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Was darf die Bundeskanzlerin über die AfD sagen?

Was darf die Bundeskanzlerin über die AfD sagen?

Darf die Bundeskanzlerin über die AfD sagen, was sie denkt?
Regierungsmitglieder haben kein Recht auf eine politische Meinungsäußerung.

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Das Bundesverfassungsgericht verhandelt am kommenden Mittwoch über zwei sog. Organstreitverfahren der AfD, die sich gegen die Bundeskanzlerin und auch gegen die Bundesregierung richten, Aktenzeichen: 2 BvE 4/20, 2 BvE 5/20. Die Bundeskanzlerin Merkel hatte sich im letzten Jahr zu der umstrittenen Wahl des Ministerpräsidenten von Thüringen geäußert, der mit den Stimmen der AfD gewählt wurde. Die Bundeskanzlerin befand den Vorgang der Wahl u.a. mit den Worten „kein guter Tag für die Demokratie“ und veröffentlichte diese Äußerungen auf den Internetseiten der Bundesregierung und der Bundeskanzlerin. Die Bundeskanzlerin äußerte sich zu der Wahl des Thüringer Landtags im Rahmen eines Staatsempfangs mit dem Präsidenten der Republik Südafrika wie folgt:

„Meine Damen und Herren, ich hatte dem Präsidenten schon gesagt, dass ich aus innenpolitischen Gründen eine Vorbemerkung machen möchte, und zwar bezogen auf den gestrigen Tag, an dem ein Ministerpräsident in Thüringen gewählt wurde. Die Wahl dieses Ministerpräsidenten war ein einzigartiger Vorgang, der mit einer Grundüberzeugung für die CDU und auch für mich gebrochen hat, dass nämlich keine Mehrheiten mit Hilfe der AfD gewonnen werden sollen. Da dies in der Konstellation, in der im dritten Wahlgang gewählt wurde, absehbar war, muss man sagen, dass dieser Vorgang unverzeihlich ist und deshalb das Ergebnis rückgängig gemacht werden muss. Zumindest gilt für die CDU, dass sich die CDU nicht an einer Regierung unter dem gewählten Ministerpräsidenten beteiligen darf. Es war ein schlechter Tag für die Demokratie.“

Die AfD ist der Auffassung, dass Frau Merkel als Bundeskanzlerin und als Teil der Bundesregierung, die ihr obliegende Pflicht zur Neutralität im politischen Meinungskampf und damit auch das Recht der AfD auf Chancengleichheit der politischen Parteien verletzt habe. Sowohl die Äußerung als auch deren Veröffentlichung sei unzulässig und stelle einen Missbrauch der Amtsautorität von Regierungsmitgliedern dar.

Die Bundesregierung und die Bundeskanzlerin sehen hier keinen Verstoß, da sie nicht in amtlicher Funktion gehandelt habe. Sie richtet sich ausschließlich an die CDU mit ihren Äußerungen. Die Veröffentlichungen seien zudem aus Gründen der Gesamtdokumentation des Staatsempfangs gerechtfertigt gewesen.

Es stellt sich die Frage nach den Äußerungsbefugnissen von Regierungsmitgliedern. Was dürfen Regierungsmitglieder wann und wo sagen und was nicht?

Kein Recht auf politische Meinungsfreiheit von Regierungsmitgliedern

Vorab muss man wissen, dass die Regierung und die Staatsorgane keine Träger von Grundrechten sind, auf die sie sich berufen können. Sie sind Grundrechtsverpflichtete. Das bedeutet: Sie haben kein Recht auf eine politische Meinungsäußerung, sondern sie dürfen nur innerhalb ihrer gesetzlich zugewiesenen Kompetenzen sachlich kommunizieren. Wo keine Kompetenz, da keine Äußerungsbefugnis.

Warum sind Regierungsmitglieder zur Neutralität verpflichtet?

Das Neutralitätsgebot gilt für das Amt, welches die Regierungsmitglieder ausfüllen. Dieses Amt kommt mit staatlichen Mitteln, Möglichkeiten und auch Reichweite im Internet einher, die die Opposition nicht hat.

Daher wäre es unfair, wenn die Regierenden sich diese Mittel zu Nutzen machen, wenn sie Wahlkampf betreiben oder politische Meinungen äußern. Daher hat man bei der Nutzung der offiziellen Website/Facebookseite/Instagram Account die Grenze dann meist mit der bloßen Nutzung überschreiten.

