Update 3.11.2020: „Stakeholdermobilisierung für pseudonyme Vertrauensinfrastrukturen“
Wie lassen sich Fake-Reviews verhindern?
Nach dem Anschluss der Sektoruntersuchung zu den Nutzerbewertungen fand ein weiteres Fachgespräch mit dem BMWi und dem Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V. am 03.11.2020 statt.
Nun folgte ein weiteres Gespräch mit Experten aus Wissenschaft, Forschung, Handel, Verbraucherschutz, Politik sowie Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht Karsten Gulden LL.M. als Vertreter aus der Rechtsanwaltschaft.
Es wurden die neuesten Erkenntnisse aus dem letzten halben Jahr zusammengetragen und das Thema Fake-Reviews ausführlich diskutiert.
Die automatische Erstellung und der Betrieb von Nachrichten, Bewertungen und anderen Inhalten, die gezielt und flächendeckend den digitalen Raum manipulieren sollen, ist ein großes Problem. Es geht um die Frage, wie man diese Manipulation künftig eindämmen kann. Mehr oder weniger übereinstimmend kann man zu dem Ergebnis, dass staatliche Regulierungen unumgänglich sind.
Meine Position ist, dass wir einen europaweit einheitlichen Rechtsrahmen benötigen, der den Sektor der Online-Rezensionen reguliert.
Es muss allgemeinverbindlich für alle Portale festgelegt werden, wie das Vorgehen ist, wenn eine Bewertung beanstandet wird. Hierzu zählt auch der zeitliche Rahmen, bis wann das Verfahren abgeschlossen sein muss.
Im weiteren wurde darüber diskutiert, ob es möglich ist, sogenannte “authentische Pseudonyme“ einzuführen. Unter einem solchen Pseudonym versteht man die Verifikation eines Nutzers, bevor sich dieser im Internet äußert. Beispielsweise sollte es über den elektronischen Personalausweis und entsprechenden Schnittstellen möglich sein, einen Nutzer zu verifizieren, sodass weitestgehend ausgeschlossen werden kann, dass es zu einem Missbrauch durch Abgabe von falschen Inhalten kommt, so die Annahme.
Meines Erachtens birgt ein solches "verifiziertes Pseudonym" die Gefahr, dass nicht alle User hieran Gefallen finden werden. Das hätte sicherlich zur Folge, dass weniger Bewertungen abgegeben werden. Es wurde aber erkannt, dass bei allen Stakeholdern viele Bewertungen erwünscht sind. Zu den entscheidenden Playern im Bewertungssektor zählen die Plattformen, die Bewertungsautoren, Händler, der Verbraucherschutz, die Hersteller und letzten Endes auch der Staat, der nicht möchte, dass ein Markt des Fälschens und Irreführens ensteht.
Lösungvorschlag: Effektivere Rechtsdurchsetzung gegenüber Vermittlern und mehr Verantwortung für Plattformen
Die Vermittlung von gefakten Bewertungen sollte strafrechtlich sanktioniert werden, da ein solches Vorgehen den gesamten Verbrauchermarkt negative beeinflusst. Bewertungen sind ein Thema, das die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft betrifft. Aus dem gleichen Grunde müssen die Plattformen stäerke in die Verantwortunge genommen werden im Kampf gegen einen Markt der Irreführung und des Täuschens. Ich plädiere hier für einen europaeinheitlichen Rechtsrahmen, der von den Mitgliedstaaten ausgefüllt werden sollte.
Denkbar wäre zudem, neben der Einführung eines regulierenden Rahmens, mE eine Doppeldarstellung der Bewertungen. Die Portale könnten verpflichtet werden, authentische und verifizierte Bewertungen optisch von den nicht verifizierten Bewertungen abzugrenzen. Das kann optisch ganz einfach geschehen, bspw. durch farbliche Unterscheidungen oder ähnliches.
So bekäme der Nutzer auf den ersten Blick einen Überblick und eine weitere Hilfe zur Entscheidungsfindung.
Die Gespräche werden weitergeführt werden. Das Thema wird uns die nächsten beiden Jahre sicherlich weiter beschäftigen. Ich werde weiter berichten.
