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Trump Sperrung auf Twitter zulässig?

Trump Sperrung auf Twitter zulässig?

War die Sperrung des Twitter Accounts von Trump zulässig?
Prüfung aus deutscher Sicht

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  • Twitter hat den Account von Trump dauerhaft gesperrt
  • Die dauerhafte Sperrung des Twitter Accounts von Trump begegnet rechtlichen Bedenken

Twitter hat den Account des US-Präsidenten Donald Trump dauerhaft gesperrt.

Anstiftungen zur Gewalt

Das Risiko „weiterer Anstiftungen zur Gewalt“ solle nach den Ausschreitungen rund um das Kapitol reduziert werden, so Twitter.
Gestützt wurde die Sperre konkret auf zwei Tweets des US-Präsidenten. Trump twitterte über:

"großartigen amerikanischen Patrioten"

denen er 

"gewaltige Stimme"

zugestand.

In einem weiteren Tweet kündigte Trump an, dass er der Amtseinführung Bidens fernbleiben werde.
Aufgrund dieser beiden Tweets sperrte Twitter Trump nunmehr dauerhaft.

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War die Trump Sperre in den Sozialen Netzwerken zulässig?

Trump-Sperrung wohl unzulässig nach deutschem Recht

Wäre Trump ein deutscher Politiker, könnte die dauerhafte Sperrung seines Accounts nach deutschem Recht unzulässig gewesen sein.

Richtlinien und Gemeinschaftsstandards zunächst entscheidend

Entscheidet sich ein Politiker dafür, Twitter als Sprachrohr zu nutzen, so gelten für ihn aufgrund seines öffentlichen Amtes keine Sonderregeln. Weder für offizielle Konten bestimmter Ämter, noch für die privaten Konten von Politikern. Nutzungsbedingungen und Richtlinien der Plattform müssen akzeptiert und befolgt werden.  
In einem Statement von Twitter vom 08. Januar heißt es auszugsweise:

„(…) Wir haben schon vor Jahren klargestellt, dass diese Accounts nicht über unseren Regeln stehen und sie Twitter unter anderem nicht zur Aufstachelung zu Gewalt nutzen dürfen. Wir werden auch weiterhin transparent sein, was unsere Richtlinien und deren Durchsetzung angeht.“  - Statement in englischer Sprache abrufbar unter blog.twitter.com/en_us/topics/company/2020/suspension.html  

Twitter sah in den obigen Postings zu den Ausschreitungen eine Verherrlichung von Gewalt und damit einen Verstoß gegen seine Richtlinie zur Vermeidung gewaltverherrlichender Inhalte.

Die Folge: Sperrung des Kontos, und zuletzt sodann dauerhaft, da die Gefahr weiterer Anstachelungen bestehe, so die Begründung Twitters. Doch neben den eigenen AGB muss Twitter auch die (Grund-) Rechte der Gesperrten Person achten.

Plattformen in der Gestaltung seiner Richtlinien grundsätzlich frei

Soziale Netzwerke wie Twitter, Facebook und Co. haben heutzutage einen hohen Stellenwert. Um dieses Sprachrohr allerdings nutzen zu dürfen, müssen sich auch Politiker den vertraglichen Bedingungen unterwerfen und sich an ihnen messen lassen.

Bei der Gestaltung dieser Bedingungen können sich die Betreiber auf die sog. Vertragsfreiheit / Privatautonomie berufen – also die Freiheit, die Verträge grundsätzlich frei zu gestalten. Es gibt aber Einschränkungen, da auch Twitter als Meinungsmonopolist anzusehen ist.

Twitter hat eine enorme Meinungsmacht, wodurch Twitter Meinungen beschränken und somit auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen kann. In dieser Macht liegt auch die Gefahr, Meinungen zu lenken und diese Macht zu missbrauchen. Hierzu bedarf es daher eines Sicherungsmechanismus, der genau dies verhindert.

Twitter kann sich vorliegend daher nicht allein auf die Privatautonomie berufen, sondern muss auch die Rechte des Gesperrten achten. Beides muss in Einklang gebracht werden. Juristen sprechen dann von der sog. „Praktischen Konkordanz“.

Meinungsfreiheit vs. Vertragsfreiheit
Die Auswirkungen der Grundrechte

Die Meinungsäußerungsfreiheit Trumps und die Vertragsfreiheit Twitters sind vorliegend in Einklang zu bringen.

