Der sogenannte Leserbrief ist eine schriftliche Meinungsäußerung einer Person an einen (Zeitungs-) Verlag zu einem bestimmten Beitrag. Der Verfasser des Leserbriefs reagiert mit seinem Schreiben meist auf einen zuvor in der Zeitung veröffentlichen journalistischen Beitrag, indem er seine Meinung darstellt oder den beschrieben Sachverhalt ergänzt oder richtigstellt.
Der Leser der Zeitung schreibt einen – meist auch als solchen bezeichneten – Leserbrief an die entsprechende Redaktion (klassischer Brief, Fax oder E-Mail). Diese publiziert (ggf. gekürzt) den Leserbrief zeitnah in der dafür vorgesehenen Rubrik unter Nennung des Verfassers. Ein Recht auf Veröffentlichung steht dem Verfasser jedoch nicht zu. So stellt sich in etwa der klassische Ablauf eines Leserbriefes dar.
In rechtlicher Hinsicht interessant für den Leserbrief sind vor allem die Bereiche des Urheberrechts und Persönlichkeitsrechts. Hier stellen sich insbesondere Fragen in puncto der Urheberschaft und Veröffentlichung von Leserbriefen.
Habe ich einen Anspruch auf Abdruck meines Leserbriefs?
Ein Rechtsanspruch auf Abdruck des Leserbriefs gibt es nicht. Begründet wird dies auch damit, dass sonst eine Vielzahl von Leserbriefen die redaktionelle Arbeit der Verlage behindern und die Tendenz einer Zeitung umkehren könnten.
Darf der Leserbrief ohne Einwilligung des Einsenders veröffentlicht werden?
Zuschriften können als Leserbriefe veröffentlicht werden, wenn aus Form und Inhalt erkennbar ist, dass der Einsender damit einverstanden ist. Dies ist bei Zuschriften an die Redaktion, die nicht als Leserbriefe gekennzeichnet sind oder eine bloße Kommunikation zwischen dem Einsender und der Redaktion darstellen, nicht der Fall. In Ausnahmefällen kann eine entsprechende Einwilligung unterstellt werden, etwa wenn sich die Zuschrift zu anderen Veröffentlichungen oder zu allgemein interessierenden Themen äußert.
Verlage haften grundsätzlich für die Inhalte der Leserbriefe. Die Haftung ist allerdings herabgesetzt, da die Verlage die Inhalte der Leserbriefe nicht selbst aufstellen, sondern nur verbreiten. Das hat in der Praxis zur Folge, dass die Verlage in der Regel nicht auf Unterlassung haften, da Leserbriefe erfahrungsgemäß nicht mehrmals veröffentlicht werden. Eine Gegendarstellung hingegen ist denkbar.
Tipp für die Praxis:
Verlage sollten die Inhalte der Leserbriefe auf offensichtliche Rechtsverletzungen prüfen. Beleidigungen und andere strafbare Inhalte sollten gestrichen werden. Bei schwersten, abträglichen Vorwürfen sollten die Redaktionen mit dem Einsender Rücksprache halten.
Sind Leserbriefe urheberrechtlich geschützt?
Zunächst stellt sich die Frage, ob ein Leserbrief unter den Schutz des Urheberrechts fällt. Das ist der Fall, wenn es sich um ein Werk im Sinne des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) handelt. § 1 UrhG besagt, dass…
„Die Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst genießen für ihre Werke Schutz nach Maßgabe dieses Gesetzes.“.
Fraglich ist also, ob ein Leserbrief Werkqualität im Sinne des Urheberrechts besitzt oder nicht. Möglicherweise könnte es sich um ein geschütztes Sprachwerk (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG) handeln. Dann müsste der Leserbrief jedoch eine persönlich geistige Schöpfung sein. Wann diese Voraussetzung vorliegt, ist oftmals nicht ganz einfach zu bestimmen. Rechtsprechung und Literatur verlangen, dass sich der Leserbrief von einfachen, alltäglichen Mitteilungen/ Zusendungen der Masse abhebt, „was auf einer originellen Art des gedanklichen Inhalts, der Sprachgestaltung oder auch der Auseinandersetzung mit einem wissenschaftlichen, kulturellen oder politischen Thema beruhen kann“ (Bock, GRUR 2001, 397 m.w.N.). Die Beurteilung, ob ein Leserbrief ein Werk ist und somit Urheberrechtsschutz genießt, ist letztlich am jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. Setzt sich der Verfasser des Leserbriefs mit dem Beitrag, auf den sich sein Leserbrief bezieht, insoweit auseinander, dass er bspw. Argumente sammelt, abwägt und schlussfolgert, kann dies auf eine persönliche geistige Schöpfung deuten.
Was sollten Verlage beachten, wenn sie Leserbriefe veröffentlichen?
Im ersten Schritt sollte geprüft werden, ob eine Einwilligung des Verfassers zur Veröffentlichung vorliegt. Viele Redaktionen weisen in ihren Nutzungsbedingungen auf die Formalitäten hin.
In der Regel können Redaktionen davon ausgehen, dass der Leserbriefschreiber seinen Leserbrief veröffentlicht (unverändert und ungekürzt) sehen will, wenn er diesen an die Redaktion schickt. Von einer Veröffentlichung sollte jedoch abgesehen werden, wenn der Verfasser dies ausdrücklich versagt oder es sich um eine reine Kommunikation zwischen dem Verfasser und der Redaktion handelt. Denn nur in seltenen Ausnahmefällen kann eine Veröffentlichung ohne Einwilligung des Verfassers durch die Pressefreiheit gerechtfertigt werden (vgl. hierzu LG Berlin NJW 1995, 881).
Weiterhin sollten die Verlage das Urheberrecht und das Persönlichkeitsrecht beachten, wenn sie Leserbriefe veröffentlichen. Insbesondere mit Blick auf Kürzungen/Änderungen sollte penibel darauf geachtet werden, die vorherige Zustimmung des Verfassers einzuholen. Ein Kürzungsvorbehalt erscheint nicht als das richtige Mittel. In der heutigen Zeit werden wohl die meisten Leserbriefe per E-Mail eingereicht, sodass hier die Möglichkeit der Einholung des Einverständnisses zur Kürzung erfolgen kann. Bspw. lässt sich das Einverständnis mittels einer automatisierten Antwortmail und der anschließenden Bestätigung über einen Link einholen. Im Zweifel sollten sich die Redaktionen die Zeit zur Nachfrage nehmen. Das gebietet der journalistische Mindeststandard.
Faustregel: Eine sinnwahrende Kürzung ist zulässig, wenn zumindest ein Kürzungsvorbahlt besteht und der Einsender einer Kürzung nicht ausdrücklich widersprochen hat.