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Wahlkampfberichterstattung durch die Presse – Was ist rechtlich zu beachten?

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In diesem Jahr finden einige Wahlen statt, unter anderem die Europawahl am 09. Juni, Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen, Brandenburg sowie Kommunalwahlen in neun Bundesländern.  

Im Zuge dessen stellen sich einige presserechtliche Fragen, insbesondere in Bezug auf die Wahlkampfberichterstattung. Der folgende Artikel soll eine Übersicht zu den wesentlichen Problemschwerpunkten bieten.  

gulden röttger rechtsanwälte

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Karsten Gulden, LL.M. Medienrecht

Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht &
Gesellschafter von gulden röttger rechtsanwälte

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Presse und Parteien – verfassungsrechtliche Grundlagen

Sowohl die Presse als auch die politischen Parteien sind für unsere Demokratie von zentraler Bedeutung.  

Man bezeichnet Presse aufgrund ihrer demokratischen Bedeutung auch häufig als „Vierte Gewalt“. Die Pressefreiheit ist als spezielle Ausprägung der Meinungsfreiheit durch Art. 5 Abs. 1 GG im Grundgesetz geschützt. Pressefreiheit bildet die Grundlage für die demokratische Willensbildung und die pluralistische Meinungsvielfalt.  

Auch politische Parteien genießen grundrechtlichen Schutz. In Art. 21 GG ist festgeschrieben, dass sie bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. Ihre Aufgabe ist es, politische Interessen der Wähler zu repräsentieren, politische Lösungen zu erarbeiten und diese dann durchzusetzen. Sie üben Einfluss auf die Willensbildung der Wähler und nehmen am öffentlichen Diskurs teil.  

Gerade in Wahlkampfzeiten beteiligen sich beide Akteure am Meinungskampf und nehmen Einfluss auf die Bürgerinnen und Bürger.   

Neutralitätsgebot – was ist das?

Zunächst stellt sich die Frage, warum es überhaupt ein Neutralitätsgebot gegenüber politischen Parteien gibt. Dahinter steckt die die Idee von der Gleichheit politischer Parteien in dem Mehrparteiensystem. Verschiedene Parteien stehen im politischen Wettbewerb zueinander und unterscheiden sich in Größe, Etablierung sowie in ihren finanziellen Mitteln. Der Staat soll diese bestehenden Unterschiede nicht ausgleichen, sondern den bestehenden Wettbewerb nicht verfälschen und sich nicht lenkend einmischen. Daher richtet sich die Neutralitätspflicht primär an den Staat.  

Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk findet das Neutralitätsgebot Anwendung, da es sich um eine juristische Person des öffentlichen Rechts handelt. In dem § 26 Abs. 2 des Medienstaatsvertrages (früher Rundfunkstaatsvertrag genannt) steht: „Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind bei der Erfüllung ihres Auftrags der verfassungsmäßigen Ordnung und in besonderem Maße der Einhaltung journalistischer Standards, insbesondere zur Gewährleistung einer unabhängigen, sachlichen, wahrheitsgemäßen und umfassenden Information und Berichterstattung wie auch zur Achtung von Persönlichkeitsrechten verpflichtet. Ferner sollen sie die einem öffentlich-rechtlichen Profil entsprechenden Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit achten und in ihren Angeboten eine möglichst breite Themen- und Meinungsvielfalt ausgewogen darstellen.“ 

Ist die Presse zur Neutralität verpflichtet?

Die Presse ist, im Gegensatz zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk, nicht zur Neutralität gegenüber den Parteien verpflichtet. Im Pressekodex, einer Sammlung journalistisch-ethischer Grundsätze, die jedoch nicht den Charakter einer verbindlichen Vorschrift haben, steht zur Wahlkampfberichterstattung unter der Richtlinie 1.2. jedoch folgendes:  

Zur wahrhaftigen Unterrichtung der Öffentlichkeit gehört, dass die Presse in der Wahlkampfberichterstattung auch über Auffassungen berichtet, die sie selbst nicht teilt. 

Dem Grundsatz nach soll die Presse ausgewogen über verschiedene politische Meinungen berichten. Eine Pflicht dazu besteht allerdings nicht. Sie ist auch nicht dazu verpflichtet, die Parteien gleich zu behandeln. Sie muss allerdings Werbung vom redaktionellen Inhalt klar trennen. Dies gilt auch für Wahlwerbung.  

