Periscope, Meerkat und Co - Livestreaming und das Urheberrecht, Persönlichkeitsrecht und die Sendelizenz
Social Media Recht|FAQ
Kai Diekmann, Chefredakteur der BILD Zeitung macht es, Sascha Pallenberg, Gründer des Tech Magazins Mobilegeeks macht es und viele weitere Periscoper kommen täglich hinzu - Livestreaming mit Livestreaming-Apps wie Periscope, Meerkat oder YouNow. Man benötigt ein Smartphone, eine (kostenfreie) Livestreaming App und eine guten Internetzugang. Alle drei Komponenten sind problemlos verfügbar. Livestreaming - ein zukünftiges Massenphänomen? Es ist kinderleicht. Selbst 10 Jährige haben bereits bei YouNow eigene Livestreaming-Kanäle. Die Eltern wissen meistens nicht, was ihre Kinder da treiben. Medienkompetenz? Für viele Eltern ein Fremdwort.
Mit dem Livestreaming tun sich ganz neue Möglichkeiten auf, insbesondere im Bereich der Berichterstattungen. Ein Normalo wie du und ich können theoretisch, ohne großen technischen Aufwand, ein Millionen-Publikum erreichen. Die heutigen YouTube Stars haben teilweise über eine Millionen Follower. Warum soll das nicht auch beim Livestreaming möglich sein?
Trotz aller, größtenteils auch berechtigten Euphorie, die Apps wie Periscope, Meerkat und YouNow zuteil wird, besteht auch ein gewisses Gefahrenpotential. Im Gegensatz zu „normalen“ YouTube Videos und Handy- oder Fotoschnappschüssen, hat man bei einer Periscope, Meerkat und YouNow Liveübertragung nicht die Möglichkeit, nachträglich bspw. Gesichter zu verpixeln, um das Recht am eigenen Bild Dritter zu wahren oder Szenen herauszuschneiden, die das Urheberrecht eines Dritten verletzen könnten. Es findet alles live statt.
Daher muss auch trotz aller technischen Möglichkeiten der Livestreaming-User bei der Periscope-Nutzung die Persönlichkeitsrechte und Urheberrechte Dritter beachten, ansonsten drohen zivilrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen. Daneben können noch die Kosten einer teuren Sendelizenz auf die Streaming-Anbieter zukommen.
Livestreaming und das Urheberrecht
Das AC/DC Konzert oder den neusten Kinoblockbuster per Livestream App übertragen? Kein Problem, zumindest in technischer Hinsicht. Die Probleme entstehen auf der urheberrechtlichen Ebene.
Urheberrechtsverletzungen sind bei folgenden Livestreaming-Aktivitäten gegeben:
- Übertragung von Kinofilmen
- Übertragung von Sportevents, Filmen und TV-Serien aus dem Pay-TV
- Übertragung von Live-Konzerten
- Abspielen von Musik im Hintergrund - Stichwort: GEMA Gebühren (Tarif VR-W I - für die Nutzung von Werken des GEMA-Repertoires als Hintergrundmusik, Funktionsmusik oder Streaming von Musik auf Internetseiten und Intranetseiten - die Mindestvergütung beträgt EUR 108,50 je angefangene 10.000 Zugriffe je gestreamtem Ereignis)
Der Livestreamer benötigt bei den oben aufgezählten Aktivitäten immer die Einwilligung der Rechteinhaber bzw. eine Lizenz durch die GEMA. Hier sind im Vorfeld Lizenzen zu erwerben, bevor man die Übertragung startet.
Kann auch der Konsument eines solchen unlizenzierten Livestreams rechtliche Probleme bekommen?
