zu einem Löschungsgrund führen.
Art. 17 Abs. 1 lit. e: Ein Löschungsgrund kann sich auch daraus ergeben, dass die Löschung von personenbezogenen Daten zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung aufgrund von Unionsrecht oder dem nationalen Recht dient.
Art. 17 Abs. 1 lit. f: Der letzte Löschungsgrund ist ein spezieller Schutz von Minderjährigen, insbesondere in Bezug auf die Nutzung von Telemedien. Dem minderjährigen Kind soll es möglich sein „datenfrei in die Volljährigkeit“ zu starten. Gerade mit Blick auf die Sozialen Netzwerke oder Streamingdienste, die Kindern direkt angeboten werden, muss es möglich sein, die gespeicherten Daten später zu löschen. Ein Grund dafür ist, dass die Einwilligung in die Datenverarbeitung noch im Kindesalter abgegeben wurde und die mit der Verarbeitung der Daten verbundenen Gefahren noch nicht richtig eingeschätzt wurden.
Liegt einer der dargestellten Löschungsgründe vor, so kann die betroffene Person einerseits mit einem Antrag an den Verantwortlichen die Löschung der personenbezogenen Daten verlangen (bspw. direkt gegen Google oder einen Verlag). Andererseits ergibt sich jedoch bei Vorliegen eines Löschungsgrundes auch die Pflicht des Verantwortlichen die Daten zu löschen. Suchmaschinenbetreiber müssen Anträgen auf Löschung von Links zu Internetseiten, die sensible Daten enthalten, systematisch stattgeben, vgl. EuGH, Schlussanträge vom 10.01.2019 – C – 136/17.
Wichtig:
Sachverhalte, die sich auf finanzielle Betrugsfälle, Berufsvergehen / berufliche Informationen oder Amtsmissbrauch, strafrechtliche Verurteilungen oder das öffentliche Verhalten von Amtsträgern beziehen, können im Einzelfall ebenfalls einen Löschungsanspruch begründen. Voraussetzung ist, dass überwiegende, schutzwürdige, sich aus der konkreten Person ergebende Gründe dies rechtfertigen, vgl. EuGH ZD 2017, 325. Ebenso können spezialgesetzliche Normen Löschungs- und Abänderungsansprüche gegenüber Suchmaschinen wie Google oder Seitenbetreiber begründen wie bspw. das Offenbarungsverbot, welches in § 5 Transsexuellengesetz geregelt ist. Demnach darf niemand gegen den Willen des/der Betroffenen die alten, personenbezogenen Daten (insb. Vorname) verwenden, die Rückschlüsse auf das ehemalige Geschlecht geben könnten. Das Verbot wird sehr extensiv von den Gerichten ausgelegt - zum Schutze der sexuellen Selbstbestimmung der betroffenen Personen.
„Recht auf Vergessen“ – Müssen auch berufliche Informationen gelöscht werden?
Müssen Suchmaschinenbetreiber Suchergebnisse löschen, wenn diese berufliche Informationen enthalten? Ob ein Anspruch gegen den Betreiber einer Suchmaschine auf Löschung von Suchergebnissen bestand, die berufsbezogene Informationen enthalten, hatte auch das OLG Köln (Urt. v. 31.05.2016, Az. 15 U 197/15O) zu entscheiden.
Der Fall beschäftigte sich mit der Frage, ob die ehemalige Geschäftsführerin eines Online-Dating-Portals gegen den Betreiber einer Suchmaschine einen Anspruch auf Löschung von Suchergebnissen hat, welche auf die frühere berufliche Tätigkeit der Klägerin Rückschluss geben. Mit ihrer Klage wollte die Klägerin erreichen, dass der Suchmaschinenbetreiber es unterlässt, 5 URLs anzuzeigen, welche zu negativen Beiträgen über das Online-Dating-Portal weiterleiten. Neben kritischen Wertungen von Nutzern, wurde die Klägerin zudem als (ehemalige) Geschäftsführerin namentlich genannt. Teils wurde sogar ein entsprechender Handelsregisterauszug veröffentlicht.
