Zum Hauptinhalt springen Zum Seiten-Footer springen
Sänger Xavier Naidoo ein Antisemit?
Medienrecht:

Sänger Xavier Naidoo ein Antisemit?

Sänger Xavier Naidoo darf als Antisemit betitelt werden
Bundesverfassungsgericht kippt Urteil des OLG Nürnberg

Von
Veröffentlicht am
XingLinkedInFacebookTwitterE-Mail

Update vom 23.12.2021: Das Bundesverfassungsgericht hat die Urteile des OLG Nürnberg und des Landgericht Regensburg aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Regensburg zurückverwiesen, BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. November 2021 - 1 BvR 11/20 -, Rn. 1-27.

  • Xavier Naidoo darf damit vorerst als Antisemit bezeichnet werden. Ein abweichendes Urteil des Landgerichts Regensburg ist nicht zu erwarten, da das BVerfG sehr klar formulierte, dass in dem Fall die Meinungsfreiheit der Beschwerdeführerin zu kurz kam
  • Das Persönlichkeitsrecht und die Meinungsfreiheit müssen im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände gegeneinander abgewogen werden
  • wer sich in den öffentlichen Meinungskampf begibt und/oder durch sein Verhalten Anlass zur Gegenkritik gibt, muss auch scharfe, sachbezogene Kritik dulden

„Er ist Antisemit, das ist strukturell nachweisbar“, sagte eine Referentin der Amadeu-Antonio-Stiftung vor einiger Zeit bei einem Vortrag auf einer öffentlichen Veranstaltung in Niederbayern über den Popsänger Xavier Naidoo. Das Oberlandesgericht Nürnberg hat es der Frau nun untersagt, sich erneut so zu äußern: In das Persönlichkeitsrecht des Musikers werde durch diese Aussage erheblich eingegriffen, befanden die Richter in ihrem Urteil (Urt. v. 22.10.2019, Az. 3 U 1523/18). Damit wiesen die Nürnberger Richter die Berufung gegen ein Urteil des Regensburger Landgerichts zurück, welches einen Unterlassungsanspruch des Sängers gegen die Referentin bereits zuvor anerkannt hatte.

Doch wie kam es überhaupt zu dieser Äußerung und warum wurde sie der Referentin verboten?

„Reichsbürger - Verschwörungsideologien mit deutscher Spezifik“

„Reichsbürger – Verschwörungsideologien mit deutscher Spezifik“, lautete der Titel des vor Gericht umstrittenen Vortrags der Referentin der Stiftung, in dem sie auch auf Xavier Naidoo zu sprechen kam. Diesen brachte sie in ihrem Vortrag mit Judenfeindlichkeit in Verbindung und behauptete, in seinen Songtexten würden sich antisemitische Codes und Chiffren wiederfinden.

Um festzustellen, ob diese Aussage in rechtswidriger Weise in Xavier Naidoos allgemeines Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG eingriff, musste das Oberlandesgericht Nürnberg eine Abwägung vornehmen. In äußerungsrechtlichen Fällen stehen sich hier stets mehrere Rechtsgüter gegenüber. Auf der einen Seite – als Schutzgut des Klägers – das allgemeine Persönlichkeitsrecht, auf der anderen Seite die Meinungsfreiheit des oder der Beklagten. Nur, wenn im konkreten Einzelfall das Persönlichkeitsrecht die Meinungsfreiheit „überwiegt“, ist eine Äußerung rechtswidrig und kann verboten werden.

Die Rechtsprechung hat für diese Abwägung über die Jahre verschiedene Leitlinien entwickelt, Gesichtspunkte genannt, die eine Abwägung entscheiden können. Dazu gehört unter anderem der Bekanntheitsgrad einer Person, die Relevanz des Themas für die öffentliche Debatte, aber auch ein Blick auf sein Vorverhalten.

An diesen Kriterien orientierte sich auch das OLG Nürnberg: Ein offener Diskurs über verdeckte antisemitische Tendenzen in der heutigen Gesellschaft seien gerade vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte wichtig, teilte das Gericht mit. Und Xavier Naidoo stelle seine politischen und gesellschaftlichen Ansichten auch öffentlich zur Diskussion. In Interviews habe er sich von Judenhass distanziert und er unterstütze unstreitig Initiativen gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenhass. Auch zu den Texten Naidoos nahmen die Richter Stellung: Die Referentin habe diese in einer bestimmten Weise gedeutet, von der der Musiker sich aber distanziert habe.

Umstritten ist der Sänger schon länger: 2014 trat er bei einer Demonstration der sogenannten „Reichsbürger“ am Tag der Deutschen Einheit als Redner auf. Später betonte er jedoch, mit Reichsbürgern nichts zu tun zu haben.

Stellungnahme
Es gibt ihn – den verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch

Auch dieses Urteil reiht sich nahtlos in die Rechtsprechung zum Persönlichkeitsrecht ein. Es bedarf stets einer umfassenden Prüfung auch der Hintergründe und Begleitumstände, um den jeweiligen Fall sachgerecht zu entscheiden.

Ansprechpartner

Karsten Gulden
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht LL.M. und Mediator

Karsten Gulden ist Rechtsanwalt & Mediator; Mitgründer und Gesellschafter der Kanzlei gulden röttger rechtsanwälte, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht seit 2009, Wahlfachprüfer beim Justizministerium Mainz/Rheinland-Pfalz und Mitglied im NetzDG-Prüfausschuss der FSM.
Zudem ist er ein Familienmensch, der das Klettern, die Berge & das Campen liebt. Die meiste freie Zeit verbringt er mit der Familie & den Pferden in freier Natur.

[email protected]
+49-6131-240950

Kommentar schreiben

* Diese Felder sind erforderlich

Kommentare

Keine Kommentare

Icon XingIcon linkedInIcon E-MailIcon Drucken
gulden röttger rechtsanwälte hat 4,83 von 5 Sternen252 Bewertungen auf ProvenExpert.com