Nach dem Mord an Nidal R. in Berlin werden in sozialen Netzwerken Bilder von verdächtigen Personen verbreitet. In arabischstämmigen Communities werden fünf Männer des Mordes beschuldigt.
Folgende Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, habe ich heute der aktuellen Redaktion vom Inforadio rbb beantwortet. Das Interview lief um 12:07 Uhr und wird um 15:00 Uhr wiederholt.
Ist so ein privater "Fahndungsaufruf" in sozialen Medien überhaupt rechtlich erlaubt?
RA, FA K. Gulden: Private Fahndungsaufrufe sind nicht zulässig. Wir leben in einem Rechtsstaat. In einem Rechtsstaat sind die Polizei und die Staatsanwaltschaft für die Verbrechensbekämpfung zuständig. Diese dürfen sich auch an die Bevölkerung wenden, wenn Aussicht auf Erfolg besteht, dass der Täter auf diese Weise ermittelt werden kann.
„Die Veröffentlichung von Abbildungen eines Beschuldigten, der einer Straftat von erheblicher Bedeutung verdächtig ist, ist auch zulässig, wenn die Aufklärung einer Straftat, insbesondere die Feststellung der Identität eines unbekannten Täters auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre.“
Desweiteren muss ein solcher Fahndungsaufruf mit Bild vor der Veröffentlichung durch einen Richter angeordnet werden, bzw. wenn Gefahr im Verzug besteht, durch die Staatsanwaltschaft oder die Polizei - § 131 c Abs. 1 StPO. In diesem Fall muss innerhalb einer Woche die Fahndungsanordnung durch einen Richter bestätigt werden - § 131 c Abs. 2 StPO.
Wer der Polizei jedoch helfen will, kann die öffentlichen Fahndungsaufrufe der Polizei teilen oder sich direkt an die Polizei wenden.
Welche rechtlichen Konsequenzen hat dieser Aufruf?
RA, FA K. Gulden: Private Fahndungsaufrufe können zur Strafbarkeit desjenigen führen, der einen solchen privaten Fahndungsaufrufe startet. Die Verbreitung des Bildes einer Person über die sozialen Medien kann bereits zur Strafbarkeit führen. Geldstrafen und sogar Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr drohen. Daneben kommen auch Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche in Betracht, wenn ein zu Unrecht Verdächtigter und Verfolgter massiv in seinem Ruf geschädigt wird, weil über die sozialen Medien nach ihm gefahndet wird.
Kann man trotzdem argumentieren: Solche privaten Fahndungsaufrufe helfen der Polizei, weil sie ihr mögliche Spuren liefern?
RA, FA K. Gulden: Nein. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass die privaten Fahndungsaufrufe mehr Schäden verursachen als dass sie Gutes bringen. Wer der Polizei wirklich helfen will, sollte sich direkt an die Polizei wenden.
Wie hat sich die Zahl solcher privater Fahndungsaufrufe in den letzten Jahren entwickelt? Gibt es da Zahlen?
RA, FA K. Gulden: Mir persönlich sind keine absoluten Zahlen bekannt. Tatsächlich beobachte ich jedoch, dass die privaten Fahndungsaufrufe mittlerweile zum Alltag gehören, wenn es zu Ereignissen kommt, die bundesweites oder auch nur regionales Interesse hervorrufen. Ein Phänomen des digitalen Zeitalters.
Was müsste geschehen, um der Entwicklung Einhalt zu gebieten?
Wir haben die notwendigen Gesetze und Instrumente, um das Phänomen der privaten Fahndungsaufrufe zu regulieren. Polizei und Staatsanwaltschaften können hier aufgrund eines öffentlichen Interesses selbst gegen diese privaten Fahndungsaufrufe vorgehen. Im Übrigen kann ich allen Personen, deren Ruf aufgrund eines privaten Fahndungsaufrufe zerstört wurde nur anraten, die rechtlichen Möglichkeiten auszuloten.
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