Angebliches „Sex-Mobbing“: LG Frankfurt verurteilt Bild-Zeitung zu Geldentschädigung. In einer vierteiligen Artikelserie hat die Bild-Zeitung zu Unrecht schwerste Anschuldigungen gegen einen leitenden Angestellten der hessischen Stadtverwaltung erhoben.
Nun hat das Landgericht Frankfurt dem Betroffenen eine Entschädigung in Höhe von 110.000 Euro zugesprochen (LG Frankfurt, Urt. v. 16.05.2019, Az. 2-03 O 184/17 u. a.). Der Axel Springer Verlag, zu dem die Bild-Zeitung gehört, habe „in schwerwiegender Art und Weise gegen die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung und die journalistischen Sorgfaltspflichten verstoßen“.
Vorwurf sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz
Worum ging es? Anlass der Bild-Berichterstattung war ein „Mobbingtagebuch“ auf deren Grundlage eine vormals Angestellte der Stadtverwaltung die Gemeinde auf Schadensersatz verklagt hatte. Sie warf ihrem Vorgesetzten nicht nur Mobbing, sondern auch sexuelle Belästigung vor.
Die Bild-Zeitung griff diese Vorwürfe unkritisch auf und schrieb unter dem Titel „Sex-Mobbing“, der Betroffene hätte seine Mitarbeiterinnen aufs übelste sexuell gemobbt, durch die Flure gebrüllt, dass sie „dreckige Nutten“ seien, ihm mal „einen blasen“ sollen, und „im Bett eine Drecksau“ seien.
Rassismusvorwürfe gegen Vorgesetzten
In den Artikeln der Folgetage nahmen die Vorwürfe kein Ende: Unter den Titeln „Suff-Exzesse im Rathaus“, „Nazi-Vorwürfe“ und „Ekel-Vorwürfe“ beschrieb die Bild den Betroffenen als den „schlimmsten Vorgesetzten Deutschlands“. Schon am Morgen habe er Portwein im Büro getrunken, rassistisch von „Scheiß-Integrationskindern“ gesprochen und regelmäßig sexuell anstößig von „Lecken“ und „Blasen“ gesprochen. Früher seien „Mongos im KZ vergast worden“, soll er einmal gesagt haben – eine kleinwüchsige Mitarbeiterin habe er „Mongo“ genannt.
BILD trägt Beweislast für Tatsachenbehauptungen – unzulässige Verdachtsberichterstattung
Die Wahrheit keiner dieser Vorwürfe konnte die Zeitung auf eine die Richter zufriedenstellende Weise belegen. Genau das wäre aber nötig gewesen bei der vorliegenden Verbreitung von Tatsachenbehauptungen. Bei einigen der Vorwürfe ließ sich zwar nicht feststellen, ob die wahr oder unwahr seien. Doch gerade hier hätte die Bild-Zeitung die grundlegenden Regeln der sogenannten Verdachtsberichterstattung einhalten müssen.
Immer, wenn es um es nicht vollständig belegbare Vorwürfe gegen eine Person geht, müssen Journalisten folgende Dinge beachten:
- Der Betroffene muss Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten,
- es muss ein „Mindestbestand an Beweistatsachen“ vorliegen,
- das öffentliche Interesse muss hinreichend groß sein und
- es darf keine Vorverurteilung der Betroffenen Person stattfinden.
All diese Regeln warfen die Bild-Journalisten über Bord. Das „Mobbingtagebuch“ als einzige Quelle ließen die Richter nicht gelten und ein vergeblicher Anruf bei der Stadtverwaltung habe auch nicht ausgereicht, um von der Möglichkeit einer Stellungnahme zu sprechen.
Das Fazit der Richter: Neben der in vier separaten Verfahren zusammenkommenden Entschädigung darf die Bild weder einen Großteil der Textpassagen noch Bilder des Betroffenen weiter veröffentlichen.
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