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Leserbriefe
Was gibt es rechtlich zu beachten?

Veröffentlicht am

Leserbriefe erfreuen sich auch im digitalen Zeitalter großer Beliebtheit. Der folgende Beitrag gibt Antworten auf die Fragen, welche Rechte und Pflichten die Einsender der Lesebriefe haben und was Verlage und Journalisten rechtlich beachten müssen .

gulden röttger rechtsanwälte

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Karsten Gulden, LL.M. Medienrecht

Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht &
Gesellschafter von gulden röttger rechtsanwälte

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Was ist ein Leserbrief?

Der sogenannte Leserbrief ist eine schriftliche Meinungsäußerung einer Person an einen (Zeitungs-) Verlag zu einem bestimmten Beitrag und Thema. Die FAZ nennt sie auch "Briefe an den Herausgeber". 

Der Verfasser des Leserbriefs reagiert mit dem Leserbrief meist auf einen zuvor in der Zeitung veröffentlichen journalistischen Beitrag und stellt seine/ihre Sicht der Dinge dar. 
Der Leser der Zeitung adressiert den Leserbrief an die entsprechende Redaktion (klassischer Brief, Fax oder E-Mail). Diese publiziert (ggf. gekürzt) den Leserbrief zeitnah in der dafür vorgesehenen Rubrik unter Namensnennung des Verfassers. Ein Recht auf Veröffentlichung steht dem Verfasser jedoch nicht zu. So stellt sich in etwa der klassische Ablauf eines Leserbriefes dar. 

Verlage als auch die Einsender von Leserbriefen haften für die Inhalte der Leserbreife. In rechtlicher Hinsicht sind dabei vor allem die Bereiche des Urheberrechts, des Persönlichkeitsrechts und auch des Strafrechts von Relevanz. 

Haftung der Verlage für Inhalt der Leserbriefe

Verlage haften grundsätzlich für die Inhalte der Leserbriefe. Die Haftung ist allerdings herabgesetzt, da die Verlage die Inhalte der Leserbriefe nicht selbst aufstellen, sondern nur verbreiten (Verbreiterhaftung). Das hat in der Praxis zur Folge, dass die Verlage in der Regel nicht auf Unterlassung haften, da Leserbriefe erfahrungsgemäß nicht mehrmals veröffentlicht werden. Eine Gegendarstellung hingegen ist denkbar. 

Distanzierung vom Inhalt der Leserbriefe

Verlage sind gut beraten, sich vom Inhalt der Leserbriefe zu distanzieren. Das ist übliche Praxis und erfolgt meist mit folgenden oder sinngemäßen Hinweisen:

"Die Redaktion weist darauf hin, dass der Inhalt der Leserbriefe die Ansicht der Einsender wiedergibt, die mit der Meinung der Redaktion oder des Verlags nicht unbedingt übereinstimmt."

Der Hinweis zur Distanzierung hat zwar nur klarstellende Funktion, aber dann weiß auch jeder, dass die Zeilen in den Leserbreifen nicht vom Verlag selbst stammen.

Doch Vorsicht! Das entbindet die Verlage nicht von ihrer grundsätzlichen Haftung für die Inahlte der Leserbriefe! Auch bei Behauptungen in einem Leserbreif kann eine Gegendarstellung verlangt werden, OLG Hamburg AfP 1983, 345). Unterlassungsansprüche bestehen in der Regel nicht, da Leserbriefe grundsätzlich nur einmal veröffentlicht und keine Wiederholung droht. Es fehlt dann die sog. Wiederholungsgefahr, die vorliegen muss, um einen Unterlassungsanspruch zu begründen. Gelingt es dem Betroffenen jedoch ausnahmsweise, eine Wiederholungsgefahr nachzuweisen, kann der Verlag und/oder der Verfasser auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Tipp für die Praxis:

Verlage sollten daher die Inhalte der Leserbriefe auf offensichtliche Rechtsverletzungen prüfen (abstruse Unterstellungen, Beleidigungen, Schmähungen etc.). Beachtlich sind zunächst nur Tatsachenbehauptungen. Die Redaktionen müssen darauf achten, ob in den Leserbriefen Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden, die im Einzelfall zu schweren Rechtsverletzungen der Personen oder Unternehmen führen können, die in dem Leserbreif genannt werden, vgl. BGH NJW 1986, 2503.

Beleidigungen und andere strafbare Inhalte sollten gestrichen werden. Bei schwersten, abträglichen Vorwürfen sollten die Redaktionen mit dem Einsender Rücksprache halten.

