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Dürfen Minderjährige in Presse und Medien als „Täter:innen“ bezeichnet werden?

Veröffentlicht am

Zwei 12- und 13-jährige Mädchen haben Anfang des Jahres ein zwölfjähriges Mädchen aus Freudenberg erstochen. Dürfen diese schuldunfähigen Kinder von Presse und Medien als „Täter:innen“ bezeichnet werden?

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Bezeichnung als Täter oder Täterin - was sagt der Pressekodex?
Schutz Erwachsenen

Erwachsene, schuldfähige Personen dürfen nur unter speziellen Voraussetzungen der Verantwortlichkeit für die Tat als „Täter:innen“ bezeichnet werden.

Im Pressekodex, Richtlinie 13.1, heißt es diesbezüglich:

„Die Presse darf eine Person als Täter bezeichnen, wenn sie ein Geständnis abgelegt hat und zudem Beweise gegen sie vorliegen oder wenn sie die Tat unter den Augen der Öffentlichkeit begangen hat.“

Dadurch soll eine Prangerwirkung verhindert werden.

Die Person muss schuldig gesprochen worden sein, um als Täter:in bezeichnet werden zu dürfen.

Straftaten von Jugendlichen
Schutz durch den Pressekodex

Damit der Unschuldsvermutung Genüge getan wird, darf die Person nicht als Täter bezeichnet werden und damit vorverurteilt werden. Stattdessen werden Begriffe wie „Tatverdächtiger“ verwendet.

Darüber hinaus heißt es in Richtlinie 13.3 zu Straftaten von Jugendlichen:

„Bei der Berichterstattung über Ermittlungs- und Strafverfahren gegen Jugendliche sowie über deren Auftreten vor Gericht soll die Presse mit Rücksicht auf die Zukunft der Betroffenen besondere Zurückhaltung üben.“

Nach Richtlinie 8.3 sollen Kinder und Jugendliche in der Presseberichterstattung nicht identifizierbar sein. Der Pressekodex wurde vom Presserat erarbeitet und die Presse verpflichtet sich selbst zur Einhaltung dieser journalistisch-ethischen Sorgfaltspflicht. Bei Verstößen kann der Presserat dieses Verhalten sanktionieren, also z.B. öffentlich rügen.

Minderjährige doch als Täter:innen bezeichnen?
Tat ist bewiesen

Für die Bezeichnung von Minderjährigen als „Täter:innen“ spricht: Die Tat wurde begangen, sie ist bewiesen, es liegen Beweise vor, aber das Alter macht das Kind schuldunfähig. Das Kind ist verantwortlich, aber nicht schuldig. Die Entwicklung von Kindern ist sehr unterschiedlich und schwer zu verallgemeinern. Im Einzelfall kann ein dreizehnjähriges Kind die Reife eines Achtzehnjährigen haben. Reflexartig könnte die minderjährige Person, wenn Beweise gegen sie vorliegen, auch als „Täter:in“ bezeichnet werden. Kann es eine Straftat ohne Täter:innen geben? Wenn es keine Täter:innen gibt, die Tat jedoch nachgewiesen ist, ist dies für die Öffentlichkeit oft irritierend. Daher könnte auch die Genugtuungsfunktion für eine Bezeichnung als „Täter:in“ sprechen. Allerdings erscheint der Vergeltungsgedanke bei Minderjährigen unangemessen. Kinder sind in ihrer Entwicklung und Erfahrung nicht mit Erwachsenen vergleichbar. Sie sind daher schuldunfähig. Können sie daher dennoch als „Täter:innen“ bezeichnet werden?

Minderjährige nicht als Täter:innen bezeichnen
was spricht dagegen?

Gegen eine Bezeichnung von Minderjährigen als „Täter:innen“ spricht: Wer schuldfähig ist, ist „Täter:in“, was auch bedeuten kann, dass schuldunfähige Minderjährige nicht „Täter:innen“ sein können. Für eine Strafmündigkeit fehlt die „Reife“, also fehlt sie auch für eine Bezeichnung als „Täter:in“. Kinder haben ihr ganzes Leben noch vor sich -  ist eine Floskel. Daraus lässt sich aber ableiten, dass Kinder mehr Schutz brauchen. Die Berichterstattung über Straftaten ist ohnehin ein sensibles Terrain. Nicht zuletzt betrifft dies auch die Angehörigen, wenn Namen genannt werden. Menschen bleiben für immer der „Täter“, die „Täterin“. Die Bezeichnung wirkt stigmatisierend. Lebenslänglich.

Presse und Medien müssen korrekt schreiben
Täter im juristischen Sinne

Fraglich ist vor allem, inwieweit sich die Presse an juristischen Begriffen orientieren muss.

Die Presse genügt ihrer Sorgfaltspflicht aber nur dann, wenn sie Straftaten und Personen juristisch korrekt einordnet. Es muss klar sein, ob die Person „Täter:in“ ist, also schuldig gesprochen wurde, oder ob es „Mord“ oder doch „Totschlag“ war.

Wo werden also straffällig gewordene Jugendliche rechtlich eingeordnet?
Der Begriff des Täters bzw. der Täterin ist anhand des Strafgesetzbuches zu beleuchten. Dort heißt es in § 25 I StGB:

"Als Täter wird bestraft, wer die Tat selbst oder durch einen anderen begeht."

Neben dem unmittelbaren Täter gibt es den mittelbaren Täter, den Anstifter und den Gehilfen. Der Anstifter wird wie ein Täter bestraft, ebenso der Mittäter, die Beihilfe wird milder bestraft. Die Täterschaft ist also juristisch von der Teilnahme an einer strafbaren Handlung abzugrenzen. Diese kategorisierende Abgrenzung kann auch bei strafunmündigen Minderjährigen vorgenommen werden. Entweder hat eine Person unter vierzehn Jahren die Tat selbst begangen, ist also Täter:in, oder sie hat die Tat gefördert oder veranlasst, ist also Teilnehmer.

Im Fall Freudenberg haben die beiden Mädchen die Tat nachweislich begangen.

Auch die Teilnahme an der Tat eines minderjährigen Kindes ist möglich. Wenn aber eine Teilnahme an einer Tat möglich ist, braucht es logischerweise auch einen Täter oder eine Täterin. Dies wäre dann das Kind.

Gibt es einen unschuldigen Täter?
Täter:in ohne Schuld?

Aber ist eine Tat nicht ohnehin immer mit Schuld verbunden?

Kinder sind schuldunfähig, weil ihnen die Einsicht in die Strafbarkeit ihres Handelns fehlt.

Dies ändert aber nichts daran, dass ein Taterfolg und eine Tathandlung vorliegen und die Tatbegehung rechtswidrig ist, § 11 I Nr. 5 StGB. Für das Vorliegen einer rechtswidrigen Tatbegehung muss der Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht sein, § 11 I Nr. 5 StGB.

Auch die Mädchen aus Freudenberg haben trotz ihrer Schuldunfähigkeit den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht. Eine rechtswidrige Tatbegehung macht im Rechts- und Wortsinn eine Person zum Täter oder zur Täterin. Ein fehlender Schuldspruch steht dem nicht entgegen. Verfahrensrechtlich bedeutet die Strafunmündigkeit jedoch, dass der Fall nicht von den Ermittlungsbehörden verfolgt wird, sondern an das Jugendamt abgeben wird. Dies spricht dann wieder gegen eine Bezeichnung von Minderjährigen als Täter:in.

Empfehlung an Presse und Medien
Bezeichnung Minderjähriger als Täter:in

Minderjährige stehen unter dem besonderen Schutz unserer Gesetze - auch dann noch, wenn sie schreckliche Taten begehen. Ich rate Presse und Medien an, die Minderjährigen nicht als Täter:innen zu bezeichnen, auch dann nicht, wenn erwiesen ist, wer die Tat vollzogen hat. Stattdessen sollten Begriffe verwendet werden, die die Tat als solche umschreiben. 

Beispiel: Das Mädchen X hat das Mädchen Y erstochen. Das Mädchen X, welches das Mädchen Y erstach, hat….(anstatt die Mörderin der Y).

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Karsten Gulden

Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und zertifizierter Mediator

Karsten Gulden, LL.M. Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und zertifizierter Mediator

Karsten Gulden ist Rechtsanwalt & Mediator; Mitgründer und Gesellschafter der Kanzlei gulden röttger rechtsanwälte, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht seit 2009, Wahlfachprüfer beim Justizministerium Mainz/Rheinland-Pfalz und Mitglied im NetzDG-Prüfausschuss der FSM.
Zudem ist er ein Familienmensch, der das Klettern, die Berge & das Campen liebt. Die meiste freie Zeit verbringt er mit der Familie & den Pferden in freier Natur.

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Häufig gestellte Fragen (FAQs)

Ja, Medien haben auch positive Aspekte, wie die Verbreitung von Wissen und die Förderung von sozialem Engagement.

Soziale Medien sind oft Plattformen, auf denen Medienmanipulation stattfindet, da sie eine schnelle Verbreitung von Informationen ermöglichen.

Medienmanipulation kann unsere Gesellschaft durch die Verbreitung von Desinformation und die Spaltung von Meinungen beeinflussen.

Um sich vor Medienmanipulation zu schützen, ist es wichtig, kritisch zu sein, Informationen zu hinterfragen und Medienkompetenz zu fördern.

Die häufigsten Formen der Medienmanipulation umfassen Falschnachrichten, Clickbait, Sensationalismus und die gezielte Manipulation unserer Emotionen.

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