In Real Supermärkten wird derzeit ein Gesichtsscan von Kunden durchgeführt. Dies ist datenschutzrechtlich höchst bedenklich, wenn die Kunden vorher nicht richtig informiert werden.
Vor einigen Tagen wurde bekannt, dass die Supermarktkette Real eine Gesichteranalyse in Supermärkten zu Werbezwecken einsetzt. Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht soll nach Angaben des Handelsblatts das Ganze geprüft und für unbedenklich eingestuft haben.
Stellungnahme Gesichteranalyse zu Werbezwecken
Problem:
In vierzig ausgewählten Filialen der Supermarktkette „Real“ werden in Deutschland die Gesichter der Kunden analysiert. Hierbei werden die Blickkontakte der Kunden im Kassenbereich durch Videokameras auf Werbebildschirme aufgezeichnet. Diese Aufzeichnung erfolgt durch das Augsburger Unternehmen „Echion“. Hierdurch soll herausgefunden werden, welche Werbefilme bei den Kunden gut bzw. schlecht ankommen. Eine Software ermittelt dann die Anzahl der Betrachter, schätzt deren Alter und Geschlecht und zeichnet die Dauer des Blickkontaktes mit den Werbebildschirmen auf. Hierbei handelt es sich also um personenbezogene Daten, da die Personen bestimmbar werden, wenn die Gesichter gescannt werden.
Rechtliche Beziehungen untereinander
Es handelt sich also um eine Dreieckskonstellation. Der Verbraucher schließt mit Real einen Kaufvertrag. Zu der „Echion AG“ bestehen jedoch keinerlei Vertragsverhältnisse. Die Echion AG und Real wiederum stehen zueinander in einem Vertragsverhältnis.
Zulässigkeit der Gesichtsanalyse durch Videoaufzeichnung
Zunächst könnte eine Gesichtsanalyse wirksam sein, weil der Kunde in eine Videoüberwachung einwilligte indem er das Geschäft betreten hat.
Rechtsgrundlage für die Videoüberwachung in Supermärkten („Beobachtung mit optisch-elektronischen Einrichtungen“) ist § 6 b Abs. 1 BDSG. Demnach ist die Überwachung von Einkaufszentren nur dann zulässig, soweit sie gemäß § 6 b Abs. 1 Nrn. 1-3 BDSG der Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen, zur Wahrnehmung des Hausrechts oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkrete Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen des Betroffenen überwiegen. Bei der Videoüberwachung von Einkaufszentren gilt gemäß § 6 b Abs.1 S. 2 Nr. 1 BDSG der Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit der dort aufhältigen Personen als besonders wichtiges Interesse.
Gemäß § 6 b Abs. 2 BDSG ist der Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle bekannt zu machen.
Meines Erachtens liegt hier das Problem:
Ziel des Gesetzgebers ist es, Videoüberwachung nur in engen Grenzen zu erlauben. Die Aufzeichnung der Daten nur für gewerbliche Interessen ist nicht schutzwürdig und fällt nicht unter den Tatbestand des § 6 b Abs. 1 S. 2 Nr.1 BDSG (Leben, Gesundheit oder Freiheit).
Andenken könnte man zwar grundsätzlich eine Subsumtion unter § 6 Abs. 1 Nr. 3 BDSG. Eine Videoaufzeichnung ist dann zulässig, soweit berechtigte Interessen für konkret festgelegte Ziele wahrgenommen werden. Diese Generalklausel ist aber nach dem gesetzgeberischen Zweck bereits eng auszulegen. Des Weiteren fallen hierunter nach der Rechtsprechung vor allem Fälle der Gefahrenabwehr und der Beweissicherung (vgl Becker in: Plath, BDSG/DSGVO, 2. Aufl. 2016, § 6b BDSG).
Zwar kommt es bei einer rechtswidrigen Videoaufzeichnung wegen eines Verstoßes gegen § 6 b Abs. 1 BDSDG auf die fehlende Bekanntmachung grundsätzlich nicht mehr an. Allerdings ist dies noch ein weiterer Angriffspunkt, da die Echion AG hier die Daten aufzeichnet (laut Real ist die Echion AG der Betreiber der Videoanlagen).
