Coronamaßnahmen und Judenverfolgung
Der Spiegel berichtete Ende Dezember 2021 von einem Urteil, in dem einem Rechtspopulisten untersagt wurde, die Coronamaßnahmen der niederländischen Regierung mit der Judenverfolgung gleichzusetzen.
Leitsatz des Urteils war: Wer die Coronapolitik mit der Judenverfolgung vergleicht – was in keinerlei Verhältnis stehe -, der bagatellisiere das Schicksal der Millionen europäischen Juden implizit.
Angestrengt hatten die Klage u.a. jüdische Organisationen, die seit 1945 gegen Antisemitismus vorgehen. Also teilweise die Nachfahren derer, die Opfer des Holocaust waren.
Schwerpunkt eines Urteils, das Äußerungen verbietet, ist immer die Abwägung, ob sich der Äußernde noch auf die Meinungsfreiheit berufen kann oder ob die Grenzen derart deutlich überschritten sind, dass keine Meinung mehr vorliegt.
Auch in den Niederlanden läuft hier keine scharfe Grenzziehung und es kommt immer auf den Einzelfall an – immer auch unter dem Lichte der besonderen Bedeutung der Meinungsfreiheit.
Gerade aufgrund der besonderen Stellung der Meinungsfreiheit für die freiheitlich demokratische Grundordnung nach Art. 5 Abs.1 Grundgesetz (GG) darf mit Verboten jeglicher Äußerungen nicht leichtfertig umgegangen werden. Zum Schutze dieses hohen Gutes müssen auch geschichtsvergessende Meinungen oder abscheuliche Vergleiche geduldet und ausgehalten werden. Das kann im Einzelfall schwerfallen – dient aber gerade der Verhinderung der Zustände, die wir in Deutschland im Dritten Reich und in der DDR bereits erlebt haben.
Dennoch gibt es Grenzen, nämlich den Tatbestand des § 130 Abs.3 StGB, wenn es um die Billigung, Leugnung oder Verharmlosung des nationalsozialistischen Völkermordes geht.
Billigen, Leugnen oder Verharmlosen des Nationalsozialistischen Völkermordes
Die sog. Holocaust-Leugnung erfasst der Tatbestand des § 130 Abs.3 StGB als eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. § 6 Abs.1 des Völkerstrafgesetzbuches (VStGB) regelt den Völkermord durch verschiedene Tatbestandsvarianten, zu denen auch der sog. Holocaust zählt. Hier geht es nicht exklusiv um den Holocaust – aber dieser ist als Völkermord i.S.d. des VStGB zu verstehen.
§ 130 Abs.4 StGB erfasst zudem die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft, die die Opfer in ihrer Menschenwürde verletzt.
Tragen des Judenstern mit der Aufschrift umgeimpft
Eine weitere Straftat kann begehen, wer den Judenstern mit der Aufschrift „ungeimpft“ öffentlich trägt. Das kann als Volksverhetzung strafbar sein. Der Vergleich der Corona-Schutzmaßnahmen und Impfungen mit den Massenmord an Jüdinnen und Juden verharmlost die Greueltaten im Nationalsozialismus.
Holocaust – der Begriff stammt aus dem altgriechischen und heißt „vollständig verbrannt“.
Genutzt wird der Begriff fast ausschließlich für den nationalsozialistischen Völkermord an 5,6 – 6,3 Millionen europäischen Juden. Dieser hat in der Zeit von 1941 bis 1945 teilweise industriell und systematisch durch sog. Konzentrationslager und Gaskammern stattgefunden. Ausgeführt von Deutschen und den Helfern des NS-Regimes. Dieses Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist auf die rassische-antisemitische Ideologie in der NS-Zeit zurückzuführen, die Juden als minderwertige Menschen 2ter Klasse und als nicht lebenswürdig angesehen hat. Ziel dieser Tötungsmaschinerie war die Ausrottung aller europäischen Juden.
In stetiger und gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) ist der Holocaust eine sog. offenkundige Tatsache als geschichtlicher Fakt (Grundsatzentscheidung BGH, Urteil vom 15. März 1994 – 1 StR 179/93 –, BGHSt 40, 97-106). Das heißt, sie ist jedem bekannt und muss nicht bewiesen werden. Ganz besonders dann nicht, wenn ein Angeklagter in einem Prozess wegen Leugnung eben jenes Holocausts beantragt, ihm müsse das Gegenteil bewiesen werden. Derartige Anträge sind im Rahmen der Verteidigung nicht unüblich, daher auch die klare Sprache des BGH.
Billigen, Leugnen, Verharmlosen – wann liegt ein Holocaust-Vergleich vor?
Eingeführt wurde der Tatbestand im Jahre 1960 zur wirksamen Bekämpfung rechtsextremer Propaganda. Das bedeutet, unter Strafe gestellt war die Behauptung, es gäbe eine sog. Ausschwitz-Lüge oder anderweitige Billigung von Völkermorden primär auf öffentlichen Versammlungen.
Aktuell müssen sich allerdings Anspielungen wie „Impfen macht frei“ oder andere historisch fragwürdige Vergleiche an den Voraussetzungen der Tatbestände messen lassen, die nicht per se aus dem rechten Spektrum stammen – sondern auch von verzweifelten Teilen der Bevölkerung stammen können, die sich durch plakative und krasse Vergleiche Aufmerksamkeit erhoffen. Es wird hier bewusst mit einer roten Linie gespielt.
Ob diese Aussagen bereits eine Verharmlosung des Holocaust zum Gegenstand haben, ist im Rahmen einer Auslegung zu prüfen. Entscheidend ist, wie ein objektiver Durchschnitts-Empfänger diese Aussage verstehen würde. Billigen oder Leugnen liegt hier regelmäßig nicht als Tathandlung vor – jedoch aber unter Umständen ein Verharmlosen.
Rechtskräftige Entscheidungen der Strafgerichte zu Corona-Holocaust-Vergleichen gibt es noch nicht, ein Verharmlosen liegt aber immer dann vor, wenn der Holocaust dadurch heruntergespielt wird, dass er bagatellisiert oder in seinem Unwertgehalt relativiert wird. Das wird immer dann bejaht werden können, wenn die Anzahl der Opfer quantitativ heruntergespielt wird oder mit Verbrechen anderer Staaten ins Verhältnis gesetzt wird.
Letzteres ist gerade der Ansatzpunkt, der für Corona-Vergleiche hilfreich sein mag:
Die Verharmlosung liegt darin, dass man zwei Vorgänge miteinander vergleicht, die nicht vergleichbar sind: