Die Bundesinnenministerin kommentierte die sogenannten „Corona-Spaziergänge“ kritisch auf Twitter. Einen Bürger störte das und er verlangte Unterlassung der Äußerung – ohne Erfolg. Für das Verwaltungsgericht Berlin war das, was Nancy Faeser von sich gab, rechtlich zulässig.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser auf Twitter
„Ich wiederhole meinen Appell“, schrieb die Bundesinnenministerin Nancy Faeser kürzlich auf Twitter: „Man kann seine Meinung auch kundtun, ohne sich gleichzeitig an vielen Orten zu versammeln“. Ähnlich sprach sie am selben Tag auf einer Pressekonferenz. Sie bezog sich damit auf die zahlreichen als „Spaziergänge“ deklarierten Protestmärsche, mit denen viele Menschen in Deutschland kürzlich gegen Corona-Maßnahmen demonstriert haben.
Dieser Satz reichte für einen besonders kritischen Bürger aus, rechtlich gegen die Ministerin vorzugehen. Sein Vorwurf: Mit der Äußerung verletze Faeser ihn in seinem Versammlungsgrundrecht. Per Eilrechtsschutz wollte er erreichen, dass sie gerichtlich mittels Unterlassungsverfügung verpflichtet würde, die Aussage nicht zu wiederholen.
Privater Account – amtliche Äußerung
Das Verwaltungsgericht Berlin wies den Antrag gleich aus mehreren Gründen ab. Zwar könne sich die Ministerin nicht darauf zurückziehen, sich nur über ihren privaten Twitter-Account geäußert zu haben, denn es bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Ausübung ihres Amtes.
Allerdings sah das Gericht nicht, wo der Antragsteller in seinen Rechten verletzt sein sollte. Er habe nicht ausreichend geltend gemacht, dass ihn die Äußerung in eigenen Rechten beeinträchtige. Und diese sei nicht geeignet, interessierte Bürger von einer Teilnahme an den von ihm tatsächlich veranstalteten Versammlungen abzuhalten und damit deren Wirkung nachhaltig zu beeinflussen. Nicht angesprochen habe die Ministerin die vom Antragsteller angemeldeten und veranstalteten Versammlungen zum Protest gegen die Corona-Maßnahmen. Gemeint gewesen seien nur die ungemeldeten „Spaziergänge“. Und eine solche Protestform plane er überhaupt nicht.
Bloßer Appell ohne inhaltliche Kritik
Das Gericht wies zudem darauf hin, dass es sich bei dem Tweet lediglich um einen unverbindlichen Appell handele. Dieser enthalte keine generelle Abwertung oder Missbilligung von Protesten gegen Corona-Maßnahmen. Und dieser Appell ziele nicht auf die Herabsetzung regierungskritischer Positionen ab.
Rechtlicher Maßstab derartiger Äußerungen ist immer auch der Neutralitätsgrundsatz, dem staatliche Einrichtungen unterliegen. Der Staat soll keine Ressourcen dafür aufwenden dürfen, selbst an der öffentlichen Meinungsbildung mitzuwirken, ist der Gedanke dahinter. Besonders deutlich wird dies, wenn Parteipolitiker von der Opposition in ein Regierungsamt wechseln. Gäbe es keine Beschränkungen, könnten die Politiker die Arbeitskraft und finanziellen Mittel ihrer Ministerien und Behörden für einen unfairen Vorteil im nächsten Wahlkampf nutzen – sei es nur dadurch, dass „kostenlos“ Plakate gedruckt werden.
Kein Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot
Die Äußerung Faesers ist laut VG Berlin aber klar von der Befugnis der Bundesregierung zur Öffentlichkeitsarbeit gedeckt. Der Appell sei auch sachlich. Ziel der Äußerung sei es auch gewesen, die Arbeit der Sicherheitsbehörden zu erleichtern. Für diese ist es nämlich einfacher, wenige große Versammlungen zu sichern, anstatt an vielen Orten gleichzeitig zu sein.
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