Am 14. November 2019 entscheidet der Bundesgerichtshof darüber, ob den Anbieter eines auf der Online-Handelsplattform Amazon angebotenen Produkts für Bewertungen des Produkts durch Kunden eine wettbewerbsrechtliche Haftung trifft.
zu Eigen machen von Bewertungen
Das oberste deutsche Zivilgericht soll dabei klären, inwiefern ein Anbieter bei Amazon sich die Kundenbewertungen zu eigenen macht. Konkret geht es um das von Amazon verwendete Bewertungssystem, wonach einem bestimmten Produkt anhand des EAN-Codes (European Article Number) eine sogenannte ASIN (Amazon-Standard-Identifikationsnummer) zugewiesen wird, die es ermöglicht, dass beim Aufruf eines bestimmten Produkts alle Anbieter dieses Produktes angezeigt werden. In dem nun vor dem BGH anhängigen Verfahren geht es um den Verkauf von sogenannten Kinesio-Tapes. Hierbei handelt es sich um ein elastisches Baumwollband mit einer Klebeschicht, welches insbesondere bei muskulären Beschwerden oder Verletzungen zum Einsatz kommt. Allerdings ist die medizinische Wirkung nicht gesichert nachgewiesen, weshalb der beklagte Anbieter dieses Tapes, welcher mit der schmerzlindernden Wirkung geworben hatte, von einem Wettbewerbsverein abgemahnt wurde und eine strafbewehrte Unterlassungserklärungen abgegeben hatte.
This product is perfect for pain - Review
Im weiteren Verlauf bot der Verkäufer wieder das Kinesiologie Tape auf Amazon an. Unter diesem Angebot waren Kundenrezensionen abrufbar, die unter anderem die Hinweise "schmerzlinderndes Tape!", "This product is perfect for pain…", "Schnell lässt der Schmerz nach", "Linderung der Schmerzen ist spürbar", "Die Schmerzen gehen durch das Bekleben weg" und "Schmerzen lindern" enthielten. Infolgedessen verlangte der Wettbewerbsverein die Zahlung einer Vertragsstrafe, weil es sich nach dessen Ansicht um irreführende Werbung handelt und somit ein Verstoß gegen die strafbewehrte Unterlassungserklärung vorliege. Nach erfolgloser Abmahnung erhob der Wettbewerbsverein Klage vor dem Landgericht Essen (Urt. v. 30.08.2017, Az. 42 O 20/17) Unterlassung und Zahlung der Vertragsstrafe sowie der Abmahnkosten. Der Verkäufer habe sich die Kundenrezensionen zu Eigen gemacht und hätte auf ihre Löschung hinwirken müssen. Falls dies nicht möglich sei, dürfe er die Produkte bei Amazon nicht anbieten. Dem folgte das Landgericht nicht, ein Anspruch aus § 8 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 HWG bestehe nicht und wies die Klage ab. Auch die Berufung vor dem OLG Hamm (Urt. v. 11.09.2018, Az. 4 U 134/17) blieb erfolglos. Nach Ansicht der Gerichte seien die Kundenrezensionen im Hinblick auf die gesundheitlichen Angaben irreführend, allerdings handele es sich nicht um Werbung. Selbst wenn man die Bewertungen von Käufern als Werbung erachten würde, so könne diese nicht dem Verkäufer zugerechnet werden. Auch ergebe sich keine Verantwortlichkeit des Verkäufers aus einem Verstoß gegen wettbewerbsrechtliche Verkehrspflichten im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG.
Ausblick
Es bleibt abzuwarten, wie der BGH in dieser Sache entscheiden wird. Folgt er nicht der Ansicht der Vorinstanzen, so wird sich dies für Verkäufer auf Onlineplattformen wie Amazon erheblich auswirken. Diese sind dann angehalten, stets die Bewertungen ihrer angebotenen Produkte auf eventuelle irreführende Angaben zu kontrollieren, auch wenn die Bewertung nicht vom eigenen Kunden stammt, sondern aufgrund der ASIN zugeordnet wurde. Dies wäre sicherlich zu befürworten und auch haltbar zu begründen.
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