Seit Jahren kämpft die Grünen-Politikerin Renate Künast gerichtlich gegen Beschimpfungen und Hass-Kommentare auf Facebook. Selbst das Bundesverfassungsgericht entschied kürzlich in ihrer Sache. Ihrer Klage gegen ein Falschzitat auf Facebook hat das LG Frankfurt am Main nun stattgegeben.
Künast und Facebook Mutterkonzern Meta
„Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal türkisch lernen!“ – Das soll Renate Künast (Grüne) gesagt haben. Nur so lässt sich jedenfalls ein Meme verstehen, das auf Facebook kursierte. Gesagt hat sie das zwar nie, dennoch ging das Falschzitat viral.
Künast bat den Facebook Mutterkonzern Meta – wie schon in so vielen Fällen - um Löschung des Memes und klagte, als dieses weiterhin online blieb. Mit Erfolg. Denn nicht nur sprach das Landgericht Frankfurt am Main der Politikerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro zu (Aktenzeichen 2-03 O 188/21). Das Gericht gab dem Diensteanbieter auch eine Handlungsanweisung, die über den Fall hinaus große Auswirkungen haben könnte.
Haftung der Plattformen für Kommentare und Beiträge
Wird auf Facebook wie hier das Persönlichkeitsrecht eines Nutzers verletzt, sieht das Telemediengesetz (TMG) vor, dass der Betroffene gegen die Plattform erst einen rechtlichen Anspruch hat, wenn er die Plattform auf den rechtswidrigen Inhalt hingewiesen hat und diese untätig bleibt. Soziale Netzwerke müssen also nicht von sich aus Inhalte auf ihre Rechtmäßigkeit prüfen.
Diese Privilegierung ist einerseits der schieren Masse an Content geschuldet, andererseits dem Umstand, dass es mit dem Urheber des persönlichkeitsrechtverletzenden Inhalts jemanden gibt, gegen den der Betroffene direkt vorgehen kann. Zumindest theoretisch. Denn letzteres hat sich in der Praxis als wenig effektiv erwiesen. Oft scheitert ein Vorgehen gegen Einzelpersonen schon an der nicht feststellbaren Identität – oder der Weigerung Facebooks, diese preiszugeben.
Facebook muss weitere Rechtsverstöße suchen
Vor diesem Hintergrund entschieden nun die Frankfurter Richter, dass es reicht, einmal auf ein Falschzitat hinzuweisen. Der Diensteanbieter muss dann dem Urteil zufolge Varianten mit kerngleichem Inhalt ohne erneuten Hinweis sperren.
Nachdem Renate Künast konkret darauf hingewiesen habe, dass die ihr zugeschriebene Äußerung ein falsches Zitat ist, müsse sie diesen Hinweis nicht für jeden weiteren Rechtsverstoß unter Angabe der URL wiederholen, erklärte die Vorsitzende der Kammer in der Urteilsbegründung. Heißt: Nicht Künast muss das hundertfach verbreitete, falsche Zitat händig suchen, sondern Facebook.
„Denn für die Beklagte (Anmerkung: gemeint Meta) ist unschwer erkennbar, dass es sich bei Varianten mit kerngleichem Inhalt um Falschzitate handelt.“ Und weiter: „Das deutsche Recht mutet jedem Verpflichteten eines Unterlassungsgebots zu, selbst festzustellen, ob in einer Abwandlung das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt und damit kerngleich ist.“
Meta war es nicht gelungen, die Kammer davon zu überzeugen, dass es technisch und wirtschaftlich nicht zumutbar sei, ohne konkrete Bezeichnung der URL identische und ähnliche Memes zu erkennen.
Einsatz von Menschen zur Überprüfung von Rechtsverletzungen zumutbar
Die Frankfurter Richter hielten es außerdem für zumutbar, dass zur Beurteilung eines abgewandelten Textes in einem Eintrag eine menschliche, nicht automatisierte Entscheidung notwendig wird. Gerade dieser Zusatz dürfte Meta am wenigsten gefallen, einem Unternehmen, dass wo nur irgend möglich auf Algorithmen statt Mitarbeiter setzt.
Dass die Kammer ganz auf Seiten der Politikerin stand, machte sie spätestens mit dieser Aussage deutlich: „Die Glaubwürdigkeit ist das Kapital eines jeden Menschen, besonders einer Politikerin. Diese Glaubwürdigkeit wird durch das Zuschreiben von Falschzitaten beschädigt. Dies ist ehrenrührig und beeinträchtigt das Persönlichkeitsrecht der Falschzitierten. Falschzitate verzerren auch den Meinungskampf und sie schaden der Allgemeinheit.“
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Wir gehen davon aus, dass Meta/Facebook Rechtsmittel einlegen wird, um eine Ausweitung der Haftung für Rechtsverstöße zu verhindern.
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