Auf einer Pressekonferenz hat die Parteichefin der CDU, Annekret Kramp-Karrenbauer etwas gesagt, was nicht nur bei anderen Parteien und Journalisten für schwere Irritationen gesorgt hat. Es geht um Meinungen im Netz, die ihrer Meinung nach zum schlechten Wahlergebnis ihrer Partei bei der EU-Wahl beigetragen haben.
"Lassen Sie mich an der einen Stelle mal etwas sagen", so zitiert Spiegel Online Kramp-Karrenbauer von einer Pressekonferenz am Tag nach der EU-Wahl. Und weiter zitiert der Spiegel: Als sie von der Anti-CDU/SPD-Wahlempfehlung der YouTuber gehört habe, habe sie sich gefragt, was eigentlich los wäre in diesem Land, wenn 70 Zeitungsredaktionen zwei Tage vor der Wahl einen ähnlichen Aufruf gestartet hätten. Das wäre "klare Meinungsmache" gewesen. Weiter sagte sie: "Und die Frage stellt sich schon mit Blick auf das Thema Meinungsmache, was sind eigentlich Regeln aus dem analogen Bereich und welche Regeln gelten eigentlich für den digitalen Bereich, ja oder nein." Das sei eine Frage, über die man sich "unterhalten" werde, und zwar "sehr offensiv", sagte sie laut Spiegel Online.
Die Aussage ist klar: Sie spricht von einer möglichen Regulierung von Meinungsäußerungen im Netz vor Wahlen. Der Sturm von deutschlandweiter Entrüstung war zu erwarten. Als die CDU-Chefin dies merkte, wollte sie das alles nicht so gemeint haben. Auf Twitter schrieb sie, ihr zu unterstellen, Meinungsäußerungen regulieren zu wollen sei „absurd“.
Unabhängig von der Frage, welche Pläne Kramp-Karrenbauer nun wirklich hat, stellt sich die Frage, ob eine Regulierung von Meinungsäußerungen im Netz in Deutschland rechtlich überhaupt zulässig wäre.
Zunächst ist klarzustellen, dass das Grundgesetz in Artikel 5 Abs. 1 jedem Menschen in Deutschland das Recht zur Meinungsäußerung einräumt. Jedem. Da ist es zunächst unerheblich, ob diese Person YouTuber, Zeitungsjournalist oder Wähler der AfD ist. Ebenso unerheblich ist, ob die Meinungsäußerung analog oder digital erfolgt. Die Frage, die die CDU-Chefin mit ihrem Digital-Analog-Vergleich stellt, beantwortet also schon das Grundgesetz: Eine rechtliche Benachteiligung im Netz geäußerter Meinungen wäre verfassungswidrig. Auch was Kramp-Karrenbauer mit negativer Intonierung als „klare Meinungsmache“ bezeichnet, ist vollumfänglich von Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt. Das gilt für YouTuber, deren große Reichweite keinen Einfluss auf ihre Meinungsfreiheit hat, wie für Zeitungen.
Der private Zeitungsmarkt ist geradezu auf „Meinungsmache“ ausgelegt. Die Pressefreiheit enthält nämlich mit der sogenannten „Tendenzfreiheit“ das Recht jeder Zeitung, politisch eine Grundhaltung einzunehmen und auch einseitige Kommentare zu veröffentlichen, sofern die journalistische Sorgfalt gewahrt bleibt. So sollen sie den politischen Diskurs befeuern, es ist geradezu eine ihrer zentralen Aufgaben. Einzig denkbare Schranke für Youtuber könnte das Rundfunkrecht sein, sollte man YouTube-Kanäle als Rundfunk einstufen. Aber selbst hier wäre ihren Meinungen im Rahmen des privaten Rundfunks freier Lauf gelassen, sofern sie sich nicht verdeckt für das verbreiten bestimmter Meinungen bezahlen ließen.
Lediglich allgemeine Gesetze, die sich weder gegen eine bestimmte Meinung richten, sondern dem Schutz der persönlichen Ehre anderer dienen, können der Meinungsfreiheit Grenzen setzen. Dazu zählen aber nur wenige Gesetze, wie etwa der Straftatbestand der Beleidigung (§ 185 StGB), der üblen Nachrede (§ 186 StGB) oder der Verleumdung (§ 187 StGB).
Ein mögliches Gesetz, das Meinungsäußerungen reichweitenstarke YouTuber und Influencer von „Wahlempfehlungen“, also politischen Aussagen, abhalten sollte und das gerade vor einer politischen Wahl , würde auf allen Ebenen gegen die Idee der Meinungsfreiheit als Instrument der politischen Willensbildung verstoßen. Ein solches Gesetz wäre nach Art. 5 Abs. 3 GG unzulässige Zensur und deshalb verfassungswidrig.
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