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Stellungnahme zur Löschung eines satirischen Tweets über AfD-Wähler

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Stellungnahme zum Beschluss des LG München I – 10 O 7388/19: Rechtswidrige Löschung eines satirischen Tweets über AfD-Wähler

Das Landgericht München I hat am 17.06.2019 in einem Eilverfahren durch Beschluss entschieden, dass die Löschung des Tweets  „Alle AfD-Wähler sollten: - ihren Wahlzettel fotografieren - ihn unterschreiben - Foto auf Insta posten - Wahlzettel danach aufessen" durch das Social-Media-Portal unzulässig war.

Zum Fall

Im Rahmen der Europawahl postete der Antragsteller den obengenannten Tweet,  woraufhin Twitter den Post löschte und den Account mit dem Hinweis sperrte, dass der Account aufgrund des Verstoßes gegen die Twitter-Regeln – insbesondere wegen des Verstoßes gegen die „Regeln zum Veröffentlichen von irrführenden Informationen zu Wahlen“ – vorübergehend nur eingeschränkt funktionsfähig sei. Daraufhin legte der Antragsteller über das Online-Formular Einspruch ein und forderte das Online-Portal anschließend mit einem Schreiben zur Unterlassung und Beseitigung der Maßnahme auf. Eine Reaktion hierauf erfolgte jedoch nicht. 

Satire und Meinungsäußerung

Daraufhin wurde das Landgericht München I angerufen, das in der Löschung des Tweets eine vertragswidrige Nebenpflichtverletzung sah. Der Verfügungsanspruch für den Erlass einer einstweiligen Verfügung ergebe sich aus dem durch die Anmeldung bei Twitter geschlossenen Vertrag i.V.m. § 241 II BGB. Insbesondere werde durch die Löschung des Tweets die nach Art. 5 I Satz 1 GG geschützte Meinungsfreiheit des Antragstellers verletzt. Grundsätzlich sei der Staat dazu verpflichtet, die Grundrechte seiner Bürger zu wahren, doch auch zwischen Privaten entfalteten die Grundrechte eine mittelbare Drittwirkung, sodass Twitter grundsätzlich keine zulässige Meinungsäußerung nach freiem Ermessen entfernen dürfe. Die Online-Plattform versuchte ihr  Vorgehen damit zu rechtfertigen, dass der streitgegenständliche Tweet gegen die eigene „Richtlinie zur Integrität von Wahlen“ verstieße. Der Einzelrichter wertete den Tweet allerdings nicht als „Unterdrückung und Einschüchterung von Wählern“, „Falsche oder irreführende Zugehörigkeit“ oder „irreführende Informationen zur Teilnahme“, sondern sah darin eine satirische Meinungsäußerung, die vor allem durch die Formulierung „Wahlzettel danach aufessen“ gekennzeichnet war.

Auch ein Verfügungsgrund für die Untersagung – hier: Wiederholungsgefahr – sei gegeben, denn der Antragsteller müsse damit rechnen, dass sein Tweet bei einem erneuten Posting ebenfalls unzulässiger Weise gelöscht wird.

Antrag auf Freischaltung des Accounts

Dem Antrag auf Freischaltung des Accounts wurde hingegen zurückgewiesen. Zwar ergebe sich ein Anspruch auf Untersagung der Sperrung auch aus dem geschlossenen Nutzungsvertrag i.V.m. § 241 II BGB. Jedoch bestehe kein Verfügungsgrund und zudem würde eine solche Leistungsverfügung die Entscheidung in der Hauptsache vorwergnehmen. Dies ist nur in Ausnahmefällen zulässig, was dann der Fall sei, „wenn der Antragsteller auf die sofortige Erfüllung so dringend angewiesen wäre, dass er ein ordentliches Verfahren nicht abwartet werden könne, ohne unverhältnismäßig großen, gar irreparablen Schaden zu erleiden.“

Stellungnahme:

Die Entscheidung des Gerichts ist zu begrüßen, stellt jedoch eine Einzelfallentscheidung da, die nicht verallgemeinerungsfähig ist. Betroffene, deren Rechte durch Tweets verletzt werden, sollten sich darüber bewusst sein, dass die Fälle nicht von Juristen überprüft werden, sondern von hausinternen “Sachbearbeitern“, die darüber befinden sollen, ob ein Beitrag beispielsweise satirischen Charakter hat oder eben nicht. Es liegt auf der Hand, dass es hier immer wieder zu Fehlentscheidungen kommen wird, die nicht in Einklang mit unseren Gesetzen zu bringen sind. Dennoch zeigt der Fall auch, dass ein Vorgehen durchaus möglich ist. Egal ob der Gegner Twitter, Facebook, Google oder Amazon heißt. Wir haben die nötigen Gesetze, um die Rechte der Bürger und Unternehmen zu wahren. Die Diensteanbieter sind keine juristische Instanz, sondern lediglich Anbieter und Hoster von Informationen, die vollumfänglich der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegen, da sie auf dem deutschen Hoheitsgebiet Gewinne erwirtschaften.

Ansprechpartner

Karsten Gulden
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht LL.M. und Mediator

Karsten Gulden ist Rechtsanwalt & Mediator; Mitgründer und Gesellschafter der Kanzlei gulden röttger rechtsanwälte, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht seit 2009, Wahlfachprüfer beim Justizministerium Mainz/Rheinland-Pfalz und Mitglied im NetzDG-Prüfausschuss der FSM.
Zudem ist er ein Familienmensch, der das Klettern, die Berge & das Campen liebt. Die meiste freie Zeit verbringt er mit der Familie & den Pferden in freier Natur.

[email protected]
+49-6131-240950

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