Schmähkritik in einem Leserbrief

Meinungsäußerungen in Leserbriefen sind vom Grundgesetz geschützt. Jeder Mensch darf seine Meinung frei äußern, solange nicht die Rechte von anderen Menschen verletzt werden. Das ist der Fall, wenn die Äußerung der eigenen Meinung ausschließlich der persönlichen Kränkung, Herabsetzung und Anprangerung einer Person oder Unternehmens dient. Dem Leserbrieschreiber geht es nicht um die Sache an sich, sondern nur um die Diffamierung. 

Beispiel Fall vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG NJW 1993, 1462; vgl auch BVerfG NJW 2002, 1192)

Heinrich Böll sei ein 

..teils pathologischer, teils harmloser Knallkopf; …seine Werke seien häufig widerwärtiger Dreck…" 

Verlagen ist hier anzuraten, auf den Abdruck zu verzichten oder den Namen zu streichen/kürzen, wenn eine Identifizierbarkeit hiermit ausgeschlossen werden kann, was nicht immer der Fall sein wird.

Verdachtsäußerung in einem Leserbrief

Probleme kann es auch geben, wenn in einem Leserbreif ein Verdacht gegen eine bestimmte Person oder gegen ein Unternehmen geäußert wird. Meist geht es dann um den Vorwurf ehrenrührigen Verhaltens oder es wird gemutmaßt, dass eine Person sich strafbar gemacht habe. 

Auch hier ist Vorsicht geboten! Das gilt sowohl für den Verfasser des Leserbriefs als auch für den Verlag.

Geht es um Verdachtsäußerungen und deren Verbreitung sollte den Lesern klar sein, dass hier nur ein Verdacht geäußert wird und keine feststehende Tatsache, vgl. BGH AfP 2000, 167. Auch muss ein überragendes öffentliches Informationsinteresse vorliegen, wenn ein abträglicher Verdacht behauptet und verbreitet wird. Die Verlage sollten in diesen Fällen intern prüfen, ob der Name einer Person oder eines Unternehmes abgedruckt/publiziert werden.

Zudem empfehle ich, die Voraussetzungen der Verdachtsberichterstattung im Auge zu behalten, damit Rechtsverletzungen im Vorfeld verhindert werden.

 

Habe ich einen Anspruch auf Abdruck meines Leserbriefs?

Ein Rechtsanspruch auf Abdruck des Leserbriefs gibt es nicht. Die Redaktion kann eine Auswahl treffen. Begründet wird dies auch damit, dass sonst eine Vielzahl von Leserbriefen die redaktionelle Arbeit der Verlage behindern und die Tendenz einer Zeitung umkehren könnten. Zudem kann  in der Verlagspraxis auch aus Platzgründen nicht immer jeder Leserbrief publiziert werden.

Sind Kürzungen oder Änderungen von Leserbriefen ohne Einwilligung zulässig?

  • Änderungen oder Kürzungen eines Leserbriefs ohne Einverständnis des Verfassers sind grundsätzlich unzulässig. Denn sowohl das urheberrechtliche Änderungsverbot, als auch die Richtlinien des Pressekodex sehen grundsätzlich vor, dass ein Werk unverändert veröffentlicht werden muss.
  • Eine Ausnahme besteht, wenn sich die Redaktion das Recht der sinnwahrenden Kürzung vorbehalten und auf einen entsprechenden Vorbehalt in ihren Nutzungsbedingungen hingewiesen hat (Regelfall). 
  • Bei ausdrücklichem Verbot von Änderungen oder Kürzungen durch den Verfasser, muss sich die Redaktion-  trotz entsprechenden Vorbehaltes - an das Verbot halten oder alternativ auf den Abdruck verzichten.

Darf der Leserbrief ohne Einwilligung des Einsenders veröffentlicht werden?

Zuschriften können als Leserbriefe veröffentlicht werden, wenn aus Form und Inhalt erkennbar ist, dass der Einsender damit einverstanden ist. Dies ist bei Zuschriften an die Redaktion, die nicht als Leserbriefe gekennzeichnet sind oder eine bloße Kommunikation zwischen dem Einsender und der Redaktion darstellen, nicht der Fall. In Ausnahmefällen kann eine entsprechende Einwilligung unterstellt werden, etwa wenn sich die Zuschrift zu anderen Veröffentlichungen oder zu allgemein interessierenden Themen äußert.

