Deutschland hinkt der fortschreitenden Digitalisierung in vielen Bereichen hinterher, woran unter anderem auch der mangelhafte öffentliche Zugang zum Internet per W-LAN schuld ist. Privatpersonen öffnen ihr W-LAN nicht, weil sie Angst haben, eine Abmahnung zu bekommen, wenn ein Dritter ihr W-LAN bspw. für Urheberrechtsverletzungen missbraucht. Die Störerhaftung und die Rechtsprechung des BGH (Sommer unseres Lebens) machen solche Abmahnungen möglich. Störerhaftung und Abmahnungen sind ein deutsches Phänomen, was die meisten anderen Länder so nicht kennen. Damit Deutschland in der digitalen Entwicklung nicht weiter hinterherhinkt, will die Bundesregierung die haftungsrechtlichen Hürden für die W-LAN Besitzer beseitigen. Nur so wäre ein flächendeckendes W-LAN, welches durch einen Großteil der privaten Bevölkerung gestellt werden soll, überhaupt realisierbar.
Stand heute: das Haftungsrisiko des privaten W-LAN Anbieters wird auch durch die geplante Änderung des § 8 TMG nicht wesentlich minimiert.
Seit in der Presse und durch den netzpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Lars Klingbeil, die Abschaffung der Störerhaftung von W-LAN Anbietern gefeiert wird, bekommen wir von Mandanten immer wieder die Frage gestellt, ob man jetzt keine Abmahnung mehr bekommen kann, wenn man ein offenes W-LAN anbietet.
Nachdem nun der Gesetzesentwurf vorliegt, muss ich die Hoffnungen leider zerstören. Die Abmahngefahr ist nicht gebannt.
Der bestehende § 8 TMG, der die Haftungsverantwortlichkeiten von Access-Providern regelt, soll um einen dritten Absatz erweitert werden, der folgende Regelung beinhaltet:
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Diensteanbieter nach Absatz 1, die Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen.
Der Absatz 3 stellt klar, dass die Haftungsprivilegien des § 8 Abs. 1 und 2 TMG auch für private W-LAN Anbieter gelten. Durch dieses Providerprivileg ist auch der private W-LAN Anbieter vor Schadensersatzforderungen geschützt, jedoch nicht vor Unterlassungsansprüchen. Der BGH fährt hier seit Jahren konsequente eine heiß diskutierte Linie, in dem er in all seinen Entscheidungen klipp und klar feststellt, dass Unterlassungsansprüche nicht von § 8 TMG ausgeschlossen werden.
In einer ursprünglichen Version des Gesetzesentwurfs für den erneuerten § 8 TMG war ein weiterer Absatz (§ 8 Abs. 4 TMG) geplant, dessen Regelung unter bestimmten Voraussetzungen explizit auch die Haftung auf Unterlassung ausgeschlossen hätte:
(4)Diensteanbieter nach Absatz 3 können wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers nicht auf Beseitigung oder Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn sie zumutbare Maßnahmen ergriffen haben, um eine Rechtsverletzung durch Nutzer zu verhindern. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Diensteanbieter
1. angemessene Sicherungsmaßnahmengegen den unberechtigten Zugriff auf das drahtlose lokale Netzwerk ergriffen hat und
2. Zugang zum Internet nur dem Nutzer gewährt, der erklärt hat, im Rahmen der Nutzung keine Rechtsverletzungen zu begehen.
Als im letzten Jahr dieser Gesetzesentwurf das Licht der Öffentlichkeit erblickte, ging ein Aufschrei durch die Bevölkerung, da die in Absatz 4 geforderten Sicherungsmaßnahmen und Aufklärungspflichten gerade für den privaten W-LAN Anbieter kaum durchführbar waren.