Im Rahmen der Sektoruntersuchung hatte das Bundeskartellamt ab Dezember 2017 in zwei Ermittlungsrunden zunächst 150 und dann die 36 relevantesten Vergleichsportale aus den Branchen Reisen, Energie, Versicherungen, Telekommunikation und Finanzen befragt. Die Befragungen umfassten die Themenkomplexe Kooperationen zwischen verschiedenen Portalen, Marktabdeckung der einzelnen Portale, Zustandekommen des Rankings der Suchergebnisse, sonstige Faktoren zur Beeinflussung der Auswahl der Verbraucher sowie den Umgang mit Nutzerbewertungen.
Das Bundeskartellamt hat den Abschlussbericht seiner Sektoruntersuchung zu Vergleichsportalen im Internet vorgelegt. Im Mai 2019 hat das Bundeskartellamt dann zudem eine Sektoruntersuchung im Bereich Nutzerbewertungen eingeleitet.
Hier folgt die Stellungnahme zum Konsultationspapier zur Sektoruntersuchung Nutzerbewertungen von Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht LL.M. und Mediator Karsten Gulden.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Stellungnahme zum Konsultationspapier zur Sektoruntersuchung Nutzerbewertungen
- 2 Konkretisierung der Prüfpflichten der Bewertungsportale und Diensteanbieter
- 3 Spezifische Überwachungspflicht für Bewertungsplattformen
- 4 Mindestalter zur Abgabe einer Bewertung
- 5 Filterung von Bewertungen
- 6 Transparenzpflicht
- 7 Art. 7 Absatz 6 UGP-Richtlinie
Stellungnahme zum Konsultationspapier zur Sektoruntersuchung Nutzerbewertungen
Die Sektoruntersuchung des Bundeskartellamts / Bundeswirtschaftsministeriums ist abgeschlossen. Als Rechtsexperte konnte ich unter anderem darlegen, dass die Diensteanbieter stärker in die Pflicht genommen werden sollten, wenn diese alle Bewertungen ungeprüft online stellen.
Wer sich tiefer mit den Onlinerezensionen befassen möchte kann nachfolgend meine kurze Stellungnahme lesen, die ich dem Bundeskartellamt übermittelt habe.
Im Rahmen der Sektoruntersuchung wurden die Nutzerbewertungen aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Portale kamen ebenso zur Sprache wie auch andere Marktteilnehmer.
Es wurde festgestellt, dass es auch in juristischer Hinsicht Handlungsbedarf gibt, da sich ein Markt des Fälschens und Täuschens etabliert hat, der sich mit juristischen Mitteln zumindest eindämmen lassen dürfte.
Nicht authentische Bewertungen stellen eine Irreführung dar und verstoßen unstreitig gegen die verbraucherrechtlichen Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Gefälschte Bewertungen und Fakebewertungen helfen weder den Verbrauchern, noch allen anderen Marktteilnehmern mit Ausnahme der illegalen Anbieter.
Zu begrüßen ist die im März 2019 veröffentlichte deutsche Fassung der Norm DIN ISO 20488 „Kundenbewertungen-Grundsätze und Anforderungen für die Erhebung, Moderation und Veröffentlichung“.
Wir werden Empfehlungen zur Ausgestaltung von Bewertungsprozessen gegeben.
Konkretisierung der Prüfpflichten der Bewertungsportale und Diensteanbieter
Auch die Rechtsprechung ist in den letzten Jahren nicht untätig geblieben und hat dazu beigetragen, ein Prüfverfahren bei Beanstandungen von Bewertungen vorzugeben, dass sich etabliert hat und auch bei den meisten Portalen angekommen zu sein scheint.
Hier wäre eine Konkretisierung der Prüfpflichten wünschenswert.
Insbesondere sollte geklärt werden, ob die Bewertungen für die Dauer der Überprüfung offline gestellt werden müssen, wenn es zu einer Beanstandung kommt.
Zudem sollte geklärt werden, ob die Portalbetreiber die Bewertungen verifizieren müssen, wenn eine anonyme Bewertung ohne Text abgegeben wird und das betroffene Unternehmen oder der Dienstleister bestreitet, dass der Bewerter tatsächlich einmal Kunde oder Patient gewesen ist.