Widerruf und Unterlassung Leserbriefschreiber

Auch der Verfasser des Leserbriefs haftet auf Unterlassung, wenn er unwahre Tatsachen in dem Leserbrief behauptet und hierdurch die Rechte von anderen Personen oder Unternehmen verletzt werden. Der Verfasser kann dann auch zum Widerruf verpflichtet sein. Dies setzt aber voraus, dass die behauptete Tatsache erwiesen unwahr ist. Die Beweislast für die Unwahrheit trägt derjenige, der den Widerruf verlangt, LG Franfort/Oder Urteil vom 24.11.2000, Az. 6 C 105/00).

Sind Leserbriefe urheberrechtlich geschützt?

Zunächst stellt sich die Frage, ob ein Leserbrief unter den Schutz des Urheberrechts fällt.  Das ist der Fall, wenn es sich um ein Werk im Sinne des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) handelt. § 1 UrhG besagt, dass…
 „Die Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst genießen für ihre Werke Schutz nach Maßgabe dieses Gesetzes.“. 

Fraglich ist also, ob ein Leserbrief Werkqualität im Sinne des Urheberrechts besitzt oder nicht. Möglicherweise könnte es sich um ein geschütztes Sprachwerk (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG) handeln. Dann müsste der Leserbrief jedoch eine persönlich geistige Schöpfung sein. Wann diese Voraussetzung vorliegt, ist oftmals nicht ganz einfach zu bestimmen. Rechtsprechung und Literatur verlangen, dass sich der Leserbrief von einfachen, alltäglichen Mitteilungen/ Zusendungen der Masse abhebt, „was auf einer originellen Art des gedanklichen Inhalts, der Sprachgestaltung oder auch der Auseinandersetzung mit einem wissenschaftlichen, kulturellen oder politischen Thema beruhen kann“ (Bock, GRUR 2001, 397 m.w.N.). Die Beurteilung, ob ein Leserbrief ein Werk ist und somit Urheberrechtsschutz genießt, ist letztlich am jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. Setzt sich der Verfasser des Leserbriefs mit dem Beitrag, auf den sich sein Leserbrief bezieht, insoweit auseinander, dass er bspw. Argumente sammelt, abwägt und schlussfolgert, kann dies auf eine persönliche geistige Schöpfung deuten.

Was sollten Verlage beachten, wenn sie Leserbriefe veröffentlichen?

Im ersten Schritt sollte geprüft werden, ob eine Einwilligung des Verfassers zur Veröffentlichung vorliegt. Viele Redaktionen weisen in ihren Nutzungsbedingungen auf die Formalitäten hin.
In der Regel können Redaktionen davon ausgehen, dass der Leserbriefschreiber seinen Leserbrief veröffentlicht (unverändert und ungekürzt) sehen will, wenn er diesen an die Redaktion schickt. Von einer Veröffentlichung sollte jedoch abgesehen werden, wenn der Verfasser dies ausdrücklich versagt oder es sich um eine reine Kommunikation zwischen dem Verfasser und der Redaktion handelt. Denn nur in seltenen Ausnahmefällen kann eine Veröffentlichung ohne Einwilligung des Verfassers durch die Pressefreiheit gerechtfertigt werden (vgl. hierzu LG Berlin NJW 1995, 881).
Weiterhin sollten die Verlage das Urheberrecht und das Persönlichkeitsrecht beachten, wenn sie Leserbriefe veröffentlichen. Insbesondere mit Blick auf Kürzungen/Änderungen sollte penibel darauf geachtet werden, die vorherige Zustimmung des Verfassers einzuholen. Ein Kürzungsvorbehalt erscheint nicht als das richtige Mittel. In der heutigen Zeit werden wohl die meisten Leserbriefe per E-Mail eingereicht, sodass hier die Möglichkeit der Einholung des Einverständnisses zur Kürzung erfolgen kann. Bspw. lässt sich das Einverständnis mittels einer automatisierten Antwortmail und der anschließenden Bestätigung über einen Link einholen. Im Zweifel sollten sich die Redaktionen die Zeit zur Nachfrage nehmen. Das gebietet der journalistische Mindeststandard.

Faustregel: Eine sinnwahrende Kürzung ist zulässig, wenn zumindest ein Kürzungsvorbahlt besteht und der Einsender einer Kürzung nicht ausdrücklich widersprochen hat.

Leserbriefe FAQ - häufig gestellte Fragen zu Leserbriefen

Nein, Verlage müssen grundsätzlich nicht überprüfen, ob der Einsender tatsächlich der Absender ist und mit einer Veröffentlichung einverstanden ist. Bestehen jedoch Zweifel an der Identität des Absenders, soll auf den Abdruck verzichtet werden.

