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Strafbare Aufnahmen
§ 201a StGB – Vorsicht beim Fotoschießen

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Diese Strafnorm sollten alle kennen, die regelmäßig auf den Auslöser einer Profikamera oder auch nur den einer Smartphone-Kamera-App drücken. § 201a StGB legt fest, wann schon das bloße Aufnehmen eines Fotos strafbar ist – also im schlimmsten Fall sogar mit Gefängnis bestraft wird. Hier erfahren Sie, was Sie beim Fotografieren oder Filmen niemals machen sollten.

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Tobias Röttger, LL.M. Medienrecht

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„Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen“ – so der sperrige Begriff für eine simple Grundaussage: Es gibt bestimmte Situationen im Leben, die sind so privat und intim, dass niemand sie fotografieren darf. § 201a StGB zieht hier eine Grenze bei deren Überschreiten Gefängnis droht.

Was geschützt ist

Rechtlich ausgedrückt ist der Zweck des § 201a StGB die Bestimmungsbefugnis der Person über Informationen ihres höchstpersönlichen Lebensbereichs zu erhalten.Dies ist ein Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung in Bezug auf Bildaufnahmen.

Infobox: Was ist der „höchstpersönliche Lebensbereich“?

Nicht zu verwechseln ist der Begriff des höchstpersönlichen Lebensbereichs mit dem, in den §§ 68 a StPO, 171 b GVG und 203 StGB genannten, Begriff des persönlichen Lebensbereichs und der Privatsphäre. Der höchstpersönliche Lebensbereich ist enger gefasst und soll sich an der Intimsphäre orientieren. Diese umfasst nach allgemeiner Definition der Rechtsprechung die innere Gedanken- und Gefühlswelt mit ihren äußeren Erscheinungsformen sowie die Angelegenheiten, für die ein Anspruch auf Geheimhaltung besteht, wie etwa Gesundheitszustand, Einzelheiten über das Sexualleben und Nacktaufnahmen.

Welche Aufnahmen verbietet § 201a StGB?
Für wen gilt was beim Veröffentlichen?

Die Absätze 1 bis 3 der Norm regeln, wann eine Strafbarkeit im Sinne des § 201a StGB gegeben ist. Darin beschreibt der Gesetzgeber verschiedene Situationen, die bestraft werden sollen.

Gut zu wissen: Tatgegenstand ist jeweils eine Bildaufnahme einer anderen, lebenden Person, worunter insbesondere (analoge wie digitale) Fotos und Videos fallen. Eine dauerhafte Verkörperung ist nicht erforderlich, d.h., dass auch Live-Übertragungen (sog. Live-Streams) erfasst werden.

Bsp.: Heimliche Filmaufnahmen mittels eines "Spionageweckers" (BVerwG NVwZ-RR 2017, 619)

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Situation 1: Aufgenommen im Rückzugsort

In § 201a Abs. 1 Nr. 1  StGB geht es um Aufnahmen in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschütztem Raum. Wer hier ohne Erlaubnis fotografiert, filmt oder eine Aufnahme aus einem solchen Raum überträgt, kann sich strafbar machen. Entscheidend ist, ob dadurch der „höchstpersönliche Lebensbereich“ der abgebildeten Person verletzt wird.

Herstellen bedeutet das Anfertigen eines gegenständlichen Bildnisses. Erfasst sind alle Handlungen, die zur unmittelbaren Vorbereitung, Durchführung und gegenständlichen Sicherung des Bildnisses erforderlich sind. Ein bloßes Beobachten – etwa durch das Kameraobjektiv – ist jedoch nicht ausreichend.

Übertragen erfasst alle Echtzeitübertragungen mittels Webcams oder Spycams, bei denen es an einer dauerhaften Speicherung der Bilder fehlt.

Der räumliche Schutzbereich umfasst eine Wohnung sowie einen gegen Einblick besonders geschützten Raum. Der Wohnungsbegriff umfasst die eigene als auch die fremde Wohnung, sowie auch Gäste- und Hotelzimmer. Nicht geschützt sind hingegen die einer beschränkten Öffentlichkeit zugänglichen Dienst- und Geschäftsräume.

