Das Recht auf Vergessen kann bei Plagiatsvorwürfen helfen
Das Recht auf Vergessen findet keine Anwendung, wenn die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung hat
Der Journalist Jochen Zenthöfer darf namentlich über die Plagiatsvorwürfe gegen eine ehemalige Vizepräsidentin der Universität Flensburg berichten. Das entschied kürzlich das Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) - Aktenzeichen: 16 U 210/18.
Konkret ging es in dem Rechtsstreit um einen geplanten Bericht des Journalisten. Der Bericht sollte von Plagiatsvorwürfen gegen Charlotte Gaitanides und deren Versuche, Berichte darüber zu unterbinden, handeln. Der Name der Dame sollte auch genannt werden.
Einstweilige Verfügung wegen Plagiatsvorwurf
Charlotte Gaitanides hatte bereits 2017 eine einstweilige Verfügung gegen Zenthöfer erwirkt, um eine Berichterstattung zu verhindern.
Im Jahr 2018 erließ das LG Frankfurt eine Entscheidung zu Gunsten der Klägerin. Das OLG hob nun die Entscheidung auf.
Bei einem Verstoß hätte dem Journalisten ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten gedroht.
Die Begründung des Gerichts:
„Nach Auffassung des Senats hat die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung des Namens der Autorin dieser wissenschaftlichen Schriften, weil gerade hierin ein besonderer zusätzlicher Informationswert liegt, der ohne die namentliche Nennung nicht berücksichtigt würde."
Ein zentrales Argument der Richter war, dass es wissenschaftlichen Interessen zuwiderlaufe, wenn in wissenschaftlichen Auseinandersetzungen die Namen der Wissenschaftler verschwiegen würden. Dies würde bei Plagiatsvorwürfen zu einer Perpetuierung der Plagiate führen.
Das Gericht weiter:
„Ebenso wie über begründete sachliche Einwände gegen seine veröffentlichten Ausführungen unter namentlichem Bezug auf den Autor berichtet werden darf, muss dies auch für den Verdacht nicht gekennzeichneter Übernahmen von anderen Autoren oder den Verstoß gegen die Regeln wissenschaftlichen Zitierens gelten.“
Auch wenn die Kriterien der strafrechtlichen Verdachtsberichterstattung nicht im selben Maß für Plagiatsvorwürfe gelten könnten, habe sich der Verdacht des Plagiats zwischenzeitlich so verdichtet, dass für eine Verdachtsberichterstattung erforderlichen Belegtatsachen im ausreichenden Umfang vorlägen.
Recht auf Vergessenwerden
Das Recht auf Vergessenwerden helfe der Klägerhin vorliegend nicht, „da ihre Habilitationsschrift noch im wissenschaftlichen Diskurs steht und wieder große Aktualität hat."
VroniPlagWiki
Die Klägerin und Juristin Charlotte Gaitanides hatte an der Goethe-Universität in Frankfurt promoviert und habilitiert. Die Internet-Plattform „VroniPlagWiki" warf ihr vor, bei beiden Arbeiten abgeschrieben zu haben. Dieser Vorwurf ist ungewöhnlich, da ein sogenanntes „Doppelplagiat“ nur äußerst selten ist. Sie ging unter anderem gegen Berichte der Flensburger Zeitung und des Magazins Cicero vor, die ihren Namen im Zusammenhang mit den Plagiatsvorwürfen veröffentlicht hatten. Dies hatte der Journalist, aus dessen Artikel bei Cicero auf Druck der Wissenschaftlerin hin der Name entfernt worden war, zum Anlass für seinen erneuten Bericht genommen.
Das letzte Wort ist in diesem Fall noch nicht gesprochen, denn der Prozess geht in die nächste Instanz: Beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe ist das Verfahren bereits anhängig.
Ausblick zum Recht auf Vergessen bei Plagiatsfällen
Ob den Betroffenen ein Recht auf Vergessen zusteht wird im Einzelfall entschieden, so auch jüngst unser Bundesverfassungsgericht.
Der Zeitablauf ist ein wesentlicher Faktor bei der Entscheidung. Je mehr Zeit ins Land geht, umso geringer ist in der Regel das Interesse der Öffentlichkeit an dem Fall. Das bedeutet, dass Betroffene von Plagiatsvorwürfen nicht ihr Leben lang hinnehmen müssen, dass jeder Suchmaschinennutzer durch die Eingabe des Namens auf den Fall aufmerksam gemacht wird. Im Fall der Frau Gaitanides war die Sache noch zu „frisch“. In einigen Jahren, kann der Fall anders beurteilt werden.
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