Gleiches gilt für Geldmittel, die dem Amt zustehen. Diese darf ein Politiker nicht verwenden, um andere Parteien oder auch einzelne Politiker zu benachteiligen.
Übrigens: Die Pflicht zur Neutralität und Sachlichkeit gilt auch für Äußerungen von Bürgermeistern.

Auch diese unterliegen einer Amtsbefugnis.

Dass die Person im Amt, losgelöst von ihrem Amt, bestimmte Ansichten vertritt, ist dann auch kein Problem mehr. Vielmehr muss es ihr gestattet sein, Wahlkampf zu betreiben. Denn würde man dies verwehren, dann wäre es wiederum ein Verstoß gegen die Chancengleichheit der regierenden Partei.

Faktisch führt das Neutralitätsgebot für die Regierungsparteien dazu, dass sie mit ihren Vorhaben und Gesetzesentwürfen überzeugen müssen. Dadurch entsteht zwangsläufig eine gewisse Sachlichkeit. Diese dient dann auch dem Wähler, welcher sich so ein Bild über die Arbeit der regierenden Partei machen kann, um sich so seine Meinung zu bilden.

Wie stehen die Chancen der AfD in diesem Fall?

Es ist nicht das erste Mal, dass sich das Bundesverfassungsgericht mit Belangen der AfD befassen muss. Im Jahr 2014 gab es den Fall Manuela Schwesig. Damals wollte die NPD wegen einer Äußerung gegen die Ministerin vorgehen, seinerzeit allerdings ohne Erfolg.

In dem Urteil aus 2014 stellte das BVerfG fest, dass Amtsträger nur dann zur Neutralität verpflichtet sind, wenn sie auch als Amtsträger handeln. Das sei nicht der Fall, wenn private oder parteipolitische Interviews gegeben würden.

In jüngerer Zeit gab es auch ein Organstreitverfahren gegen Horst Seehofer, welches auch von der AFD initiiert wurde. Hier hatte sich Seehofer als Innenminister in einem Interview negativ über die AfD geäußert. Dieses Interview wurde auch auf der Website des Ministeriums veröffentlicht. Letzteres hielt das BVerfG für unzulässig

Im Fall Seehofer ging das BVerfG davon aus, dass aufgrund der Veröffentlichung auf der Website tatsächlich die Amtsträgerschaft und vor allem deren Mittel (die Website) genutzt wurden. Im Fall Schwesig nicht. Diese hatte das Interview nicht auf der Website veröffentlicht und als Parteipolitikerin gesprochen. Nicht als Regierungsbeamtin.

Wie man sieht, kommt es hier auf den Einzelfall an. Handelt es sich Parteipolitik oder Regierungsarbeit? Die Veröffentlichung der Statements auf der Website sprechen vorliegend für die Annahme von Regierungsarbeit. Ebenso wie die Veranstaltung selbst, die Frau Merkel als Regierungschefin besuchte.

Dementsprechend können nur die Grundregeln, die im Fall Schwesig aufgestellt wurden, im jetzigen Fall angewendet werden. Daher hat die letztendliche Einzelfallentscheidung bei Schwesig nur eine „rahmenbildende“ Bedeutung für den jetzigen Fall.

Das Gericht muss nun prüfen, ob die Äußerungen Merkels verfassungsrechtlich zu beanstanden sind und auch deren Veröffentlichung. Wurde die Pflicht zur Neutralität verletzt und die Chancengleichheit der AfD im politischen Meinungskampf geschmälert? Beides ließe sich begründen.

„Staatsorgane sind zur Neutralität verpflichtet und müssen sich zurückhaltend äußern“, sagt Karsten Gulden, Fachanwalt für Medienrecht, im Gespräch mit SWR2. 

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Ansprechpartner

Karsten Gulden
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht LL.M. und Mediator

Karsten Gulden ist Rechtsanwalt & Mediator; Mitgründer und Gesellschafter der Kanzlei gulden röttger rechtsanwälte, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht seit 2009, Wahlfachprüfer beim Justizministerium Mainz/Rheinland-Pfalz und Mitglied im NetzDG-Prüfausschuss der FSM.
Zudem ist er ein Familienmensch, der das Klettern, die Berge & das Campen liebt. Die meiste freie Zeit verbringt er mit der Familie & den Pferden in freier Natur.

[email protected]
+49-6131-240950

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