Das sind z. B. Toiletten, Umkleidekabinen, Beichtstühle, ärztliche Behandlungszimmer (vgl. Gesetzesentwurf BT-Dr. 15/2466). Bsp.: Die Anfertigung von MRT-Aufnahmen von Teilen des Körpers kann zwar durchaus das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Patienten berühren, stellt sich jedoch, soweit diese medizinisch indiziert waren, als von der erteilten Einwilligung umfasst und damit nicht rechtswidrig dar (KG NJW 2018, 798)

Während sich das Opfer in diesem Raum befinden muss, ist es egal, wo der Täter sich aufhält. Der Täter muss selbst also keinen Sichtschutz überwinden.

Beispiel: Drohnenüberflug Das AG Riesa (MMR 2019, 548) hat entschieden, dass auch der Überflug eines fremden Grundstücks mit einer Flugdrohne den Tatbestand des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllen kann. Das Gericht wertete einen durch eine 2,50 m – 3,00 m hohe und dichte Hecken als einen gegen besondere Einblicke geschützten Raum.

Situation 2: Im Bild verewigte Hilflosigkeit

§ 201a Abs. 1 Nr. 2  StGB bestraft es, wenn eine Aufnahme die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt. Wie oben sind sowohl das unbefugte Herstellen als auch das Übertragen einer Bildaufnahme strafbar. Auch hier muss der höchstpersönliche Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt sein.

Das Problem: Wann von Hilflosigkeit zu sprechen ist, wird im Gesetz nicht gesagt. Hinweise liefert hier nur der Gesetzesentwurf. Dieser nennt als Beispiel die Hilflosigkeit bei einer betrunkenen Person auf dem Heimweg oder dem Opfer einer Gewalttat, die verletzt und blutend auf dem Boden liegt.

Bsp.: Vier Jugendliche filmten den sexuellen Missbrauch an einer, durch übermäßigen Alkoholkonsum,  widerstandsunfähigen Jugendlichen (BGH NStZ 2018, 209). Nicht nur der Missbrauch, sondern auch das Filmen war hier ganz eigenständig strafbar.

Situation 3: Der Vertrauensbruch - Intime Bilder weitergeben

§ 201a Abs. 1 Nr. 4  StGB ist ein wenig komplizierter. Im Blick stehen hier Bilder der Situationen 1 und 2, die allerdings befugt – also mit Einverständnis der betroffenen Person – angefertigt wurden. Bestraft wird hier, wer solche Bilder ganz bewusst ohne die nötige Erlaubnis weitergibt. Dabei reicht es, dass die Bilder einer dritten Person zugänglich gemacht werden.

Zweck dieser Strafbarkeit ist es, einen nachträglichen Vertrauensbruch zu bestrafen.

Anwendung findet diese Vorschrift vor allem, wenn zuvor Bildaufnahmen mit Einwilligung der abgebildeten Person angefertigt wurden und diese später gegen den Willen absichtlich veröffentlicht werden.

Beispiel: Veröffentlichung von Nackt- und Intimfotos des Ex-Partners im Internet aus Rache wegen Beendigung einer Liebesbeziehung (LG Kiel NJW 2007, 1002)

Gut zu wissen: Die Nr. 1, 2 und 4 des Absatzes 1 setzen jeweils voraus, dass durch die Tat der höchstpersönliche Lebensbereich der betroffenen Person verletzt wird. Wann eine solche Verletzung vorliegt, muss in jedem Einzelfall geprüft werden.

Situation 4: Archivieren und Verbreiten

Nach § 201a Abs. 1 Nr. 3  StGB macht sich strafbar, wer unbefugt hergestellte Bildaufnahmen der Situationen 1 und 2 gebraucht oder zugänglich macht.

Jede private oder fremde Nutzung stellt ein Gebrauchen dar. Zu den gängigsten Handlungen zählen das Speichern, Kopieren und Archivieren der Bildaufnahmen.

Ein Zugänglichmachen liegt vor, wenn der Zugriff durch Dritte auf die Bildaufnahmen ermöglicht wird. Dies kann durch das Übergeben der Aufnahmen oder auch durch das Bereitstellen auf einer Webseite oder Filehosting-Dienstes geschehen.

Beispiel: von außen in das Hotelzimmer hinein heimlich angefertigte Fotoaufnahmen, die eine Person in einem Hotelzimmer zeigen und einem Fernsehmoderator zur Veröffentlichung (über einen Dropbox-Ordner) angeboten wurden (AG Baden-Baden, Az.: 5 Bs 2/15).