Hat die Presse einen Anspruch auf Zugang zu Parteitagen?

„Ey, du kommst hier net rein!“ – oder doch? 

Der Zugang der Presse zu Parteitagen stellt einen weiteren häufigen Streitpunkt dar.  

Erst im November 2023 kam es zwischen dem ARD-Politik-Magazins „Monitor“ sowie der AfD zum Streit. Die AfD Thüringen hat ausschließlich dem Journalistenteam der ARD den Zutritt zu ihrem Landesparteitag verweigert. Es folgte eine gerichtliche Auseinandersetzung.  

Grundsätzlich ist es für Parteien von großer Bedeutung ihre Politik in die Öffentlichkeit zu tragen.  Sie sind auf die Medien angewiesen.  Die Presse wiederum kann ihre Funktion als „public watchdog“ und als Vermittlerin zwischen Bürgern und Staat nur erfüllen, wenn ihr der Zugang zu den Parteitagen gewährt wird.  

Allerdings gibt es für die Presse keine gesetzliche Vorschrift, die den Anspruch auf Zugang zu Parteitagen klar und abschließend regelt.  

Das bedeutet allerdings nicht, dass die Presse einfach so ausgeschlossen werden darf.  

Gerichte wenden regelmäßig mehrere Vorschriften an, um einen Zugangsanspruch zu bejahen. So hat das Landgericht Erfurt im oben beschriebenen Fall den Anspruch auf Zugang aus §§ 826, 1004 BGB in Verbindung mit den beiden Grundrechten Art. 3 GG und Art. 5 GG hergeleitet.  

Da es sich bei den politischen Parteien um privatrechtliche Vereinigungen handelt, sind sie im Verhältnis zu Dritten, anders als der Staat, grundsätzlich nicht an Grundrechte gebunden. Das Rechtsverhältnis zwischen Parteien und Presse ist also ein zivilrechtliches, was die Vorschriften aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch verdeutlichen.  

Ob und unter welchen Voraussetzungen Pressevertreter nun Zugangsansprüche zu Parteitagen haben, bleibt weiterhin der Auslegung der Gerichte vorbehalten, was in der juristischen Literatur häufig kritisiert wird. Es wird unter anderem gefordert, dass das der Gesetzgeber das Parteiengesetz anpasst und Parteien dazu verpflichtet, Medien Zugang zu Parteitagen zu gewähren. 

Hat die Presse gegenüber Parteien einen Anspruch auf Auskunft?

Grundsätzlich ist in den jeweiligen landesrechtlichen Pressegesetzen ein Auskunftsanspruch enthalten. Das Presserecht fällt in die Gesetzgebungskompetenz der Länder gemäß Art. 30, 70 ff GG, so dass es in den einzelnen Bundesländern verschiedene Pressegesetze gibt. Diese entsprechen sich allerdings weitestgehend in ihrem Regelungsinhalt.  

So heißt es beispielsweise in dem rheinland-pfälzischen Pressegesetz, dem Landesmediengesetz (LMG), in § 12 a LMG: „Die Behörden sind verpflichtet, der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen.“  

Parteien sind allerdings privatrechtlich organisierte Institutionen und nicht „Behörden“ im Sinne dieser Vorschrift. Als solche sind sie also nicht wie öffentliche Institutionen zur Auskunft verpflichtet.  

Parteien sind also nicht verpflichtet mit der Presse zu kooperieren. Ihnen gegenüber besteht kein Auskunftsanspruch.  

Wahlwerbung: Darf die Presse Wahlwerbung betreiben?

Die Presse darf Wahlwerbung betreiben, muss sich allerdings an bestimmte Vorgaben halten. Insbesondere muss aus der Wahlwerbung klar hervorgehen, von wem sie stammt (Kennzeichnungspflicht). Es muss weiterhin angegeben werden, wer für die Werbung verantwortlich ist, und die Werbung muss sich deutlich von dem redaktionellen Teil abheben (sog. Trennungsgebot). Der Deutsche Presserat kann bei Kennzeichnungsmängeln die Verstöße rügen:  https://www.presserat.de/presse-nachrichten-details/r%C3%BCge-f%C3%BCr-mangelnde-kennzeichnung-von-wahlwerbung.html 

Wie oben bereits erwähnt, besteht für die Presse keine Pflicht zur Neutralität. Sie kann sich also aussuchen, welche Wahlwerbung gedruckt werden soll. So hat beispielsweise die BILD-Zeitung zum Wahlkampf 2013, mit der Begründung, die Werbung stünde im Widerspruch zu den Unternehmensgrundsätzen, keine Wahlwerbung der NPD sowie der Partei „Die Linke“ abgedruckt.  