Diese Fragen wurden von der Rechtsprechung und insbesondere auch vom Bundesgerichtshof bisher nicht hinreichend beantwortet.
In den wenigsten Fällen müssen die Portale verklagt werden.
Auf der anderen Seite muss man erkennen, dass insbesondere Anbieter wie Google, Amazon und auch Facebook ihre Macht des Faktischen ausspielen und im Zweifel eher bereit sind, die Beanstander einer Bewertung auf den Klageweg zu verweisen - wohl wissend, dass die meisten Unternehmen diesen Weg aus wirtschaftlichen Gründen nicht gehen.
Hier wäre eine einfachere Rechtsdurchsetzung und kostengünstigere Rechtsdurchsetzung wünschenswert.
Zumindest sollte die zivilrechtliche Überprüfung von Bewertungen einfacher werden. Fakt ist, dass viele Bewerter die Möglichkeit der Anonymität nutzen. So weiß das bewertete Unternehmen oder der bewertete Dienstleister nicht, wer letzten Endes der Verfasser einer Bewertung ist. Dies ist in vielen Fällen rechtens, führt aber zu einer Waffenungleichheit, wenn es zu Rechtsverstößen kommt.
Das Gesetz bietet dahingehend bisher keinen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch.
Liegt also im Rahmen der Bewertung kein Straftatbestand vor, bleibt der Bewertete auf der Strecke.
Hier sollte nachgebessert werden und über die Implementierung eines zivilrechtlichen Auskunftsanspruchs nachgedacht werden, der vorsieht, dass auch bei der Verletzung absoluter Rechte wie dem allgemein Persönlichkeitsrecht ein Auskunftsanspruch zugestanden werden muss.
In Betracht käme eine einfache Klarstellung in § 14 Absatz 3 TMG, dass auch Diensteanbieter auskunftsberechtigt sind, die nicht vom NetzDG erfasst werden. Das NetzDG berechtigt und verpflichtet nur die Anbieter Sozialer Netzwerke.
Vorschlag: neu einzufügender Satz 2:
„Satz 1 gilt auch für Diensteanbieter, die nicht in den Anwendungsbereich des NetzDG fallen.“
Ebenso sollten die Portalbetreiber stärker in die Haftung genommen werden, je nach Ausgestaltung des Bewertungssystems.
Spezifische Überwachungspflicht für Bewertungsplattformen
Begrüßenswert wäre eine spezifische Überwachungspflicht für die Diensteanbieter - und zwar eine proaktive.
Portalbetreiber, die ein offenes Bewertungssystem betreiben, also keinerlei Hürden für die Abgabe einer Bewertung implementieren, sollten bereits mit Abrufbarkeit der Bewertung für mögliche Rechtsverstöße haften.
Portale, die entsprechende Wortfilter, intelligente Algorithmen und manuelle Stichproben durchführen, sollten demgegenüber - wie gehabt - erst mit tatsächlicher Kenntnisnahme eines möglichen Rechtsverstoßes haften (durch Übermittlung des Sachverhaltes durch den betroffenen Bewerteten).
Je mehr die Portale sich selbst einbringen, um einen Missbrauch und eine Täuschung der Verbraucher sicherzustellen, umso mehr können Sie sich enthaften.
Je authentischer die Bewertung, umso geringer die Haftung; ja weniger authentisch die Bewertung umso höher die Haftung.
Die Portalbetreiber sollten künftig im eigenen Interesse folgende Abstufung vornehmen und die Bewertungen entsprechend deklarieren:
- Authentische Bewertungen
- incentivierte Bewertungen
- Bewertungen aus Produkttests
- manipulierte Bewertungen
- nicht authentische Bewertungen
Mindestalter zur Abgabe einer Bewertung
Es sollte darüber nachgedacht werden, das Mindestalter für die Abgabe einer Bewertung gesetzlich zu regeln, da die Abgabe einer Bewertung rechtlich nachteilhaft sein kann.
Vorstellbar wäre hier ein Mindestalter von 16 Jahren.