Die Klage wurde zwar in diesem Fall abgewiesen, jedoch stellte das Gericht klar, dass auch berufliche Informationen unter das Recht aus Vergessenwerden fallen können.
Relevant für die Entscheidung der Kölner Richter war die Abwägung der widerstreitenden Interessen. In diesem Fall musste zwischen dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht, insbesondere dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Ehre der Betroffenen und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit abgewogen werden. Die vom Gericht vorgenommene Abwägung ging in diesem Fall zulasten der Klägerin. Die vom EuGH in dem Urteil vom 13.05.2014 („Google Spain“, Az. C-131/12) aufgestellten Grundsätze ließen sich auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragen. Der entscheidende Unterschied war, dass im Fall der ehemaligen Geschäftsführerin die Suchergebnisse nicht durch die bloße Eingabe ihres Namens angezeigt wurden, sondern erst mit der Eingabe weiterer Suchbegriffe, die in Verbindung mit der früher ausgeübten Tätigkeit stehen. Somit wurde die Verbindung zwischen der Klägerin und ihrer früheren beruflichen Tätigkeit durch den Nutzer vorgenommen, sodass diese nicht erst durch den Suchmaschinenbetreiber erfolge.
Weiterhin wurde anhand der Rechtsprechung des EuGH geprüft, ob ein Eingriff in das vom „Recht auf Vergessen“ geschützte „Privatleben“ vorlag. Es wurde jedoch klargestellt, dass sich der Begriff des sog. „Privatlebens“ mit dem der sog. „Privatsphäre“ nicht deckt.
„[…] ist mit dem Begriff des „Privatlebens“ ein weiterer Anwendungsbereich als der der „Privatsphäre“ umfasst, der sich nicht nur üblicherweise als privatgeltende Umstände des Betroffen, sonder unter anderem auch auf die beruflich Tätigkeit erstreckt.“
Dies hatte zur Folge, dass vorliegend kein Eingriff in die „Privatsphäre“ vorliegt, sondern lediglich die berufliche Tätigkeit und die somit die Sozialsphäre der Klägerin beeinträchtigt ist. Jedoch sehe nach Ansicht des Kölner Senats die Entscheidung des EuGH (Az. C-131/12) ein – von der Rechtsprechung des BGH (vgl. Urt. v. 21.11.2006, Az. VI ZR 259/05) abweichendes – Regel-Ausnahme-Prinzip in Bezug auf die Prüfung der Rechtswidrigkeit wahrer Tatsachenbehauptungen aus der Sozialsphäre vor. Dementsprechend würden die durch Art. 7 und 8 der Grundrechtscharta geschützten Rechte der betroffenen Person grundsätzlich sowohl gegenüber dem wirtschaftlichen Interesse des Suchmaschinenbetreibers als auch dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegen.
„In besonders gelagerten Fällen könne der Ausgleich von der Art der betreffenden Information, von deren Sensibilität für das Privatleben der betroffenen Person sowie vom Interesse der Öffentlichkeit am Zugang zu der Information abhängen.“
Auch das Argument, dass die auffindbaren Informationen bereits über 6 Jahre veraltet sind, blieb letztlich unbeachtlich. Eine genaue Fristenregelung gibt es nicht, jedoch sah das Gericht einen Zeitraum von lediglich 6 Jahren, im Vergleich zu der Entscheidung des EuGH von 16 Jahren, als zu kurz an. Weiterhin wurde betont, dass es sich bei den veröffentlichten Informationen überwiegend um sachlich geprägte und berufsbezogene Informationen handele, sodass ein Rückschluss auf das Privatleben der Betroffenen sowie die Erstellung eines detaillierten Profils nicht möglich sei. Fazit: Dieser Fall zeigt, dass das „Recht auf Vergessenwerden“ in besonders gelagerten Fällen auch bei einem Eingriff in die Sozialsphäre einen Löschungsanspruch begründen kann, auch wenn es bspw. um berufliche Informationen geht. Untermauert wird dies durch eine aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.11.2019 (1 BvR 276/17 - Recht auf Vergessen II). Dort wurde betont, dass es heute immer schwieriger ist, bei den Auswirkungen zwischen der Privatsphäre und der Sozialsphäre zu unterscheiden.