Es kommt darauf an, wie man das Streaming rechtlich einordnet. Es ist aktuell noch nicht höchstrichterlich geklärt, ob der Konsum eines illegalen Streams eine Urheberrechtsverletzung darstellt. Die wohl herrschende Ansicht verneint dies. Wir teilen diese Ansicht. In unseren Augen stellt die kurze Zwischenspeicherung im RAM (Arbeitsspeicher) keinen Kopiervorgang im urheberrechtlichen Sinne dar. Der reine Konsum von urheberrechtlich geschützten Werken ist per se keine urheberrechtsrelevante Handlung. Unabhängig von der theoretischen Betrachtungsweise, besteht in praktischer Hinsicht aktuell kaum die Möglichkeit, mit legalen Mitteln einen Streaming-Konsumenten zu ermitteln, so dass für die Zuschauer eines Livestreams nach unserer Ansicht keine rechtliche Gefahr besteht.
Livestreaming und das Persönlichkeitsrecht
Livestreaming lebt nicht nur von Gegenständen oder der Natur, sondern insbesondere von den gefilmten Menschen. Darf man einfach jeden filmen? Umso spektakulärer die veröffentlichten Bilder sind, umso mehr Feedback, Likes, Kommentare und Follower bekommt man. Das Lebenselixier der modernen Social Media Junkies. Aber Achtung! Auch für das Livestreaming gelten die gleichen Spielregeln wie für das Fotografieren und das klassische Filmen. Hier ist insbesondere das Recht am eigenen Bild der gefilmten Personen zu berücksichtigen.
Folgende elementare Grundsätze sollte man beim Filmen von Personen beachten:
- Keine Liveübertragung von Personen, ohne deren Einwilligung, sofern diese eindeutig zu erkennen sind
- Besondere Vorsicht sollte man beim Filmen und Übertragen von Kindern walten lassen - hier benötigt man immer das Einverständnis der Eltern und ab ca. 12 Jahren auch noch die Einwilligung des gefilmten Kindes
- Keine geheimen Liveübertragungen von Personen
- Keine Livestreams von Personen, die sich in ihrer Wohnung aufhalten oder in einem sonstigen geschützten Bereich (Verletzung der Intimsphäre), ohne die vorherige Einholung des Einverständnisses – hier sieht man sich nicht nur zivilrechtlichen Ansprüchen ausgesetzt, sondern auch strafrechtlichen (§ 201a StGB)
- Besonders problematisch ist das Filmen von nackten (die Steigerung dazu sind Rachepornos) und wehrlosen Personen (bspw. wenn diese hemmungslos betrunken sind - Partybilder) - ohne Einwilligung macht man sich strafbar
- Beim Filmen von Unfällen und Katastrophen muss man darauf achten, dass weder die Opfer, die Helfer (Sanitäter, Feuerwehr, Polizei, technisches Hilfswerk) oder sonstige Beteiligte erkennbar gefilmt und live gesendet werden, solange deren Einverständnis zur Veröffentlichung nicht vorliegt
- Das Livestreaming von sexuellen Handlungen jugendgefährdender Natur stellt in der Regel eine strafbare Handlung wegen Verbreitung pornographischer Schriften dar, da bei Periscope und Co keine Altersbeschränkung „ab 18“ besteht und Kinder / Jugendliche unproblematisch solche pornographischen Streams verfolgen könnten
- Daneben ist das Hausrecht von Museen, Zoos, Veranstaltern von Events, etc. zu beachten - hier ist das Filmen und Fotografieren häufig reglementiert
Wann benötigt man keine Einwilligung des Gefilmten?
- Wenn es sich bei den Gefilmten um bekannte und berühmten Personen (Personen der Zeitgeschichte) handelt und diese in der Öffentlichkeit gefilmt wurden - aber auch bei dieser Ausnahme existieren Beschränkungen
- Wenn die gefilmten Personen nur Beiwerk sind
- Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen können gefilmt werden, solange man keine einzelnen Personen aus der Masse herauspickt
- wenn der Livestream einem höheren Interesse der Kunst dient - dies kommt nur in ganz engen Grenzen vor. Gerichte haben bspw. in den Streetfotografie-Fällen ein solches höheres Interesse der Kunst nicht bejaht
Benötigt man für das Livestreaming per Periscope, Meerkat und YouNow eine Sendelizenz?