Diese Regelung wurde in der aktuellen Fassung komplett gestrichen und somit kommt das Thema Unterlassung auch nicht mehr im aktuellen Gesetzeswortlaut vor. Der angebliche Wunsch des Gesetzgebers, dass der W-LAN Anbieter auch nicht für Unterlassungsansprüche haften soll, wird lediglich in den Begründungen zum Gesetzesentwurf angesprochen. Gesetzesbegründungen haben jedoch keine bindende Wirkung und können lediglich von Gerichten zur Gesetzesauslegung herangezogen werden. Daher kann man meines Erachtens auch nicht davon sprechen, dass die Störerhaftung für W-LAN Anbieter abgeschafft worden ist.
Was ist die Störerhaftung?
Die Störerhaftung ist ein deutsches juristisches Konstrukt, um platt gesagt, jemand in Haftung nehmen zu können, der selbst nicht als Täter in Frage kommt. Die Störerhaftung setzt lediglich voraus, dass man bspw. eine Urheberrechtsverletzung eines Dritten ermöglicht. Daher kann grundsätzlich auch derjenige in Haftung genommen werden, der nur die Internetverbindung bereitgestellt hat. Die Störerhaftung greift dann zugunsten der Rechteinhaber ein, wenn der W-LAN Anbieter gewisse Sicherungs- und Aufklärungsmaßnahmen nicht durchgeführt hat. Wie diese auszusehen haben, ist nirgendswo gesetzlich verankert und liegt im Ermessen der Gerichte.
Existiert jetzt die viel verkündete Rechtssicherheit für den privaten W-LAN Anbieter?
Nein! Man muss die nächsten Jahre erstmal abwarten, wie die einzelnen Instanzen der Gerichte dieses Gesetz auslegen. Hier hat der Gesetzgeber mal wieder eindeutig eine Chance verpasst, eine eindeutige Regelung auf den Weg zu bringen, in der sich auch der Inhalt der Gesetzesbegründung wiederfindet. Der Kollege RA Stadler hat hier ein Beispiel für eine klare und gangbare Regelung formuliert: http://www.internet-law.de/2016/05/neue-mogelpackung-zur-w-lan-stoererhaftung.html
Achtung – zunächst muss die Täterhaftung ausgeschlossen werden!
Was bei der ganzen Diskussion um die Störerhaftung außen vor gelassen wird, dass man als Anschlussinhaber im ersten Schritt darlegen muss, dass man nicht als Täter der Urheberrechtsverletzung, die über seinen Anschluss begangen worden ist, in Frage kommt.
Hier bin ich sehr gespannt, welche Maßstäbe die Gerichte an die „Entlastungsnachweise“ des Anschlussinhabers stellen. Wird es genügen, einfach die Behauptung aufzustellen, dass man zum Tatzeitpunkt ein offenes W-LAN angeboten hat? Oder muss man den Umstand per Zeugen oder Routerprotokoll nachweisen? Muss man auch den Nachweis erbringen, dass neben einem offenen W-LAN auch zum Tatzeitpunkt Dritte auf diesen zugegriffen haben?
Bei gewerblichen W-LAN Anbietern wie Cafes, Hotels, Restaurants, etc. wird man an die Entlastung sehr wahrscheinlich wesentlich geringere Anforderungen stellen. Hier wird es wahrscheinlich ausreichen, dass man darlegt, dass man ein offenes W-LAN anbietet. Insbesondere wenn der Urheberrechtsverstoß während der Öffnungszeiten stattgefunden hat, sehe ich eine ausreichende Entlastung des Anbieters als gegeben an.
Fazit
Meiner Meinung nach minimiert zwar die geplante Einführung des § 8 Abs. 3 TMG das Haftungsrisiko was Schadensersatzansprüche angeht, jedoch von einer Abschaffung der Störerhaftung für private W-LAN Besitzer kann man noch lange nicht sprechen. Daher besteht auch weiterhin die Möglichkeit, dass Anbieter eines offenen W-LANs mit Abmahnungen überzogen werden, wenn über deren Anschluss Urheberrechtsverletzungen begangen werden. Für eine Abschaffung der Störerhaftung muss man auf den EuGH hoffen.
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