Unterlassung von Presseberichterstattungen im Zusammenhang mit laufenden strafrechtlichen Gerichtsverfahren und Ermittlungsverfahren
In einem aktuellen Verfahren unserer Kanzlei, welches zwei Instanzen durchlief, ging es im Rahmen einer einstweiligen Verfügung um die Unterlassung von Presseberichterstattungen im Zusammenhang mit laufenden strafrechtlichen Gerichtsverfahren und Ermittlungsverfahren.
Strafrechtliche Verurteilung
Unsere Mandantin ist Verlegerin einer Tageszeitung. Gegenstand des Verfahrens ist ein Artikel zu Kommunalwahlen, der von unserer Mandantin veröffentlicht wurde. In dem Beitrag wurden u.a. zwei Kandidaten und deren Verwandschaftsverhältnis zu einem Bauunternehmer dargestellt, der kürzlich strafrechtlich verurteilt wurde. Auch die Verurteilung wurde in dem Beitrag erwähnt, allerdings ohne den Zusatz, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig sei. Hiervon erfuhr unsere Mandantin erst durch die folgende Abmahnung des Bauunternehmers. Er sah sich durch die Berichterstattung in seinen Rechten verletzt und mahnte den Verlag ab.
fehlender Hinweis auf Rechtskraft
Daraufhin fügte unsere Mandantin in dem Online-Artikel den Zusatz „Der Unternehmer hat gegen das Urteil Berufung eingelegt, es ist damit noch nicht rechtskräftig“ hinzu. Im sogenannten E-Paper wurde der Bericht vollständig geschwärzt. Eine Unterlassungserklärung hat unsere Mandantin nicht abgegeben. Wir sahen keinen Anlass hierzu und betrachteten den Fall als erledigt.
Der Bauunternehmer trug vor, der streitgegenständliche Artikel begründe einen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung, weil er, der Antragsteller, Berufung eingelegt habe. Des Weiteren handele es sich um eine unzulässige identifizierende Berichterstattung, da er identifizierbar sei.
Er war zudem der Ansicht, aufgrund der nicht abgegebenen Unterlassungserklärung bestehe hinsichtlich des fehlenden Zusatzes, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig sei, weiterhin eine Wiederholungsgefahr. Auch die erforderliche Eilbedürftigkeit sei gegeben.
identifizierende Berichterstattung
Das Landgericht Kaiserslautern hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller keinen Unterlassungsanspruch habe. Zwar greife die Berichterstattung über die nicht rechtskräftige Verurteilung des Antragstellers in den Schutzbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein. Auch könne dahinstehen, ob eine identifizierende Berichterstattung vorliege, da eine solche zulässig sei. Ein öffentliches Berichterstattungsinteresse läge vor, welches die Interessen des Bauunternehmers überwiege.
Der Fall landete vor dem OLG. Das OLG sah auch keinen Verfügungsgrund.
OLG mit klarer Entscheidung
Das Pfälzische Oberlandesgericht bestätigte die zurückweisende Entscheidung des Landgerichts Kaiserslautern nicht nur, sondern bekräftigte diese noch hinsichtlich der fehlenden Eilbedüftgikeit. So sah das OLG keine Eilbedürftigkeit für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, da mehr als fünf Wochen ins Land gingen zwischen der Publikation des Berichts und der Antragstellung:
Die mit Pressesachen in Hamburg befassten Spruchkörper gehen in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Dringlichkeit im Sinne dieser Vorschrift bei Angriffen gegen massenmedial verbreitete Äußerungen grundsätzlich jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn zwischen der Kenntnisnahme des jeweiligen Beitrags durch den Antragsteller und der Antragstellung nicht mehr als fünf Wochen liegen.
Da der Antragsteller jedoch keinen weiteren substantiierten Vortrag glaubhaft machte, der eine gegenteilige Annahme rechtfertigen würde, wurde die Dringlichkeit verneint.
Keine Vorverurteilung
Das OLG sah in der Berichterstatung auch keine Vorverurteilung des Bauunternehmers, da sachlich, wahrheitsgemäß und ausgewogen berichtet wurde.
Berichterstattung über Verwandschaftsverhältnisse von Wahlkandidaten
Kein Problem diesht das OLG zudem in der Tatsache, dass in dem Beitrag die Verwandtschaftsverhältnisse der Wahlkandidaten zu dem Bauunternehmer offenlegten:
Es gehört gerade zu den Aufgaben der Presse, in Zusammenhang mit derartigen demokratischen Prozessen zu berichten. Hierzu gehört auch die Berichterstattung über den Hintergrund der Kandidaten, insbesondere deren verwandtschaftliche Beziehungen, da diese möglicherweise Einfluss auf zukünftige Entscheidungen der Kandidaten haben könnten
Der Fall zeigt, dass nicht jede identifizierende Berichterstattung zu einem Rechtsverstoß führt.
Auch stellt das Gericht klar, dass Eilverfahren eilig durchzuführen sind.
Zudem dürfte nun auch klar sein, dass es keine Pflicht der Presse gibt stets nachzuforschen, ob ein Urteil oder eine Entscheidung rechtskräftig sind.
Dennoch empfehle ich, bereits publizierte Berichte dahingehend zu ergänzen, wenn der Betroffene der Berichterstattung einen entsprechenden Hinweis gibt.
Selbstwiderlegung der Dringlichkeit
Das OLG entschied zudem, dass der Antragsteller die für den Erlass einer einstweiligen Verfügung notwendige Dringlichkeit selbst widerlegt, wenn zwischen der Kenntnisnahme der Äußerung und der Antragstellung mehrere Wochen vergehen, ohne dass Gründe für die Fristüberschreitung geltend gemacht werden.
4 W 23/232 O (OLG Zweibrücken)
AfP 1/2024 S. 62
504/23 LG Kaiserslautern
Ein Zusammenfassung zum Beschluss des LG Kaiserslautern findet sich in der aktuellen AfP
RECHTSPRECHUNG
Zulässige Berichterstattung über nicht rechtskräftige Verurteilung
LG Kaiserslautern vom 11.08.2023 - 2 O 504/23
AfP 2023, 449
AFP0059769
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