Sind Wikipedias Autoren Journalisten und unterliegen demnach der journalistische Sorgfaltspflicht?
- Wikipadia haftet für die eigenen Artikel wie ein journalistisches Medium.
- Wikipedia haftet im Falle von Rufschädigungen als Störerin.
- Nach Kenntnisnahme eines Rechtsverstoßes haftet Wikipedia auf Unterlassung und Schadensersatz.
Wikipedia dürfte mittlerweile die bekannteste Online-Enzyklopädie sein. Wikipedia wird dabei nicht nur von privaten Usern genutzt, sondern immer häufiger auch als Quelle von den Medien zitiert. Diese Vorgehensweise ist mit Vorsicht zu genießen, da man wissen muss, dass die Inhalte, die sich auf Wikipedia finden, in der Regel von privaten Usern erstellt werden und nicht von professionellen Journalisten. Es liegt auf der Hand, dass die privaten User die Inhalte anders aufbereiten, als dies der professionelle Journalist tun würde. Umso weitreichender ist ein aktuelles Urteil des Landgerichts Berlin zu werten. Die Berliner Richter machen keinen Unterschied zwischen den Wikipedia Autoren und professionellen Journalisten. Dies hat weit reichende Folgen für alle, die Wikipedia als Quelle zitieren wollen.
Sind Wikipedias Autoren Journalisten?
Die Online-Enzyklopädie Wikipedia setzt auf die Schwarmintelligenz. Was der eine ehrenamtliche Autor schreibt, wird von anderen Ehrenamtlichen ergänzt und einem Faktencheck unterzogen. Mit diesem Prinzip ist Wikipedia über die Jahre zum größten Online-Lexikon der Welt geworden. „Seit Mai 2001 sind 2.237.120 Artikel in deutscher Sprache entstanden“, teilen die Betreiber auf Ihrer Webseite mit.
Eines der selbst gewählten Grundprinzipien der Seite lautet:
„Wikipedia ist keine Gerüchteküche und keine Plattform für Werbung, Propaganda oder Verschwörungstheorien. Artikel sollen einen neutralen Standpunkt einnehmen.“
Kürzlich ging es vor dem Berliner Landgericht gerade um ein auf Wikipedia verbreitetes Gerücht (Urteil v. 28.08.2018 - Az.: 27 O 12/17). Ein Informatik-Professor soll mit Hilfe deutscher Steuergelder für den US-amerikanischen Geheimdienst tätig gewesen sein. So hatten es Journalisten in einen ARD-Fernsehbericht verbreitet. Die meisten Menschen hätten dem Journalistenbericht wohl geglaubt. So auch der Autor des entsprechenden Wikipedia-Eintrags. Dieser führte den Fernsehbeitrag als Quelle für die Behauptung auf.
Als nun der sich in seinem Ruf geschädigt fühlende Professor verlangte, der Artikel solle entfernt werden, folgte das Gericht seinem Anliegen und ging von der Unwahrheit der strittigen Aussage aus. Der Verweis Wikipedias auf den ARD-Bericht ließ das Gericht nicht als hinreichenden Beleg gelten. Um diese Aussage weiter verbreiten zu dürfen, hätte der Wikipedia-Autor weitere Nachforschungen anstrengen müssen.
Das Bemerkenswerte ist der Maßstab, den das Gericht an diese Verpflichtung geknüpft hat: „Nach den für Presseveröffentlichungen geltenden Grundsätzen sind an die Erfüllung der Recherchierungspflicht sog. pressemäßige Sorgfaltsanforderungen zu stellen“, heißt es im Urteil. Das heißt so viel wie: Die Autoren von Wikipedia sind rechtlich genauso streng zu bewerten wie professionelle Journalisten.
Sollte sich diese Rechtsansicht durchsetzen, hätte Wikipedia es künftig deutlich schwerer, seine Nutzer Content selbst erstellen zu lassen. Um die sogenannte journalistische Sorgfaltspflicht zu erfüllen, hätte der Autor in diesem Fall etwa eine Stellungnahme des Professors einholen müssen. Außerdem hätte er eine „privilegierte“ Quelle heranziehen müssen – eine anerkannte Nachrichtenagentur oder eine Behörde. Abschreiben bei anderen Medien ist kein journalistisches Arbeiten.
Wikipedia musste den Beitrag folglich löschen, da das Portal seiner Pflicht, den Artikel auf seinen Wahrheitsgehalt zu überprüfen, nicht nachgekommen sei. Dies hätte geschehen müssen, sobald Wikipedia von den Zweifeln an der Aussage erfahren habe.
Tipp:
Wikipedia ist sicherlich ein probates Nachschlagewerk, sollte jedoch nicht blind zitiert werden, wenn es um "harte" Fakten geht. Das Haftungsrisiko ist dann einfach zu groß, da nach dieser Entscheidung, Wikipedia nicht zu den "privilegierten Quellen" zählt.
Das Haftungsrisiko bei der Verbreitung von Inhalten lässt sich minimieren, wenn man auf die privilegierten Quellen zurückgreift. Hierunter fallen folgende Institutionen:
- anerkannte Presseagenturen (dpa, AP, REUTERS etc)
- "seriöse" Medien (ARD, ZDF)
- (öffentliche) Gerichtsverhandlungen
- (öffentliche) Parlamentsverhandlungen
- Behördliche Mitteilungen
Wer auf die privilegierten Quellen zurückgreift, erfüllt zumindest die presserechtlichen Sorgfaltspflichten eines Journalisten.
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