Situation 5: Verbreiten peinlicher Aufnahmen

Gemäß § 201a Abs. 2 StGB wird auch das unbefugte Zugänglichmachen von Bildaufnahmen bestraft, die dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich schaden.

Von ansehensschädigenden Bildaufnahmen ist dann die Rede, wenn es sich um solche Aufnahmen handelt, die die abgebildete Person in einer peinlichen, ihre Würde verletzenden Situation oder in einem Zustand zeigen. Hier geht das Gesetz davon aus, dass üblicherweise ein Interesse daran besteht, dass diese Aufnahmen anderen nicht zugänglich gemacht werden. 

Beispiel: Hierzu sollen v.a. solche Bilder und Videos zählen, die mit dem Smartphone hergestellt worden sind und über die Sozialen Medien verbreitet werden und entwürdigende, bloßstellende oder gewalttätige Szenen zeigen (insbesondere Cyber-Mobbing aber auch Paparazzi-Fotos).

Die Ausnahme

Es gibt Situation, in denen das Gesetz eine Ausnahme von diesen strengen Regeln macht. Immer, wenn der Täter an sich sozialadäquat handelt – also nach allgemeiner Ansicht nichts Verwerfliches tut – soll es keine Strafe geben. Das Stichwort ist hier „berechtigte Interessen“. Wann ein solches vorliegt, entscheidet sich von Fall zu Fall durch eine Abwägung. Klassische Beispiele sind Kunst oder Wissenschaft, Forschung oder Lehre oder Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens. Überwiegt hier das berechtigte Interesse scheidet eine Strafbarkeit gemäß § 201a Abs.4 StGB aus.

Infobox: So ist die Norm entstanden

Seit dem 30. Juli 2004 ist § 201a StGB, nach einem gemeinsamen, fraktionsübergreifenden Gesetzesentwurf, zum Schutze des höchstpersönlichen Lebens- und Geheimbereichs gegen unbefugte Bildaufnahmen, in das Strafgesetzbuch eingefügt worden. Im Jahr 2015 wurde dieser aufgrund einer Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht neu gefasst, wodurch der Schutz des Rechts am eigenen Bild vor Verletzungen des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen erweitert worden ist. Hintergrund dieser Erweiterung war es u.a. der ungehemmten anonymen Verbreitung und der ständigen Verfügbarkeit von entwürdigenden, bloßstellenden, gewalttätigen oder eine Person in hilfloser Lage zur Schau stellenden Bildaufnahmen – was sich insbesondere im Phänomen des Cybermobbings widerspiegelt – entgegenzuwirken.

Was sollte ich als Opfer einer solchen Tat beachten?

Wer Opfer einer solchen Tat geworden ist, sollte nicht davor zurückschrecken, Strafantrag zu stellen. Bei § 201a StGB handelt es sich nämlich um ein sog. Antragsdelikt. Das bedeutet, dass die Tat grundsätzlich nur auf Antrag des Geschädigten verfolgt wird. Ein Einschreiten von Amts wegen erfolgt nur, wenn ein besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung besteht. Es besteht auch die Möglichkeit der Privatklage in den Fällen des § 201a Abs. 1 und 2 StGB. Alles in Allem handelt es sich bei einer Tat nach § 201a StGB also um kein „Kavaliersdelikt“.

Man kann die abgebildete Person auf den Aufnahmen nicht erkennen.
Ist eine Strafbarkeit gem. § 201a StGB dennoch gegeben?

Wie der BGH (NStZ-RR 2019, 143) entschieden hat, sind von § 201a StGB nur solche Bildaufnahmen erfasst, auf denen erkennbar eine Person abgebildet ist. Ermöglicht die Bildqualität schon nicht die Feststellung, dass es sich um die Abbildung einer Person bzw. Teile derselben handelt, ist der Anwendungsbereich des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht eröffnet. Allerdings sollte man dies nicht als eine Art Freifahrtsschein erachten. Letztlich bleibt es durch die Gerichte zu klären, ab wann ein Bild derart verschwommen ist, dass eine Erkennbarkeit nicht mehr gegeben ist.

Video: Das können Sie als Opfer tun

Heimlich gefilmt worden? Wie Sie sich wehren können, erfahren Sie hier im Video.

YouTube Video: Heimlich gefilmt worden❓ Was soll man tun❓ Anleitung vom Rechtsanwalt
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