Mit den Livestreaming Apps Periscope, Meerkat und YouNow kann man theoretisch mehrere Millionen Leute erreichen. Nach dem aktuellen Rundfunkstaatsvertrag kann man nicht von vornherein ausschließen, dass man eventuell tatsächlich eine Sendelizenz benötigt. Nach dem Rundfunkstaatsvertrag benötigen nicht nur Sender wie ARD, ZDF, RTL, SAT 1, Pro7 und Co. eine Sendelizenz, sondern zum Teil unter bestimmten Bedingungen auch Telemedien, wie Periscope, Meerkat und YouNow.
Eine Sendelizenz benötigt man nach dem Rundfunkstaatsvertrag dann,
- wenn man theoretisch mehr als 500 Personen gleichzeitig erreicht (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 RStV) – das ist bei den Streaming Apps der Fall -
- und die Inhalte journalistisch-redaktionell gestaltet sind (§ 2 Abs. 3 Nr. 4 RStV) – diese Voraussetzung wird in der Regel sehr weit gefasst - Katzenvideos oder Opas Geburtstag fallen nicht darunter -
- und wenn die Inhalte nach einem Sendeplan im Rahmen einer zeitlich geordneten Folge veröffentlicht werden (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 RStV) - bspw. wenn man jeden Mittwoch um 15.00 Uhr und jeden Samstag um 20.00 Uhr seine Inhalte streamt -
- und es muss sich um einen linearen Informations- und Kommunikationsdienst handeln - dies ist bei Livestreaming der Fall, nicht aber bspw. bei YouTube Videos, da man diese zu jeder Zeit abrufen kann.
Die meisten Hobby-Streamer werden daher keine Sendelizenz benötigen, da es entweder an den journalistisch-redaktionellen Inhalte fehlt oder kein Sendeplan vorliegt. Das Thema Sendelizenz kann insbesondere für die Nutzer ernst werden, die Livestreaming journalistisch und meinungsbildend in einem regelmäßigen Format einsetzen.
Eine Sendelizenz ist teuer. In Rheinland Pfalz bspw. muss man dafür zwischen 1.000 und 10.000 € bezahlen.
Fazit
Wir werden sehen, ob das Thema Livestreaming, welches durch YouNow, Periscope und Meerkat jetzt erst so richtig in den Blickpunkt der Öffentlichkeit getreten ist, eine der Realität entsprechende Regelung erhält. Livestreaming fördert die Medienvielfalt. Das Livestreaming darf daher nicht von der Notwendigkeit einer Sendelizenz abhängig gemacht werden. Ansonsten kann man schnell auf den Gedanken kommen, dass manch staatliche Stelle oder Interessenverbände bewusst solche Meinungsplattformen überregulieren wollen um damit bewusst den Zugang hierzu zu erschweren, um zu verhindern, dass zu viele Menschen die einfache Möglichkeit haben, ihre Meinungen und Ideen einem Millionenpublikum zu präsentieren.
Auch das Livestreaming zeigt wieder mal eindrucksvoll auf, dass unsere aktuellen Gesetze in Bezug auf den technischen Fortschritt einer Zerreißprobe unterliegen. Hier muss der Gesetzgeber einen guten Kompromiss zwischen dem Urheberrecht und dem Persönlichkeitsrecht auf der einen Seite und den technischen Möglichkeiten und gesellschaftlichen Entwicklungen auf der anderen Seite finden.
Aktuell sieht man sich bei der Nutzung von Periscope, Meerkat und YouNow noch vielen rechtlichen Stolperfallen ausgesetzt, die einem das Livestreaming-Vergnügen schnell madig machen können.
Tobias Röttger
Rechtsanwalt für Urheber- und Medienrecht
Rechtsanwalt Tobias Röttger, Medienrecht LL.M. – zertifizierter Datenschutzbeauftragter