Beispiele für offensichtliche Rechtsverstöße und Löschungsgründe
Ein offensichtlicher und auf den ersten Blick erkennbarer Rechtsverstoß führt in der Regel zu einem Löschungsanspruch.
Beispiele für offensichtliche Rechtsverstöße
Kinderpornografie
Aufruf zu Gewalt gegen Personen
offensichtliche Personenverwechslungen
Vorliegen eines rechtskräftigen Titels gegen den unmittelbaren Störer
Erledigung jeglichen Informationsinteresses durch Zeitablauf
Es gibt viele Gründe, die zu einem Löschungsanspruch führen können. Es muss sich dabei auch nicht immer um "offensichtliche" Verstöße handeln. Viele Anträge Anträge auf Entfernung von Informationen beziehen sich auf die Veröffentlichung von vertraulichen und personenbezogenen Daten gegen den Willen der Betroffenen. Ebenso können falsche oder ungenaue Informationen Gegenstand eines Antrages sein oder strafbare Handlungen (Verleumdungen, üble Nachreden).
Google nennt wichtige Fallgruppen wie "z. B. Sozialversicherungs- oder Ausweisnummer, Konto- oder Kreditkartennummer oder ein Bild meiner handschriftlichen Unterschrift, ein Nacktbild oder -video bzw. sexuell explizite Bilder oder Videos von mir, die ohne mein Einverständnis veröffentlicht wurden."
Wann müssen die Daten gelöscht werden?
Die Daten müssen unverzüglich und ohne schuldhaftes Verzögern gelöscht werden (Art. 5 Absatz 1 DSGVO).
Früher ging die Rechtsprechung davon aus, dass Google erst tätig werden muss, wenn eine offensichtliche und auf den ersten Blick erkennbare Rechtsverletzung vorliegt. Diese Ansicht hat der Bundesgerichtshof aufgegeben. Diensteanbieter wie Google müssen nun aktiv an der Sachverhaltsklärung und Abwägung der widerstreitenden Interessen mitwirken, BGH vom 27.07. 2020 - VI ZR 476/18, NJW 2020, 344. Der EuGH muss nun klären, wodurch die Prüfpflicht ausgelöst wird und was sie genau umfasst.
Wie kann man sein Recht auf Löschung rechtlich durchsetzen?
Damit man überhaupt einen Löschungsanspruch geltend machen kann, müssen auch personenbezogene Daten gespeichert sein. Um herauszufinden, ob personenbezogene Daten über die eigene Person gespeichert sind, kann man von dem Verantwortliche gem. Art. 15 DSGVO Auskunft verlangen. Dieser Auskunftsanspruch erstreckt sich auch auf ein, möglicherweise bestehendes, Recht auf Löschung.
Zur Geltendmachung des Löschungsanspruchs kann die betroffene Person einen – grundsätzlich formfreien – Antrag an den Verantwortlichen stellen. Lehnt der Verantwortliche den Antrag mit Begründung ab, so muss er die betroffene Person auf die weiteren Durchsetzungsmöglichkeiten seines Löschungsanspruchs hinweisen.
Welche Möglichkeiten habe ich, das Recht auf Löschung durchzusetzen?
Der Betroffene kann sich mit einer Beschwerde an eine Aufsichtsbehörde wenden, welche den Löschungsanspruch für den Betroffenen durchsetzt und eine Löschung gegenüber dem Verantwortlichen anordnen kann. Er kann sich auch direkt an die Stelle wenden, die seine Daten verarbeitet (Beispiel: Google, wenn es um namensbasierte Suchergebnisse geht).
Neben einer Beschwerde kann der Betroffene zudem auch gerichtlich gegen die Ablehnung der Löschung vorgehen. Welches Gericht für eine Klage zuständig ist, hängt vom jeweiligen Anspruchsgegner und dem rechtlichen Kontext ab, sodass sowohl die Zivilgerichte oder Arbeitsgerichte bzw. Verwaltungsgerichte in Betracht kommen.
