Ein Facebook-Nutzer hatte auf der Fanpage des Bayerischen Rundfunks (BR) durch Äußerungen mehrfach gegen die vom BR gesetzte „Netiquette“ verstoßen.
Die Administratoren schlossen ihn daraufhin von der Kommentarfunktion auf den Facebook-Seiten „BR24“ und „Das Erste“ aus. Nachdem er vor dem Verwaltungsgericht auf Aufhebung des Ausschlusses geklagt hatte, entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof nun abschließend.
Argumente der Parteien
Der Facebook-Nutzer begründete seine Klage mit einem Verstoß gegen die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit, da der Sender unliebsame Meinungen und Personen sperre. Er bestritt, andere Personen beleidigt zu haben und führte an, dass eine dauerhafte Sperre ohne Vorwarnung unverhältnismäßig sei.
Der Bayerische Rundfunk als Beklagte hielt dagegen, es gebe keinen Rechtsanspruch auf Freischaltung zur Kommentierungsfunktion bei Facebook. Den Kläger von Kommentierungen auszuschließen sei dadurch gerechtfertigt gewesen, dass dieser mehrfach andere User beleidigt habe und es dem BR nicht zuzumuten sei, solche Kommentare zu veröffentlichen, veröffentlichen zu lassen oder auch nur zu riskieren, dass ähnliche Kommentare künftig wieder vom Kläger gepostet würden. Schließlich handele es sich keineswegs um eine lebenslange Sperre. Der Kläger sei eingeladen, die Sache aus der Welt zu schaffen.
Entscheidung und Begründung des Gerichts
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschied im Ergebnis zugunsten des Senders. Zwar hätten alle Nutzer gleichermaßen einen Anspruch auf Zulassung zur Kommentarfunktion und ein Verweis auf die Netiquette als „Quasi-Benutzungsordnung“ könne nicht einen sofortigen Ausschluss rechtfertigen. Vorliegend sei der Ausschluss des Klägers aber sachlich gerechtfertigt, denn der Kläger habe mit seinen Kommentaren mehrfach den Tatbestand der Beleidigung erfüllt und somit Rechte anderer User verletzt. Außerdem habe er den Diskussionsverlauf bewusst und nachhaltig gestört. Da es sich bei den Äußerungen um Formalbeleidigungen und Schmähkritik handele, sei die Meinungsfreiheit nicht betroffen.
Außerdem wurde festgestellt, dass das virtuelle Hausrecht zumindest dann ausgeübt werden dürfe, wenn der Nutzer mehrfache beleidigende Äußerungen getätigt habe. Es sei dann für den Betreiber der Seite nicht zumutbar, sich jeweils erst den Kontext genau anzusehen und die strafrechtliche Relevanz aller Aussagen abschließend zu bewerten. Wenn das Verhalten des Nutzers derart offenkundig beleidigend sei, müsse der Betreiber weitere Äußerungen des Nutzers nicht dulden.
Bedeutung des Urteils und Voraussetzungen der Ausübung des virtuellen Hausrechts
Werden die Grundsätze des Urteils in der Zukunft angewandt, so stärkt dies die Position der Seitenbetreiber. Sie müssten zukünftig in besonders schweren Situationen ausfälligen Verhaltens eines Nutzers nicht erst eine abschließende strafrechtliche Bewertung vornehmen müssen, bevor sie einen Nutzer von der Kommentierungsfunktion ausschließen. Dabei wird auch das Vorverhalten dieses Nutzers auf anderen Social Media-Seiten in Rechnung gestellt werden dürfen.
Allerdings werden auch Nutzer nicht komplett schutzlos gestellt. Werden sie von der Kommentierungsfunktion ausgeschlossen, können sie sich „rehabilitieren“, indem sie die Möglichkeit zur glaubhaften Distanzierung von ihren Äußerungen wahrnehmen. In diesem Fall kann ein Anspruch auf erneute Zugänglichmachung zur Kommentarfunktionen; jedenfalls im Verhältnis zu öffentlich-rechtlichen Sendern, entstehen.
Allgemein kann zum digitalen Hausrecht festgehalten werden, dass es aus den Rechtsgrundlagen des analogen Hausrechts hergeleitet wird. Diese finden sich in §§ 903, 1004 BGB, wenn der Betreiber der Webseite zugleich der Eigentümer der technischen Einrichtung ist. Wenn der Betreiber dagegen nur Nutzer bzw. Mieter der entsprechenden Technik ist, so soll sich das Hausrecht jedenfalls aus den Besitzschutzrechten der §§ 858, 862 BGB ergeben (so das LG München I, Urteil vom 25.10.2006, Az. 30 O 11973/05).
Der Inhalt des Hausrechts wird durch die AGB („Netiquette“) des Betreibers bestimmt. Erforderlich ist, dass der Nutzer diesen zugestimmt hat und die enthaltenen Klauseln ihn nicht unangemessen benachteiligen.
Nach Ansicht des OLG Köln (Beschluss vom 25.8.2000, Az. 19 U 2/00) kann ein virtuelles Hausrecht dem Betreiber einer Webseite jedoch auch dann zustehen, wenn er es vorab nicht ausdrücklich geregelt hat. Dessen Inhalt, Umfang und Grenzen sind allerdings unklar.
Für die konkrete Ausübung des Hausrechts gibt es zwar vereinzelte Rechtsprechung, die den Portalbetreibern erlaubt, willkürlich einzelne Personen ohne Angabe von Gründen von der Nutzung ihres Portals auszuschließen. Dagegen sprechen aber das eben dargestellte Urteil - wobei die verwaltungsrechtlichen Besonderheiten eines öffentlich-rechtlichen Senders zu berücksichtigen sind - und andere Urteile, nach denen derjenige, der sein Portal grundsätzlich und potentiell für alle Internetnutzer öffnet (und von vorneherein nicht etwa nur für Familie und Freunde), auf Diskriminierungen und Willkür verzichten und daher allen redlichen Nutzern die Nutzung gestatten muss. (in diese Richtung bereits das LG Bonn, Urteil vom 16.11.1999, Az. 10 O 457/99). Erforderlich zur Ausübung des digitalen Hausrechts sind also sachlich rechtfertigende Gründe, die bestenfalls schon in den AGB präzise geregelt sind.
In der Praxis werden sich bei der dauerhaften Umsetzung eines ausgesprochenen „Hausverbots“ Probleme ergeben können. Das Löschen einzelner Beiträge wird für den Betreiber noch kein Problem darstellen. Auch der Ausschluss eines bestimmten Nutzerkontos ist ohne weiteres denkbar. Verwendet die „hinausgeworfene“ Person aber verschiedene Pseudonyme oder Konten ist sie in der Lage die rechtsverletzende Äußerung immer wieder zu tätigen. Auch eine technische Identifizierung einer Person durch die IP-Adresse ist aufgrund ihrer Dynamik und der Verwendung mehrerer Geräte nicht vollends möglich.
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