Die viel beachtete und diskutierte „Jameda-Rechtsprechung“ des BGH gibt in der juristischen Praxis immer wieder Anlass für Streitigkeiten in einschlägigen Verfahren. Dass das nicht immer so sein muss zeigt dieser Beitrag.
Was sind die Jameda Grundsätze?
Als Jameda-Rechtsprechung wurden mehrere BGH-Urteile zu der Bewertungsplattform für Ärzte „Jameda“ bekannt. Dabei drehte es sich regelmäßig um (vermeintlich) rechtswidrige Bewertungen, die der bewertete Arzt gelöscht haben wollte. In diesen Urteilen stellte der BGH mehrere Pflichten des Plattformbetreibers auf und konkretisierte deren Ausgestaltung, wenn es zu rechtswidrigen Bewertungen kommt.
Besonders hervorzuheben sind dabei die Prüf- und Mitwirkungspflichten des Portals – insbesondere die Verpflichtung, beiden Seiten die Möglichkeit der Stellungnahme zum tatsächlichen Geschehen zu geben.
„Jameda-Entscheidungen gelten nur für Jameda“
Der BGH hat die meisten der heute anerkannten für Hostprovider in der Jameda-Rechtsprechung entwickelt. Die Konkretisierung der Pflichten erfolgte meist anhand von Streitigkeiten um Ärztebewertungen auf der Plattform Jameda.
Andere Hostprovider wie Google weisen regelmäßig darauf hin, dass die Grundsätze der Jameda-Rechtsprechung für Google nicht gelten würden, da Google kein Ärztebewertungsportal sei „die Jameda-Grundsätze sind für diesen Fall nicht anwendbar“.
Dabei wird sich regelmäßig auf den Standpunkt gestellt, dass der BGH lediglich für das spezielle Portal Jameda die einschlägigen Urteile gefällt habe und demnach auch nur für dieses Portal verbindliche Pflichten aufgestellt bzw. konkretisiert worden seien.
Richtig an dieser Aussage ist, dass für Jameda bei der Bewertung des Prüfungsumfangs besondere Kriterien herangezogen werden müssen. Konkret also, dass Jameda - im Gegensatz zu anderen Plattformen - bei der Überprüfung der Grundlage der Bewertung mehr zugemutet werden kann. Das ist ua auf das spezielle System von Jameda zurückzuführen, wonach nur angemeldete User Einträge verfassen können und daher natürlich auch schneller und „einfacher“ kontaktiert werden können.
Jedoch unterliegen auch andere Host-Provider strengen Prüfpflichten.
Weder ist es so, dass auf anderen Plattformen ein rechtsfreier Raum herrscht, noch, dass nicht auch andere Host-Provider für Inhalte verantwortlich gemacht werden können.
Die Jameda Rechtsprechung ist prägend für den Bewertungssektor. Allerdings lässt sich weder aus rechtspraktischer noch aus rechtspolitischer Sicht rechtfertigen, die Grundsätze aus der Jameda-Rechtsprechung nur auf Jameda anzuwenden.
Die juristischen Argumente für eine Nichtanwendung der Jameda-Rechtsprechung auf andere Portale sind durchweg wenig haltbar. So spricht selbst der BGH in den einschlägigen Urteilen wörtlich von „Providerpflichten“ und der Verpflichtung von Jameda als „Providerin“. Er stellt in seinen Urteilsbegründungen also gerade regelmäßig für bestimmte Prüfpflichten nicht auf das konkrete Portal ab, sondern knüpft an die Stellung als (Host-) Provider an. Dies ist auch der richtige Ansatz. Denn grundlegende Pflichten müssen für alle Portale gelten. Darüber hinausgehende Anforderungen an Gründlichkeit und Ablauf der konkreten Recherchepflichten sind wiederum portalbezogen.
Gelten die Jameda-Grundsätze also für alle Portale?
Diese Frage ist bislang höchstrichterlich nicht geklärt. Solange dies nicht geschieht, bleibt eine gewisse Rechtsunsicherheit vorhanden.
Es gibt gute Argumente, die dafür sprechen, die Grundsätze – soweit sie verallgemeinerbar sind – auch auf andere Plattformen anzuwenden. Hierfür spricht, dass auch das notice-and-take-down Verfahren ebenso unterschiedslos für alle Hostprovider gilt
Empfehlung an Hostprovider
Bis zu einer endgültigen höchstrichterlichen Klärung der Frage werden wohl noch einige Monate oder Jahre vergehen. Ungeachtet dessen, sollten Hostprovider bereits jetzt alles dafür tun, Rechtsverletzungen effektiv aus der Welt zu schaffen. Dies steigert die Transparenz und Glaubwürdigkeit des Portals.
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