Entsteht der betroffenen Person aufgrund der Nichtlöschung ein Schaden, so kann sie auch einen Schadensersatzanspruch geltend machen.
Rechtsprechung zu Artikel 17 DSGVO Recht auf Löschung / Recht auf Vergessenwerden
Zu der Thematik Recht auf Löschung / Recht auf Vergessenwerden gibt es einige Urteile, Entscheidungen und Beschlüsse deutscher sowie europäischer Gerichte, die wir nachfolgend anführen und der Vertiefung dienen.
Bewertung von Mitarbeitern unter Angabe des Namens auf Bewertungsportal, LG Essen 4. Zivilkammer - 4 O 9/20.
Veröffentlichung von identifizierenden Angaben eines Straftäters auf einer lnternetseite unzulässig, OLG Köln 15 U 142/20; LG Köln 28 0 388/19, Beschluss vom 12.10.2020 (Verfahren geführt durch unsere Kanzlei - LG Köln - Berufung durch Beklagte - Rücknahme der Berufung nach Beschluss)
Berichterstattung über lange zurückliegende Fehltritte öffentlich bekannter Personen, BVerfG 1 BVR 1240/14, Beschluss vom 23.Juni 2020.
Auslistung von Suchergebnissen gegen Google wegen Namensnennung und Vorschaubildern (Thumbnails) Verfahren VI ZR 405/18 sowie VI ZR 476/18 BGH, Urteil vom 27.Juli 2020
identifizierende, tatsachenbasierte kritische Berichterstattung über Ehepaar - Auslistung von Suchtreffern bei Google - Vorlagebeschluss zum EuGH: Aufklärungspflicht durch Google und nicht nur mittelbare Störerhaftung? BGH v. 27.7.2020 - VI ZR 476/18, NJW 2020,344.
Online-Pressearchiv - keine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch im Internet auffindbaren alten Pressebericht, BVerfG 1 1282/17 - Beschluss v. 25.02.2020
Erschweren der Auffindbarkeit von Onlineartikel bei Namenseingabe in Suchmaschine - Einzelfallprüfung - Zumutbarkeit - Recht auf Vergessenwerden bei Online-Archiven - Recht auf Vergessen I und II - Beschluss vom 06.11.2019 1 BvR 16/13 sowie 1 BvR 276/17
Aus Artikel 17 Abs. 1 DS-GVO folgt ein Anspruch auf Unterlassung der Verarbeitung personenbezogener Daten für die Zukunft, LG Frankfurt, Urteil vom 28.06.2019, Az. 2-03 O 315/17
Suchmaschinenbetreiber müssen Links zu Seiten mit sensiblen Daten systematisch löschen - EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts vom 10.01.2019 - C - 136/17
Haftung von Google, Umfang Prüfungspflicht, offensichtlicher Rechtsverstoß - OLG Dresden, Beschluss vom 07.01.2019, Az.: 4 W 1149/18
Recht auf Vergessenwerden, Interessenabwägung, Unterlassungsansprüche - Löschungsansprüche nach DSGVO - OLG Frankfurt, Urteil v. 06.09.2018 - 16 U 193/17
Auffindbarkeit beruflicher Informationen - Recht auf Vergessen - OLG Köln, Urteil vom 31.05.2016 - 15 U 197/15
Haftung des Suchmaschinenbetreibers für Verlinkungen auf andere Internetseiten - OLG Hamburg, Urteil vom 10.07.2018 - 7 U 125/14
Zulässigkeit von Eurodac-Anfragen - VG Köln, Beschluss vom 07.12.2017 - 5 L 4378/17.A -, juris; entgegen: VG Wiesbaden, Beschluss vom 21.09.2017 - 6 L 3805/17.WI.A - InfAuslR 2017, 474 = ZAR 2018, 30
Datenübermittlung an Krankenkassen, Frist für Löschung von Abrechnungsdaten - BSG, Urteil vom 27.06.2018
