Der EGMR hat geurteilt, dass Deutschland die Meinungsfreiheit eines Abtreibungsgegners verletzt habe.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrecht (EGMR) hat einem deutschen Abtreibungsgegner ("Klaus Günter Annen, is a German national who was born in 1951 and lives inWeinheim (Germany)") Recht gegeben, der Flugblätter veruteilte, auf denen die Namen und Anschriften zweier Abtreibungsärzte publiziert wurden, application no. 3690/10.
EGMR, Press Release 371 (2015) 26.11.2015, CASE OF ANNEN v. GERMANY (Application no. 3690/10)
Auf der Rückseite der Flugblätter stand zudem "Die Ermordung der Menschen in Auschwitz war rechtswidrig, aber der moralisch verkommene NS-Staat hat den Mord an den unschuldigen Menschen erlaubt und nicht unter Strafe gestellt". Dem Abtreibungsgegner wurde bereits im Jahr 2005 in Deutschland die Verbreitung der Flugblätter untersagt. Der EGMR stellte nun fest, dass das Verbot den Aktivisten in seiner Meinungsfreiheit verletze. Die Persönlichkeitsrechte der Mediziner sahen die Richter nicht als verletzt an.
Entscheidungsgründe
Der EGMR urteilte, dass die deutsche Rechtsprechung eine unzulängliche Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Abtreibungsgegners und den Persönlichkeitsrechten der Ärzte getroffen hätten. Die Abtreibungen der Ärzte seien durch die Flugblätter und die Internetseite des Gegners nicht mit dem Holocaust gleichgesetzt worden (he had not explicitly equated abortion with the Holocaust).Der EGMR führte weiter aus, dass er mit der Interpretation der deutschen Gerichte nicht einverstanden sei, die befanden, dass Herr Annen, so der Name des Gegners, die Ärzte und ihre Aktivitäten mit dem Nazi-Regime verglichen.
Kein Präzedenzurteil
Das Urteil des EGMR sollte nicht zu der Annahme verleiten, dass nunmehr Anprangerungen durch Flugblätter oder gar im Internet nun per se zulässig und von der Meinungsfreiheit geschützt sind. Das muss nach wie vor im Einzelfall entschieden werden. Tendenziell ist auf europäischer Ebene ebenso eine Entwicklung hin zu einer Stärkung des Persönlichkeitsrechtsschutzes zu verzeichnen. Dies gilt zumindest auf Verbraucherebene (Bsp.: Recht auf Vergessenwerden).
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