Zu unterscheiden sind jedoch zunächst 2 Konstellationen:

  • Äußern sich Politiker in der Funktion eines öffentlichen Amtes – so können sie sich nicht auf die Meinungsfreiheit berufen.
    • Bsp.: Offizieller Account der Bundeskanzlerin veröffentlicht Kurzfassung der Regierungserklärung.  

Agiert eine Person im Rahmen eines öffentlichen Amtes, so handelt sie als Teil des Staates. Dieser kann sich nicht auf Grundrechte berufen, weil er selbst Grundrechte gegenüber seinen Bürgern beachten muss.

  • Äußert sich ein Politiker allerdings privat, mit politischem Bezug, so kann er sich auf Grundrechte berufen.
    • Bsp.: Bundesminister äußert sich als Parteivorsitzender zu aktuellen Personalfragen seiner Partei über privates Konto.

Trump äußert sich über seinen privaten Account auch politisch. Man könnte ihm daher mit guten Argumenten die Berufung auf den Grundrechtsschutz versagen. Dann wäre der Fall an dieser Stelle beendet und die Sperrung wäre nicht weiter zu beanstanden. Zu Trumps Gunsten sprechen wir ihm den Schutz der Grundrechte zu, da es eben sein Privataccount ist. Hier wird er geschützt von seinem Recht auf freie Rede. Auch das Informationsinteresse der 80 Millionen Follower seines Accounts ist zu beachten und auch das Informationsinteresse der Allgemeinheit sowie der Presse und Medien an den regelmäßigen Trump-Tweets.

Spielte der Fall in Deutschland, so wäre daher Folgendes zu beachten:

In Deutschland gelten die Grundrechte nicht unmittelbar zwischen dem Nutzer und dem Betreiber des sozialen Mediums. Grundrechte sind Abwehrrechte des Bürgers gegenüber dem Staat, nicht gegenüber Privatpersonen oder Unternehmen.

Dass Grundrechte allerdings in Ausnahmefällen auch zwischen Privatpersonen wirken, nennt man mittelbare Drittwirkung der Grundrechte. Das heißt, dass auch private Unternehmen bei der Gestaltung ihrer Verträge die Wertungen der Grundrechte – also hier z.B. Art.5 Abs.1 GG (Meinungsfreiheit) – beachten müssen. Diese Wertungen gelten sodann ausnahmsweise auch im Verhältnis zwischen Nutzer und Betreiber.

Die Betreiber müssen die Grundrechte allerdings nicht ebenso strikt beachten, wie der Staat. Denn sie können ihrerseits eigene Grundrechte (Schutz des Eigentums / Gewerbebetriebs) und ihre unternehmerische Freiheit in Form der Vertragsfreiheit ins Feld führen. Beide Seiten müssen daher gegeneiner abgewogen werden.

Netzwerkbetreiber, dürfen Regeln über zulässige und unzulässige Äußerungen aufstellen (OLG Dresden, Beschluss vom 8.8.2018 – 4 W 577/18; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28.2.2019 – 6 W 81/18). Nur in „spezifischen Situationen“, also etwa in denen ein Ausschluss von Meinungen als willkürlich anzusehen ist – so sieht das Bundesverfassungsgericht einen grundlegenden Vorrang für die Meinungsfreiheit (BVerfG Beschluss vom 22.5.2019 – 1 BvQ 42/19).

Die Rechtsprechung gesteht sozialen Netzwerken einen großzügigen Spielraum zu. Verstoßen die Richtlinien nicht gegen die Voraussetzungen, die durch die Rechtsprechung aufgestellt wurden – so verletzen sie regelmäßig auch nicht die Meinungsfreiheit der Nutzer.

Verstöße liegen nur dann vor, wenn die Richtlinien willkürlich sind:

„Hieraus folgt, dass eine Sperrung und/oder Löschung nach den Nutzungsbedingungen sich zum einen nicht gegen bestimmte Meinungen richten darf und zum anderen sichergestellt sein muss, dass diese Sanktionen nicht willkürlich festgesetzt und dass Nutzer nicht vorschnell und dauerhaft gesperrt werden.“ - OLG Dresden, Beschluss vom 8.8.2018 – 4 W 577/18.

Zudem muss der Gesperrte vorher angehört werden, die Sperrung muss sachlich begründet werden und dem Gesperrten muss erklärt werden, dass er Rechtsmittel gegen die Sperrung einlegen kann.