Was ist bei der Veröffentlichung von Umfrageergebnissen zu beachten?

Bei der Veröffentlichung von Umfrageergebnissen enthält das Bundeswahlgesetz in § 32 folgende Vorgaben:  

(1) Während der Wahlzeit sind in und an dem Gebäude, in dem sich der Wahlraum befindet, sowie unmittelbar vor dem Zugang zu dem Gebäude jede Beeinflussung der Wähler durch Wort, Ton, Schrift oder Bild sowie jede Unterschriftensammlung verboten.  

(2) Die Veröffentlichung von Ergebnissen von Wählerbefragungen nach der Stimmabgabe über den Inhalt der Wahlentscheidung ist vor Ablauf der Wahlzeit unzulässig. 

Im Pressekodex finden sich ebenfalls Sorgfaltsbestimmungen zu der Veröffentlichung von Umfrageergebnissen:  

Richtlinie 2.1 – Umfrageergebnisse 

Bei der Veröffentlichung von Umfrageergebnissen teilt die Presse die Zahl der Befragten, den Zeitpunkt der Befragung, den Auftraggeber sowie die Fragestellung mit. Zugleich muss mitgeteilt werden, ob die Ergebnisse repräsentativ sind. 

Sofern es keinen Auftraggeber gibt, soll vermerkt werden, dass die Umfragedaten auf die eigene Initiative des Meinungsbefragungsinstituts zurückgehen. 

Was können Betroffene tun, wenn ihre Recht durch Wahlkampfberichterstattung verletzt werden?

Werden die Rechte der Parteien durch die Wahlkampfberichterstattung verletzt, weil zum Beispiel eine unzulässige Diffamierung stattgefunden hat oder weil falsche Tatsachen behauptet wurden, so stehen den Betroffenen einige Abwehrrechte zur Verfügung.  

Als mögliche Anspruchsgrundlagen kommen in Betracht:  

  • Unterlassung 

  • Gegendarstellung 

  • Berichtigung, insbes. Widerruf und Richtigstellung 

  • Auskunft  

  • (Materieller) Schadenersatz 

  • (Immaterieller) Schadenersatz / Geldentschädigung 

  • Erstattung von Anwaltskosten 

Diese Ansprüche haben unterschiedliche Voraussetzungen und es hängt vom Einzelfall ab, welche der Anspruchsgrundlagen greift.  

Aktuelle Entwicklungen und Bestrebungen einiger politischer Parteien

Die Mehrheit der politischen Parteien ist an einem fairen Wahlkampf interessiert. So haben sich einige politische Parteien auf einen Verhaltenskodex geeinigt. Dieser besteht aus folgenden fünf Punkten:   

»Wir bekämpfen Extremismus« 

»Wir fördern eine respektvolle Demonstrationskultur« 

»Wir setzen auf sachliche Diskussion« 

»Wir sagen Desinformation und Falschinformationen den Kampf an« 

»Wir werben für das Engagement in demokratischen Parteien« 

Bei den Parteien handelt es sich um die CDU und CSU, die SPD, die Grünen, die FDP und die Linken. Diese haben gemeinsam den Kodex erarbeitet. Mit der AfD wurde jede Zusammenarbeit ausgeschlossen. 

Auch hier gilt: Aus dem Verhaltenskodex lassen sich keine rechtlichen Ansprüche ableiten. 

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Karsten Gulden, LL.M. Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und zertifizierter Mediator

Karsten Gulden ist Rechtsanwalt & Mediator; Mitgründer und Gesellschafter der Kanzlei gulden röttger rechtsanwälte, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht seit 2009, Wahlfachprüfer beim Justizministerium Mainz/Rheinland-Pfalz und Mitglied im NetzDG-Prüfausschuss der FSM.
Zudem ist er ein Familienmensch, der das Klettern, die Berge & das Campen liebt. Die meiste freie Zeit verbringt er mit der Familie & den Pferden in freier Natur.

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