Die Vorschrift im bayrischen Datenschutzgesetz zur Übermittlung personenbezogener Daten regelt nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts mehr als sie darf. Für Art. 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BayDSG findet sich keine passende - aber benötigte - Öffnungsklausel in der Datenschutzgrundverordnung der EU, meinen die Leipziger Richter.
Mit Urteil vom 27. September 2018 (BVerwG 7 C 5.17) hat das Bundesverwaltungsgericht einen Schlussstrich gezogen unter einen langwidrigen Streit eines Journalisten mit dem Landtagsamt des Freistaates Bayern. Der Journalist wollte mehr erfahren über die Gehaltszahlungen, die eine Sekretärin eines Landtagsabgeordneten über Jahre hinweg aus öffentlichen Geldern erhalten hatte. Der Journalist interessierte sich besonders für die Höhe des Gehalts, weil es sich bei der Sekretärin um die Ehefrau des Abgeordneten handelte und es ihm um die Aufklärung der sogenannten „Verwandtenaffäre“ ging.
In der höchsten Instanz ging es um die Frage, ob alle Voraussetzungen des sogenannten presserechtlichen Auskunftsanspruches erfüllt waren. Der ist in Art. 4 des Bayrischen Pressegesetzes geregelt. Demnach haben Journalisten gegen Behörden einen Anspruch auf Auskunft nur, wenn dem Auskunftsersuchen keine Verschwiegenheitspflichten der Betroffenen entgegenstehen. Gerichte nehmen eine solche Verschwiegenheitspflicht unter anderem dann an, wenn durch die Auskunft das Recht auf informationelle Selbstbestimmung Dritter verletzt würde. Ob das der Fall ist, müsste in einer Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und dem Interesse der Presse ermittelt werden.
Informationelle Selbstbestimmung
So weit so gut, könnte man meinen. Abwägen, Fall gelöst. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht im berühmten „Volkszählungsurteil“ Eingriffen in die informationelle Selbstbestimmung eine weitere Hürde in den Weg gestellt: Jeder Eingriff in das Recht muss auf eine „bereichsspezifische Ermächtigungsgrundlage“ gestützt werden. Die Vorinstanz habe nicht gründlich genug nach einer entsprechenden Norm gesucht, monierten die Richter. Die Pressefreiheit (823) des Grundgesetzes (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) erfordere dies aber.
Hinreichend kann eine solche Eingriffsnorm nur sein, wenn sie die schutzwürdigen Interessen der Betroffen angemessen berücksichtigt. Die Norm des Bayrischen Pressegesetzes scheide aus, meinten die Richter, sie erwähne diese Interessen Dritter nicht einmal.
Auf den ersten Blick hätte hier Art. 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 des Bayrischen Datenschutzgesetzes Abhilfe schaffen können: Dieser Artikel bestimmt, wann eine Übermittlung personenbezogener Daten an eine nichtöffentliche Stelle (hier: die Presse) zulässig ist.
Im Wortlaut:
„Eine Übermittlung personenbezogener Daten ist zulässig, wenn der Empfänger eine nicht öffentliche Stelle ist, diese Stelle ein berechtigtes Interesse an ihrer Kenntnis glaubhaft darlegt und die betroffene Person kein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung hat; dies gilt auch, soweit die Daten zu anderen Zwecken als denjenigen, zu denen sie erhoben wurden, übermittelt werden.“
Artikel 6 DSGVO
Die Richter des Bundesverwaltungsgerichts sagten aber, dass auch diese Norm nicht herangezogen werden könne, weil sie gegen EU-Recht verstoße. Genauer gesagt, verstoße sie gegen Art. 6 der DSGVO. Diese Norm gibt vor, wann eine Verarbeitung personenbezogener Daten – wozu auch die Übermittlung von Gehaltsdaten an einen Journalisten zählt – rechtmäßig ist.
Nur im Rahmen, in dem es die Absätze zwei bis vier von Art. 6 DSGVO zulassen, kann der deutsche Gesetzgeber von den dortigen Kriterien zur Datenverarbeitung abweichen. Und mit der Norm im Bayrischen Datenschutzgesetz sei der Gesetzgeber über den vorgegebenen Rahmen dieser Öffnungsklauseln hinausgeschossen, sagten die Richter.
Anders als im Bayrischen Gesetz steht in der DSGVO (Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 2) nämlich ganz unabänderlich, dass Behörden Datenübermittlungen an Private gerade nicht auf eine Interessenabwägung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO stützen dürfen. An eben jenem Modell hatte sich der bayrische Gesetzgeber aber orientiert.
Diese Ansicht könnte weitgehende Folgen haben, da aktuell verschiedene Normen im deutschen Recht ähnlich gestrickt sind. So etwa auch § 25 Abs. 2 Nr. 2 BDSG.
Das richterliche Fazit im Fall des Journalisten:
Es gibt keine eigenständige Norm, die einen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung der Ehefrau des Abgeordneten rechtfertigen könnte. Das konnten die Verwaltungsrichter so allerdings auch nicht stehen lassen, da sonst der Auskunftsanspruch generell nutzlos werden würde.
Um dies zu verhindern, könne Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO nun doch, und zwar ganz direkt, „zur inhaltlichen Ausfüllung und Konkretisierung dieses Anspruchs herangezogen werden, der dann den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts für einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung genügt“.
Die anfangs erwähnte Interessenabwägung fand nun doch statt und ging zu Gunsten des Journalisten aus, das Landtagsamt musste ihm Auskunft über die öffentlichen Gelder geben.
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