Es entspricht einer allgemeinen Übung, dass der Abdruck mit dem Namen des Verfassers erfolgt. Nur in Ausnahmefällen kann auf Wunsch des Verfassers eine andere Zeichnung erfolgen. 

Richtlinie 2.6 – Leserbriefe Absatz 3 Pressekodex.

Grundsätzlich werden Adressangaben des Einsenders eines Leserbriefes nicht veröffentlicht.  Eine Ausnahme besteht jedoch für den Fall, dass die Veröffentlichung der Adresse der Wahrung berechtigter Interessen dient.

In der Regel werden Leserbreife nicht anonym veröffentlicht. ​​

Eine Ausnahme besteht bei der Übernahme von anderen Nutzerbeiträgen als Leserbrief. Diese können beibehalten werden, wenn sie bereits unter einem Pseudonym abgedruckt wurden.

Dann ist jedoch ein Hinweis auf die Quelle erforderlich.

Nein, die Veröffentlichung fingierter Leserbriefe ist mit der Aufgabe der Presse unvereinbar.

Auch Leserbriefe unterliegen dem Redaktionsgeheimnis, weshalb sie in keinem Fall an Dritte weitergegeben werden dürfen.

Spricht man dem Leserbrief die Werkqualität im Sinne des Urheberrechtsgesetzes zu, stehen dem Verfasser verschiedene Recht zu. Gemäß § 12 UrhG kann der Leserbriefschreiber darüber bestimmen, ob und wie sein Werk zu veröffentlichen ist. Mit Zusendung des Leserbriefs an die Redaktion des Zeitungsverlages räumt der Verfasser regelmäßig das Nutzungsrecht an seinem Werk ein (§ 31 UrhG). Bereits im Jahr 1954 stellt der BGH (NJW 1954, 1404) klar, dass nicht als Leserbrief gekennzeichnete oder nicht als solche erkennbare Zuschriften an Zeitungsredaktionen nicht als solche veröffentlicht werden dürfen.

Nein. Der Urheber des Leserbriefs hat kein Recht darauf, dass sein Leserbrief unverändert veröffentlicht wird. So ist es üblich, dass Zeitungen die eingesendeten Leserbriefe aus Platzgründen kürzen.

Ja. Der Einsender eines Leserbriefs ist durch seine Persönlichkeitsrechte geschützt, somit auch der Inhalt des Leserbriefes.

Im sogenannten „Leserbrief-Urteil“ stellte der BGH (NJW 1954, 1404) fest, dass jede sprachliche Festlegung Ausfluss der Persönlichkeit des Verfassers ist. Das hat zur Folge, dass für jede Veröffentlichung mit Namensnennung die Einwilligung des Verfassers erforderlich ist. Der Einsender erklärt sich hierzu jedoch meist durch Annahme der AGB der Verlage bereit.

 „Briefe oder sonstige private Aufzeichnungen dürfen in der Regel nicht ohne Zustimmung des noch lebenden Verfassers und nur in der vom Verfasser gebilligten Weise veröffentlicht werden. Das folgt aus dem in Art. 1 und 2 GG verankerten Schutz der Persönlichkeit und gilt daher auch dann, wenn die Aufzeichnungen nicht die individuelle Formprägung aufweisen, die für einen Urheberrechtsschutz erforderlich ist.“

 

Der Verlag muss bei der Veröffentlichung von Leserbriefen die journalistischen Sorgfaltspflichten, wie das Wahrheitsgebot, sowie das Strafrecht, das Urheberrecht und das Persönlichkeitsrecht beachten. Zudem muss er für Meinungsvielfalt sorgen und daher auch Meinungen zu Wort kommen lassen, die er nicht oder nicht vollumfänglich teilt.

Ja. In der Praxis werden die Leserbriefe regelmäßig mit den Namen des Einsenders abgedruckt. Wer das nicht möchte, muss darauf hinweisen oder die Zuschrift anonym einsenden.

Ja, denn als sprachliche Festlegung ist der Leserbrief ein Ausfluss der Persönlichkeit des Einsenders. Das hat zur Folge, dass für jede Veröffentlichung mit Namensnennung seine Einwilligung erforderlich ist. Diese kann er aber ebenso gut verweigern. Allerdings erfolgt in der Regel dann kein Abdruck durch die Verlage, denn bei bestehenden Zweifeln an der Identität des Absenders, soll auf den Abdruck verzichtet werden.

Ansprechpartner

Karsten Gulden

Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und zertifizierter Mediator

Karsten Gulden, LL.M. Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und zertifizierter Mediator

[email protected]
+49-6131-240950

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