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Hotel im Wald am Bergrand

Bewusst unvollständige Berichterstattung

Falsche Berichterstattungen über Preisentwicklungen in der Tourismusbranche und in Urlaubsorten

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Die Corona-Beschränkungen werden dieser Tage vielerorts gelockert. Am 15. Juni läuft die Reisewarnung der Bundesregierung für EU-Staaten aus. Der bereits abgeschriebene Sommerurlaub im Ausland wird wohl nun in einigen Nachbarländern doch möglich sein. Für 160 Länder außerhalb der EU will die Regierung die Warnung bis zum 31. August verlängern, berichtet die Tagesschau. Eine Umfrage von infratest dimap im Auftrag von „ARD Extra“ ergab im Mai, dass die meisten Deutschen im Sommer im eigenen Land verreisen oder ganz zu Hause bleiben wollen. Die Nachfrage nach Unterkünften ist in Deutschland deutlich gestiegen.

Heißt das, Urlaub in Deutschland wird teurer?
Sind die Unterkünfte in den deutschen Urlaubsregionen seit Corona teurer geworden?

Der Sommerurlaub im eigenen Land ist dieses Jahr überwiegend teurer als 2019, berichtet jedenfalls RTL. Der Sender beruft sich dabei auf eine Auswertung des Buchungssystembetreibers "Traffics". Hotelpreise in Berlin würden um 33%, in Hannover um 10% und in Friedrichshafen sogar um 39% steigen, heißt es. In Frankfurt, Kiel oder Nürnberg werde der Urlaub hingegen deutlich günstiger. Genauere Angaben zur Methodik enthält der Artikel nicht.

Mit Blick auf Ferienwohnungen sagte ein Sprecher der Suchmaschine „Hometogo“ in einem Interview mit „Reisereporter“: „Eine aktive Preiserhöhung durch die Gastgeber der Ferienunterkünfte können wir nicht beobachten“. Vielmehr seien günstige Angebote schneller ausgebucht. Nutzer fänden nur noch teurere Angebote in den Suchergebnissen. Die Preise für Ferienunterkünfte in Deutschland bewegten sich auf einem ähnlichen Niveau wie im vergangenen Jahr.

Ob dieses Phänomen in der RTL-Auswertung berücksichtigt wurde und die Hotelpreise in Berlin auch nur scheinbar um 33 % gestiegen sind, weil die günstigen Angebote schon ausgebucht waren, lässt sich in diesem Einzelfall ohne weitere Recherche nicht sagen.

Fest steht aber: Bei Zahlen zu Preisveränderungen ist immer Vorsicht geboten. Ohne die richtige Einordnung entsteht schnell ein falsches Bild für Mediennutzer. Für Anbieter im Tourismus ist hier eine unsaubere Recherche schlicht geschäftsschädigend. Das Einhalten der journalistischen Sorgfaltspflichten ist hier wichtiger denn je.

Das sind die journalistischen Sorgfaltspflichten bei der Urlaubsberichterstattung

Hier geht es um die Pflicht der Medien Nachrichten und Behauptungen auf Wahrheitsgehalt und Herkunft überprüfen. Da „die Wahrheit“ fast nie zu 100 Prozent ermittelbar ist, ist es Journalisten erlaubt, über gut belegte Vermutungen zu berichten. Bei Unklarheiten gelten die sogenannten Grundsätze der Verdachtsberichterstattung. Ganz allgemein verlangt das Recht ein „redliches Bemühen um die Wahrheit“ (§ 7 II LMG; § 823 I BGB iVm. § 276 II BGB). Diese Herangehensweise fordert auch der Pressekodex ein.

Wie viel Aufwand zu betreiben ist, ist stets eine Abwägungsfrage im Einzelfall („nach den Umständen gebotene Sorgfalt“). Je eher und je intensiver eine Veröffentlichung Persönlichkeitsrechte verletzt, umso höher sind die Anforderungen an die journalistische Sorgfalt. Art und Grad des öffentlichen Interesses sind der Gegenpol in der Abwägung.

Pflicht zur Vollständigkeit: Auf den Kontext kommt es an

Ganz zentral kommt es häufig auf die Pflicht zur Vollständigkeit an. Denn der Aussagegehalt einer Information kann sich durch Weglassen von Tatsachen ganz wesentlich verändern. Es entsteht eine unzulässige unwahre Tatsachenbehauptung.

