Datenschutzrecht: Staatstrojaner vor dem Bundesverfassungsgericht
Er wird direkt auf dem Smartphone installiert und liest mit: Seit Sommer 2017 darf die Polizei zur Aufklärung bestimmter Straftaten Telefone nicht nur abhören, sondern auch Gespräche in den gängigen Messengerdiensten mitverfolgen. Theoretisch auch auf dem Diensthandy. Gegen die sogenannte „Quellen-TKÜ“ – auch Staatstrojaner genannt – hat ein Verein nun Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingereicht.
„Die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation darf auch in der Weise erfolgen, dass mit technischen Mitteln in von dem Betroffenen genutzte informationstechnische Systeme eingegriffen wird […]“ (§ 100a StPO). Ein trockener Satz mit großer Wirkung – und großer datenschutzrechtlicher Problematik: Was da seit August 2017 in der Strafprozessordnung geschrieben steht, ermöglicht Ermittlern der Polizei den sogenannten Staatstrojaner auf Smartphones verdächtiger Personen zu installieren, um auf verschlüsselte Messengerdienste zugreifen zu können.
Telefonüberwachung
Mit der herkömmlichen Telefonüberwachung war dies nicht möglich, erst der direkte Zugriff auf dem Gerät selbst, ermöglicht das Mitlesen in WhatsApp und Co. Der Eingriff in die Sphäre eines Verdächtigen ist also deutlich größer als bisher. Angesichts der unzähligen Daten, die die meisten Menschen heutzutage in ihr Telefon speisen, entstehe den Ermittlern ein „Persönlichkeitsbild, das umfangreicher und gläserner nicht sein könnte“, heißt es dem Rechtsprofessor, der die Verfassungsbeschwerde für den klagenden Verein Digitalcourage ausgearbeitet hat.
Das ist genau das Gegenteil dessen, was das Datenschutzrecht erreichen will: Die Freiheit jedes einzelnen Menschen, über seine personenbezogenen Daten zu verfügen – insbesondere auch darüber, wer sie einsehen kann.
Schon 2008 lag ein ähnlicher Fall auf den Schreibtischen der Karlsruher Richter. Damals entwickelte das Bundesverfassungsgericht das „Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“ (Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Februar 2008 – 1 BvR 370/07). Was sperrig klingt, ist der Name eines Grundrechts, das technische Geräte jedes Bürgers gerade vor Zugriffen Dritter schützen soll. An diesem seitdem von der Rechtsprechung fortentwickeltem Recht, muss sich jede Maßnahme des Staates messen lassen. In der Urteilsbegründung hieß es damals:
„Die heimliche Infiltration eines informationstechnischen Systems, mittels derer die Nutzung des Systems überwacht und seine Speichermedien ausgelesen werden können, ist verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut bestehen“.
Heißt im Umkehrschluss: Jeder Eingriff, der nicht absolut nötig ist, ist rechtswidrig. Es wird bei der Entscheidung über den „Staatstrojaner“ – sofern das Gericht den Antrag zur Entscheidung annimmt - entscheidend darauf ankommen, ob dessen Funktionen über das Ziel hinausschießen oder nicht. Es wird auch darauf ankommen, in welchen Situationen er eingesetzt werden soll.
Kommentar schreiben