Dass Konten nicht vorschnell und dauerhaft gesperrt werden dürfen bezeichnet den sog. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Im Falle von Trump hat Twitter zunächst mildere Mittel genutzt. Die Tweets von Trumps privatem Konto wurden bereits des Öfteren von Twitter als „potenzielle Fake News“ markiert und teilweise nur einzelne Tweets gelöscht.

Aktuell erfolgte  ebenfalls zunächst eine Sperrung von 12 Stunden, die dann dauerhaft ausgeweitet wurde.

Wendet man den Fall von Donald Trump auf das deutsche Recht an, so stellt sich die Frage, ob seine Meinungsfreiheit im konkreten Fall zurücktreten würde, mit der Folge, dass die Sperrung zulässig wäre.

Dies setzt voraus, dass die Sperrung unter allen oben genannten Gesichtspunkten als zulässig anzusehen wäre:

  • Keine Willkür
  • Anhörung Trumps vor der Sperrung
  • Sachliche Begründung der Sperrung
  • Hinweis auf Rechtsmittel gegen die Sperrung

Streiten lässt sich vorliegend über die Frage, ob eine willkürliche Sperrung erfolgte und zudem, ob ein sachlicher Grund für die Sperrung vorlag, vgl. BVerfG – Stadionverbot - Beschluss v. 11.04.2018 – 1 BvR 3080/09 – ECLI:DE:BVerfG:2018:rs20180411.1bvr308009

Erinnern wir uns zurück: Die dauerhafte Sperrung erfolgte, weil Trump von „Patrioten“ sprach und ankündigte, der Amtseinführung Bidens fernbleiben zu wollen. In älteren Tweets rief er dazu auf, den Weg zum Kapitol zu suchen.

Diese Aussagen, die nach Twitters Angaben die Grundlage für die Sperrung darstellen, rechtfertigen keine dauerhafte Sperrung. Die Sperrung erscheint in dieser Konstellation und zu diesem Zeitpunkt willkürlich, da sich Trump seit Jahren in der bekannten Art und Weise äußert.

Eine dauerhafte Sperrung des Trump-Accounts wäre dann sachlich zu begründen und zu rechtfertigen, wenn ohne weitere Deutung feststehen würde, dass jeder Tweet Trumps strafbaren oder anderweitig rechtsverletzenden Inhalt hätte oder ein unmissverständlich menschenverachtender Tweet – ohne jede weitere Auslegung oder Deutung.

Eine ausdrückliche Befehligung zur Gewalt lag nicht vor. Twitter legt die Aussagen zu Ungunsten des Betroffenen aus. Dies wäre zulässig, würde es um eine Unterlassung – die Löschung eines einzelnen Tweets - gehen, nicht jedoch bei dem Ultima Ratio Mittel der dauerhaften Sperrung. Hier muss zu Gunsten des Betroffenen die für ihn positive Auslegung der Tweets die Grundlage für die Entscheidung bilden. Zu Gunsten Trumps könnten die Äußerungen auch so ausgelegt werden, dass er damit alles andere als zu tatsächlich ausgeübter Gewalt aufrufen und animieren wollte.

Die möglichen Rechtsverstöße lassen sich allenfalls konstruiieren.

Nach deutschem Recht könnte er mit seinem Statement zu weiteren Straftraten aufgerufen haben – u.a. Landfriedensbruch (§ 125 StGB). Dies könnte man so auslegen. Das Gegenteil ist ebenso der Fall.

Er hat sich mit den gewaltsamen Protesten solidarisiert und die Teilnehmer durch seine Tweets als „Patrioten“ bezeichnet, sie womöglich ermutigt. Ein Verstoß gegen die Richtlinie zur Vermeidung gewaltverherrlichender Inhalte Twitters läge demnach vor.

Gemäß dieser Richtlinie ist es nicht erlaubt, Gewaltverbrechen sowie Gewalttätigkeiten, die sich gegen Personen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer geschützten Gruppe richten, oder die Gewalttäter selbst, zu verherrlichen, zu bejubeln, zu loben oder zu billigen. Wir definieren Verherrlichung als das Loben, Bejubeln oder Billigen von Aussagen wie „Ich bin froh, dass dies passiert ist“, „Diese Person ist mein Held“, „Ich wünschte, mehr Menschen würden solche Dinge tun “ oder „Ich hoffe, das ermuntert andere zum Handeln“ – Auszug aus der Richtline von Twitter abrufbar unter https://help.twitter.com/de/rules-and-policies/glorification-of-violence. 