Unwahre Tatsachenbehauptungen über Preisentwicklungen

So auch bei Berichten über Preisentwicklungen im Tourismusbereich während der Corona-Pandemie. Der oben erwähnte Anbieter der Ferienhaus-Suchmaschine Hometogo analysierte im April 350.000 Preisdaten und kam zu dem Ergebnis, dass Ferienunterkünfte im Schnitt zehn Prozent teurer geworden seien. Besonders extrem die angebliche Preissteigerung einer Nordseeinsel mit einem Plus von knapp 90 Prozent, dahinter eine weitere Insel mit 70 Prozent höheren Preisen. Diese Aussage übernahm unter anderem die Rheinische Post, ohne die Zahlen einzuordnen. „Preise für Ferienhäuser in Deutschland steigen deutlich“, titelte die Zeitung. Das lässt sich anhand der genannten Analyse aber nicht belegen und steht im Widerspruch des Urhebers der Studie selbst (siehe Zitat weiter oben). Eine derartige unvollständige Berichterstattung ist unzulässig. Nicht weil die Zahlen falsch sind, sondern weil die Einordnung und Konkretisierung fehlte. Denn die Intention der Studie war es, mitzuteilen, wie viel höher die Durchschnittspreise bei einer Buchung die jetzt stattfindet wäre, als bei einer Buchung im Januar.

Nach anwaltlicher Intervention durch unsere Kanzlei wurde die Pressemitteilung dahingehend ergänzt.

Ein gutes Beispiel für seriöse Berichterstattung über diese Zahlen liefert hingegen ein Artikel von „Reisereporter“. Die Journalistin nennt die Zahlen, erklärt aber sodann, dass der Durchschnittspreis daraus ergibt, dass günstigere Unterkünfte ausgebucht waren. „Das war beispielsweise bei zwei Inseln der Fall“, schreibt sie: „Dort waren im zweiten Betrachtungszeitraum jeweils weniger als fünf Unterkünfte verfügbar“. Der Bericht der Rheinischen Post suggeriert hingegen, dass Vermieter die Preise exorbitant angehoben hätten.

Bewusst unvollständige Berichterstattung über Preisentwicklungen

Im Ergebnis unterscheidet es sich oft nicht, ob eine Berichterstattung unvollständig ist oder unmittelbar eine unwahre Tatsachenbehauptung getroffen wird. Sollte die ursprüngliche Pressemitteilung zu den Zahlen seitens Hometogo kryptisch formuliert gewesen sein, hätten die Journalisten nachfragen müssen. Sollte der Kontext aber erläutert worden sein, verstößt dessen Weglassen umso stärker gegen die journalistische Sorgfaltspflicht.

Empfohlene presserechtliche Vorgehensweise für die Tourismusbranche

Jeder Fall einer Berichterstattung ist anders gelagert. Gerade, wenn Zahlen ein falsches Bild vermitteln, ist eine rechtliche Überprüfung des Sachverhaltes durch einen Rechtsanwalt für Presserecht oder Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht empfehlenswert. Dieser kann bewerten, ob die Grenzen der journalistischen Sorgfalt eingehalten wurden und auf Grundlage des Ergebnisses der rechtlichen Überprüfung die weitere Strategie planen.

Hier gibt es immer mehrere Möglichkeiten. Journalisten sind auch nur Menschen, denen Fehler unterlaufen. Bei einem unvollständigen Text sind die allermeisten dankbar für den Hinweis und bereit, ihren Bericht richtigzustellen. Da hilft oft schon ein klärendes Telefongespräch, um auf die Fakten und Rechtslage hinzuweisen.

Fehlt es an der Einsicht, sind in begründeten Fällen eine Abmahnung oder auch eine einstweilige Verfügung denkbar. Dieser rechtliche Weg wird sich in den meisten Fällen vermeiden lassen, wenn zuvor am Telefon konstruktiv Kritik geäußert wurde.

Ansprechpartner

Karsten Gulden
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht LL.M. und Mediator

Karsten Gulden ist Rechtsanwalt & Mediator; Mitgründer und Gesellschafter der Kanzlei gulden röttger rechtsanwälte, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht seit 2009, Wahlfachprüfer beim Justizministerium Mainz/Rheinland-Pfalz und Mitglied im NetzDG-Prüfausschuss der FSM.
Zudem ist er ein Familienmensch, der das Klettern, die Berge & das Campen liebt. Die meiste freie Zeit verbringt er mit der Familie & den Pferden in freier Natur.

[email protected]
+49-6131-240950

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