Dies verstößt gegen § § 6 b Abs. 2 BDSG. Zwar ist § 6 b Abs. 2 BDSG wohl nach herrschender Meinung eine bloße Ordnungsvorschrift, eine fehlende Bekanntmachung berührt die Rechtmäßigkeit daher grundsätzlich nicht, wenn § 6 b Abs. 1 BDSG einschlägig ist (Becker in: Plath, BDSG/DSGVO, 2. Aufl. 2016, § 6b BDSG). Allerdings wird die fehlende oder unzureichende Transparenz regelmäßig auch bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen sein. Die heimliche Videobeobachtung wird daher in aller Regel unzulässig sein, wenn sie nicht zum Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter, insbesondere im Rahmen notwehrähnlicher Situationen gerechtfertigt ist. Die notwendigen Maßnahmen zur Kenntlichmachung sind anhand objektiver Kriterien zu bestimmen. Angemessen sind Maßnahmen, die den Erwartungen und Kenntnisnahmemöglichkeiten der betroffenen Verkehrskreise entsprechen. Nicht ausreichend ist, wenn die Videoanlage für jedermann sichtbar installiert ist. Dies ist schon deshalb problematisch, weil Videokameras meist an Stellen installiert sind, an denen sie außerhalb der Reichweite etwaiger Passanten sind und deshalb nicht erwartet werden kann, dass sie von diesen wahrgenommen werden. Außerdem macht die Hinweispflicht nur dann Sinn, wenn der Betroffene gewarnt wird, bevor (!) er in das Blickfeld der Videoüberwachung gerät. Für den Regelfall ist daher eine separate und deutliche Kennzeichnung durch Hinweisschilder zu verlangen (vgl zu alledem Becker in: Plath, BDSG/DSGVO, 2. Aufl. 2016, § 6b BDSG).
Wenn Real darauf verweist, dass den Kunden eine Videoüberwachung angekündigt wird, so dürfte dies lediglich für die allgemeine Videoüberwachung i.S. d. § 6 b BDSG gelten. Dies hat vor allem den Zweck Diebstähle zu vermeiden (Prävention) oder diese aufzuklären sowie die Sicherheit und Ordnung der Kunden zu gewährleisten. Auf diesen Hinweisschildern dürfte Real als verantwortliche Stelle hervorgehen und den Zweck der Aufzeichnung mitteilen.
Bei der Aufzeichnung durch die Echion AG kommt es jedoch zu dem o.g. Dreiecksverhältnis. Abgesehen davon, dass eine Aufzeichnung zu gewerblichen Zwecken wohl nicht unter § 6b Abs. 1 BDSG fällt und daher rechtswidrig sein dürfte.
Es müsste daher vor dem Betreten des Marktes zusätzlich für den Kunden ersichtlich sein, dass eine Aufzeichnung durch einen Dritten erfolgt mit dem der Kunde keinerlei Vertragsbeziehungen unterhält.
Auch der Einwand von Real, die Aufzeichnungen würden nur wenige Millisekunden gespeichert, greift daher nicht durch. Das BDSG schützt bereits die Aufzeichnung. Eine anschließende Abspeicherung ist nicht erforderlich, um zur Anwendung des § 6 b Abs. 1 BDSG zu kommen (vgl. Schaffland/Wiltfang in: Schaffland/Wiltfang, Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO)/Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), § 6b Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen).
Fazit:
Der Gesichtsscan der Kunden kann wegen Verstoßes gegen § 6 b BDSG rechtswidrig sein, wenn die Kunden nicht hinreichend informiert werden. Es ist künftig davon auszugehen, dass immer mehr Unternehmen den Scan einführen werden. Unternehmen, die mit dem Gedanken spielen, den Gesichterscan ebenfalls einzuführen, sollten sich im Vorfeld beraten lassen, ob ihr Vorhaben datenschutzrechtlich in Einklang zu bringen ist, da ab 2018 sehr hohe Sanktionen drohen, wenn die Datenschutzgrundverordnung Einzug hält.
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