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Strache Video - War die Veröffentlichung des Strache-Videos durch die Medien zulässig?

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Ein einziges Video hat Österreichs politische Welt kürzlich auf den Kopf gestellt, eine handfeste Staatskrise ausgelöst: Bruch der Koalition, Rücktritt diverser Politiker der politisch rechten und bislang an der Regierung beteiligten FPÖ. Es geht um ein Video, das schon relativ alt ist. Entstanden ist es 2017 noch vor der letzten österreichischen Wahl. So alt das Video auch ist, umso brisanter ist dessen Inhalt.

Aufgenommen mit versteckter Kamera, zeigt das Video zwei ranghohe FPÖ-Politiker, Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus  in einer Ferienvilla auf Ibiza. Mit von der Partie:  die Ehefrau von Gudenus und eine vermeintliche russische Oligarchin. Der Spiegel und die Süddeutsche Zeitung haben lediglich wenige Minuten des Videos veröffentlicht, jene mit der meisten politischen Sprengkraft. Es geht nämlich um viel Geld. FPÖ-Mann Strache – damals noch ohne Regierungsamt – buhlt um Geld der Oligarchin. Es wird überlegt, wie größere Spendensummen am Bundesrechnungshof vorbei manövriert werden könnten – und welche Gegenleistungen möglich wären. Die Oligarchin könnte etwa eine Baufirma gründen und fortan von Strache sämtliche Staatsaufträge erhalten, schlägt dieser vor. Die Kronen-Zeitung solle Sie kaufen, um sie nach dem Vorbild ungarischer Medien linientreu zu machen. Ein paar Journalisten entlassen, einige andere „fördern“. Strache, der nach der Veröffentlichung zügig zurücktritt, nennt diese Äußerungen „peinlich“, ernst nehmen dürfe man sie aber nicht, der Alkohol und die private Atmosphäre hätten zu so einer lockeren Zunge geführt.

Heimliche Aufnahmen

In letzterem Punkt trägt Strache ein Argument ins Feld, dass auch Juristen umtreibt: Durfte die private Konservation in der Ferienvilla heimlich aufgenommen und danach auch noch veröffentlicht werden? Bei der rechtlichen Einordnung müssen zunächst diese beiden Ebenen strikt getrennt werden.

201a StGB Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen sowie 201 StGB Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes

Wer das Video gefilmt hat, ist weiter unklar. Es wurde den deutschen Medien zugespielt, die den Urheber nun schützen. Dieser Unbekannte könnte sich durch die Aufnahme gem. § 201a StGB strafbar gemacht haben, sofern zumindest Sequenzen in den „höchstpersönlichen Lebensbereich“ der Anwesenden eingreifen. Das politische Gespräch dürfte diese Schwelle noch nicht überschreiten, andere, nicht veröffentlichte Szenen könnten jedoch auch intime Gesprächsinhalte dokumentieren. Insoweit wäre schon die reine Aufnahme strafbar gewesen sein. Auch datenschutzrechtlich stellt das Filmen eine rechtfertigungsbedürftige  Verarbeitung personenbezogener Daten dar.  Die Ausnahmen des Landespressegesetzes, die über die medienspezifische Öffnungsklausel in Art. 85 DSGVO möglich sind, greifen nur für professionelle Journalisten. Die Datenschutzaufsichtsbehörden könnten neben der Staatsanwaltschaft also gegen den Urheber vorgehen, wenn kein Rechtfertigungsgrund aus Art. 6 DSGVO vorliegt.  In diese Richtung hat sich bereits der Datenschutzbeauftragte des Landes Baden-Württembergs geäußert, der in diesem Fall jedoch nicht zuständig ist.

Der Spiegel und die Süddeutsche haben das Video jedoch nur veröffentlicht. Dass die Aufnahmen möglicherweise rechtswidrig entstanden sind, hindert Medien allerdings rechtlich nicht grundsätzlich daran, diese zu veröffentlichen. So sehen es die höchsten Gerichte Deutschlands seit Jahren.