Kein Recht auf Einschränkung der Datenverarbeitung aus Art. 18 DSGVO - VG Stade, Beschluss vom 09.10.2018
Entfernung von Suchergebnissen wegen angeblich rechtsverletzender Inhalte - LG Frankfurt, Beschluss vom 14.12.2018, Az.: 2-03 O 464/18
Entfernung Suchergebnisse, OLG Köln, Urteil vom 19.10.2017, Az. 15 U 33/17
Unterlassungs- bzw. Löschanspruch (Berufung), Urteil vom 26.10.2017, OLG Frankfurt, Az. 2-03 O 190/16
Berufliche Tätigkeit Recht auf Vergessenwerden, OLG Köln, Urteil vom 31.05.2016, Az. 15 U 197/15
Gesellschaftsregister - Recht auf Vergessenwerden, EuGH-Urteil vom 09.03.2017, Az. RS C 398/15
Recht auf Vergessenwerden – Bild, LG Frankfurt, Urteil vom 09.02.2017, Az. 2-03 S 16/16
Löschung sensibler Daten - EuGH, Urteil v. 24.09.2019, Az. RS C 136/17
Unionsweite Löschung von Daten - EuGH, Urteil v. 24.09.2019, Az. RS C 507/17
Identifizierende Berichterstattung im Online Archiv - BGH, Urteil v. 18.12.2018, Az. VI ZR 439/17
Recht auf Vergessenwerden – Sedlmayr - EGMR, Urteil v. 28.06.2018, Az. 60798/10 u. 65599/10)
Recht auf Vergessenwerden bei Bericht über Straftat - LG Frankfurt, Urteil v. 28.06.2019 – 2-03 O 315/17
Entfernung – Abmahnung in Personalakte - LAG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 23.11.2018, Az. 5 Sa 7/17
Recht auf Vergessenwerden – Restschuldbefreiung - LG Frankfurt, Urteil v. 20.12.2018, Az. 2-05 O 151/18
Löschungspflicht Suchmaschinenbetreiber - OLG München, Beschluss v. 07.06.2017, Az. 18 W 826/17
Vorhalten identifizierbarer Berichte - OLG Celle, Urteil v. 01.06.2017, Az. 13 U 178/16
Umfang Prüfungspflicht Suchmaschinenbetreiber - BGH, Urteil v. 27.02.2018, Az. VI ZR 30/17
Ärztebewertung III - BGH, Urteil v. 20.02.2018, Az. VI ZR 30/17
Löschungsanspruch bei Negativ-Bewertung - LG Frankfurt, Urteil v. 13.09.2018, Az. 2-03 O 123/17
Wiederveröffentlichung gelöschter Bewertungen - LG München I, Urteil v. 16.04.2019, Az. 33 I 6880/18
Wiederherstellung gelöschter Posts - OLG Oldenburg, Urteil v. 01.07.2019, Az. 13 W 16/19
Unterlassung einer Sperre und Entfernung Beiträge - LG Heidelberg, Urteil v. 28.08.2018, Az. 1 O 71/18
Sperrung eines Nutzerkontos bei Facebook - OLG München, Beschluss v. 12.12.2018, Az. 18 W 1873/18
Löschung einer Hassrede bei Facebook - OLG Dresden, Beschluss v. 08.08.2018, Az. 4 W 577/18
Löschung einer Hassrede bei Facebook - OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25.06.2018, Az. 15 W 86/18
Löschung einer Hassrede - LG Stuttgart, Urteil v. 29.08.2019, Az. 11 O 291/18
Sperrung Nutzerkonto auf ZDF-Facebookseite - VG Mainz, Urteil v. 13.04.2018, Az. 4 K 762/17.MZ
Löschung Beitrag und Zugangssperre bei Facebook - OLG Stuttgart, Beschluss vom 06.09.2018, Az. 4 W 63/18
Grundrechtsbindung Löschentscheidungen - LG Bamberg, Urteil v. 18.10.2018, Az. 2 O 248/18
Entsperrung eines Accounts einer Partei - BVerfG, Beschluss v. 22.05.2019, Az. 1 BvQ 42/19
Streitwert bei Sperre einer Hassrede - OLG Frankfurt, Beschluss vom 07.09.2018, Az. 16 W 38/18
EuGH, Schlussanträge vom 04.6.2019, Az. RS C -18/18
Ansprechpartner
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