Indem er die Personen der Ausschreitungen als „Patrioten“ bezeichnet hat, sah Twitter hierin mindestens eine Billigung der Gewalttaten.

Die Äußerungen, die Präsidentenwahl als nicht-legitim zu bezeichnen können vielmehr als unwahre Tatsachenbehauptungen angesehen werden, sodass hier von vorherein keine Meinung in Frage kommt. Die Richtlinien von Twitter sind auch nicht willkürlich, denn sie richten sich gezielt gegen gewaltsame, gewaltverherrlichende Inhalte oder Hate-Speech. Sie sind also sachlich gerechtfertigt. Diese Tweets hätten möglicherweise gelöscht werden dürfen. Im Falle einer Widerholung wäre auch eine temporäre Sperrung zu begründen.

Zu einer dauerhaften Sperrung des Accounts hätten sie jedoch nicht führen dürfen.

Fazit

Die Sperrung von Trumps Twitter-Account ist moralisch und ethisch zu begründen, juristisch jedoch unglücklich verlaufen. Trump könnte bei Twitter Einspruch einlegen.

So wichtig soziale Medien für die Meinungsbildung sind, so sind sie dennoch private Anbieter mit eigenen unternehmerischen Freiheiten. Ihre Macht auf dem Markt können sie daher im Wege ihrer Nutzungsbedingungen frei entfalten. Sie können deshalb auch Regeln über zulässige Meinungsäußerungen aufstellen – allerdings nicht grenzenlos.

Auch Politiker wie Trump müssen sich an die Regeln sozialer Netzwerke halten, denn für sie gelten keine anderen Regeln als für andere (private) Nutzer. Die Meinungsfreiheit ist nur dann verletzt – und damit die Sperrung rechtswidrig -, wenn die Richtlinien willkürlich bestimmte Meinungen diskriminieren, oder die Sperrung unverhältnismäßig erscheint. Das ist immer eine Einzelfallentscheidung.

Im vorliegenden Fall begegnet die Sperrung in der konkreten Form erheblichen juristischen Bedenken, erscheint zum Zeitpunkt der Sperrung willkürlich und im Ergebnis unverhältnismäßig. Ein milderes Mittel wäre eine zeitlich befristete Sperrung gewesen. Die gegenteilige Rechtsauffassung ist ebenso legitim.

Große soziale Netzwerke müssen sich bei der Gestaltung ihrer Nutzungsbedingungen oder Gemeinschaftsstandards an den Wertungen der Grundrechte messen lassen. Sie können also nicht willkürlich unliebsame Meinungen und Ansichten „verbannen“. Sie haben dennoch einen großen Spielraum, denn sie handeln nicht nur im Interesse ihrer eigenen Freiheiten, sondern auch im Interesse der Nutzer.

Willkürliche Einschränkungen oder Beschränkungen bestimmter Meinungen oder Strömungen, müssen kritisch gesehen werden. Die Einschränkung von Hassrede, Rassismus oder gar Falschmeldungen ist jedoch zulässig und teilweise sogar verpflichtend.

Aktuell liegt übrigens ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung vor, der die Einführung eines sog. Gegenvorstellungsverfahrens enthält und das Beschwerdeverfahren des § 3 NetzDG ergänzt. Damit soll ein sog. Put-Back-Mechanismus eingeführt werden, der einem Nutzer im Falle einer rechtswidrigen Sperrung einfachen und außergerichtlichen Rechtschutz ermöglicht.

Die Möglichkeit eines Einspruchs gegen eine Kontosperrung gibt es bereits jetzt.

Ansprechpartner

Karsten Gulden
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht LL.M. und Mediator

Karsten Gulden ist Rechtsanwalt & Mediator; Mitgründer und Gesellschafter der Kanzlei gulden röttger rechtsanwälte, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht seit 2009, Wahlfachprüfer beim Justizministerium Mainz/Rheinland-Pfalz und Mitglied im NetzDG-Prüfausschuss der FSM.
Zudem ist er ein Familienmensch, der das Klettern, die Berge & das Campen liebt. Die meiste freie Zeit verbringt er mit der Familie & den Pferden in freier Natur.

[email protected]
+49-6131-240950

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