Erst kürzlich bestätigte der Bundesgerichtshof seine Grundsätze dazu (Urteil vom 10. April 2018 - VI ZR 396/16 (Tierschutz-Aktivist)).

Eine Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes kommt ebenfalls für die Hersteller des Videos in Betracht, sofern sie unbefugt die Aufnahmen des gesprochenen Wortes angefertigt haben, § 201 Absatz 1 Nr.1 StGB. Für die Medien wäre die Variante Nr.2 derselben Norm einschlägig. Allerdings lässt vorliegend der Satz 2 des § 201 Absatz 2 StGB die Strafbarkeit entfallen, da die "öffentliche Mitteilung zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen gemacht" wurde. Es handelt sich um die Publikation eines Staatsskandals.

Presse als "Wachhund der Öffentlichkeit"

Demnach ist die Veröffentlichung rechtswidrig beschaffter oder erlangter Informationen vom Schutz der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) umfasst. Andernfalls, so die Richter, würde die Funktion der Presse als "Wachhund der Öffentlichkeit" beeinträchtigt, zu der es gehört, auf Missstände von öffentlicher Bedeutung hinzuweisen: Das Grundrecht würde von vorneherein in Fällen entfallen, in denen es seiner bedarf, argumentieren die Juristen.

Streng sind die Maßstäbe, wenn ein Journalist selbst gegen die Rechtsordnung verstößt, um an Informationen zu gelangen. Die widerrechtliche Verschaffung von Informationen durch Täuschung durch den Publizierenden, in der Absicht, sie gegen Getäuschten zu verwerten hat nach der Rechtsprechung grundsätzlich zu unterbleiben (BVerfGE 66, 116 – Springer/Wallraff).

Wenn allerdings die Bedeutung der Information für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und für die öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile - Rechtsbruch für den Betroffenen und die Geltung der Rechtsordnung – überwiegt, ist selbst hier eine Veröffentlichung zulässig.

Geht es aber wie im Fall Strache „nur“ um die Veröffentlichung zugespielten Materials, sind die Maßstäbe anders. Es „bedarf einer umfassenden Güterabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, wobei auch die Art der Informationsbeschaffung nicht außer Betracht bleiben darf“. Die Faustregel der Richter zum Bewerten eines Falls: „Es macht einen großen Unterschied im Unrechtsgehalt, ob der Publizierende sich die Information widerrechtlich in der Absicht verschafft, sie gegen den Betroffenen zu verwerten, oder ob er aus dem erkannten Rechtsbruch lediglich Nutzen zieht“ (Urteil vom 10. April 2018 - VI ZR 396/16).

Ergebnis: Spiegel und SZ verhalten sich legal

Letztendlich läuft es also auf eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und dem Persönlichkeitsschutz des Herrn Strache und der anderen Anwesenden hinaus. Angesichts der gravierenden Aussagen im Video – Strafrechtler prüfen bereits, ob der Straftatbestand der Korruption erfüllt ist – muss die Abwägung in diesem Fall klar zu Gunsten der Medien ausgehen. Dafür spricht unter anderem auch, dass sich Spiegel und Süddeutsche bewusst dagegen entschieden haben, das vollständige Video zu veröffentlichen, sondern sich nur auf die brisantesten Minuten beschränkt haben. Während man die Rechtmäßigkeit des heimlichen Filmens durchaus in Zweifel ziehen kann (s.o.), war die journalistisch aufgearbeitete Veröffentlichung einiger Minuten des Videos zulässig und mit Blick auf die Journalistische Kontrollfunktion auch geboten.

Ansprechpartner

Karsten Gulden
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht LL.M. und Mediator

Karsten Gulden ist Rechtsanwalt & Mediator; Mitgründer und Gesellschafter der Kanzlei gulden röttger rechtsanwälte, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht seit 2009, Wahlfachprüfer beim Justizministerium Mainz/Rheinland-Pfalz und Mitglied im NetzDG-Prüfausschuss der FSM.
Zudem ist er ein Familienmensch, der das Klettern, die Berge & das Campen liebt. Die meiste freie Zeit verbringt er mit der Familie & den Pferden in freier Natur.

[email protected]
+49-6131-240950

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