Filterung von Bewertungen
Die Portale sollten darüber hinaus gesetzlich verpflichtet werden, Wortfilter einzusetzen, die sicherstellen, dass Schimpfworte, Hassreden, Diskriminierungen und explizit sexuelle Inhalte herausgefiltert werden. Die Portalbetreiber dürften hiergegen nichts einzuwenden haben, da dies zum Teil bereits praktiziert wird. Fakt ist aber auch, dass die Untersuchung ergab, dass lediglich 13 % der Portale bisher einen Wortfilter einsetzen. In technischer als auch in rechtlicher Hinsicht dürfte der Einsatz eines solchen Filters keine großen Hürden aufstellen.
Herausgefiltert werden können Formalbeleidigungen, rassistische, sexistische, extremistische Ausdrücke, Informationen, die Rückschlüsse auf die Identität einer Person zulassen (Klarnamen, Telefonnummer, E-Mail-Adresse, Kreditkartendaten und Bankverbindungen), versteckte Werbung, sachfremde Bewertungen (Angaben zum Service oder der Lieferung durch Lieferdienste). Solche Angaben haben keinen Mehrwert für den Nutzer und rücken den Anbieter leicht in ein falsches Licht, da dieser keinen Einfluss auf den Lieferdienst hat.
Transparenzpflicht
Es sollte möglich sein, dass seriöse Bewertungsvermittler bzw. seriöse Produkttester auch zukünftig am Markt tätig sein dürfen. Seriöse Produkttests und die daran anschließenden Bewertungen können durchaus Informationen mit Mehrwert für die Verbraucher liefern.
Allerdings muss man auch hier zugestehen, dass der Verbraucher ein Interesse daran haben kann zu unterscheiden, woher die Bewertung kommt bzw. wie diese zustande gekommen ist.
Aus diesem Grunde sollten die Portale verpflichtet werden, die Bewertungen entsprechend zu unterscheiden und dies transparent zu machen.
Denkbar wäre hier eine Kennzeichnung der Bewertungen, die aus Produkttests hervorgegangen sind.
Auf der anderen Seite sollten authentische Bewertungen auch als solche bezeichnet werden.
Die Portale können dann entscheiden, wie sie die Bewertungen in die Gesamtnote einfließen lassen -müssten dies jedoch transparent machen.
Die Verbraucher können dann selbst entscheiden, wie sie die Glaubwürdigkeit der Gesamtnote dann einschätzen.
Art. 7 Absatz 6 UGP-Richtlinie
Absolut begrüßenswert sind die von der EU-Kommission auf den Weg gebrachten Richtlinien, die den Schutz der Verbraucherrechte stärken sollen „New Deal for Consumers“.
Hervorzuheben ist hier die UGP-Richtlinie (irreführende Unterlassungen) die aktuell vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz in deutsches Recht umgesetzt wird. Die Umsetzung wird weit reichende Auswirkungen für alle Diensteanbieter haben, die Bewertungen für ihre geschäftlichen Zwecke nutzen. Künftig werden sich die Anbieter wettbewerbswidrig verhalten, wenn Sie die Behauptung aufstellen, dass Bewertungen eines Produkts von Verbrauchern stammen, die das Produkt tatsächlich verwendet oder erworben haben, ohne tatsächlich zu überprüfen, ob die Bewertungen wirklich von solchen Verbrauchern stammen, vgl. 23 b Anhang UGP-Richtlinie.
Hier sind die Verbraucherschutzverbände und Organisationen gefordert, durch entsprechende juristische Maßnahmen dafür zu sorgen, dass der Markt entsprechend bereinigt wird.
Faire und authentische Bewertungen: ja! - alles andere: nein!
Produktbewertungen sind die Entscheidungshilfe der Verbraucher in der heutigen Zeit. Eine spezifische Überwachungspflicht der Portalbetreiber kann dazu beitragen, dass der Markt des Täuschens zurückgedrängt wird zugunsten einer authentischen Darstellung von Qualität und Leistung der Produkte und Dienstleistungen. Zur besseren Rechtsdurchsetzung wäre es wünschenswert, wenn den Betroffenen ein zivilrechtlicher Auskunftsanspruch zugestanden würde, um wirtschaftliche Schäden besser kompensieren zu können. Faire und authentische Bewertungen sind erwünscht und hilfreich, für alles andere gibt es keine Daseinsberechtigung.
Kommentar schreiben