Das LG Frankfurt a.M. hat sich mit Urteil vom 28.06.2019 mit dem Recht auf Vergessenwerden aus Art. 17 DSGVO zu beschäftigen, Urteil v. 28.06.2019 - Az.: 2-03 O 315/17.
Zum Sachverhalt
Geklagt hatte ein früherer iranischer Staatsbürger, welcher nunmehr die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt und Geschäftsführer und Teilhaber an versch. Unternehmen ist.
Er klagte gegen Google wegen der Auffindbarkeit von Suchmaschinenergebnissen, welche im Zusammenhang mit seinem Namen auftauchten.
Konkret ging es um Berichterstattungen aus den frühen 1980er Jahren im Zusammenhang mit einer Verhaftung des Klägers im Rahmen einer gewalttätigen Auseinandersetzung (in deren Zuge es unter anderem auch zu Landfriedensbruch, Körperverletzungen sowie einem Tötungsdelikt kam) sowie Nennungen in Beiträgen im Zusammenhang mit einem Attentat auf einen früheren Politiker der Demokratischen Partei Kurdistans-Irans sowie angebliche Verbindungen des Klägers zum iranischen Geheimdienst.
Brisant war, neben der Geschichte selbst, dass bei Eingabe des Namens des Klägers in versch. Schreibweisen nicht nur auf entsprechende Artikel in Medien verwiesen wurde, sondern auch eine Behördenauskunft des Bundesamts für Verfassungsschutz aus den frühen 1990er Jahren abrufbar war.
Unterlassung und Löschung gegen Google
Der Kläger verlangte Unterlassung von Google und berief sich auf sein Recht auf Vergessenwerden, insbesondere sei er in keinem Zusammenhang jemals verurteilt worden, noch seien die mittlerweile teils 35 Jahre zurückliegenden Ereignisse heute noch Gegenstand justizieller Verfahren. Ihm seien wegen der Veröffentlichung der Suchergebnisse sowohl privat als auch geschäftlich Nachteile entstanden.
Weiter sei gerade die Behördenauskunft des Bundesamts für Verfassungsschutz nicht für die Öffentlichkeit gedacht gewesen. Es bestehe auch kein besonderes öffentliches Interesse, da die Ergebnisse in jüngster Zeit nicht mehr Gegenstand von Berichterstattungen gewesen seien.
Zum Urteil – DSGVO und Recht auf Vergessenwerden
Das LG Frankfurt gab dem Kläger in weiten Teilen Recht.
Unterlassungsanspruch aus Artikel 17 DSGVO
Es stehe ihm ein Anspruch auf Unterlassen aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO zu. Der eigentlich als Löschungsanspruch konzipierte Art. 17 DSGVO beinhalte einen Unterlassungsanspruch der Verarbeitung der personenbezogenen Daten auch für die Zukunft. Ansonsten bestünden auch keine Bedenken hinsichtlich der Anwendbarkeit der DSGVO, insbesondere, da die aktuellen Rechtsverletzungen bei Nichtbehebung auch noch in die Zukunft wirken würden.
Inhaltlich könne sich der Kläger auf den Löschungsgrund nach Art. 17 Abs. 1 lit. d DSGVO berufen.
Hierfür müsste die Verarbeitung unrechtmäßig gewesen sein. Dies sah das LG als erwiesen an. Es nahm eine Abwägung zwischen dem Recht des Klägers auf Schutz seiner personenbezogenen Daten gem. Art. 8 GrCh, seinem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 7 GrCh, sowie der Unschuldsvermutung nach Art. 6 EMRK ebenso wie der Berufs- und Unternehmerische Freiheit aus Art. 15 und 16 GrCh sowie dem Recht der Beklagten auf freie Meinungsäußerung, ihrer unternehmerische Freiheit sowie dem Recht auf Informationsfreiheit der Internetnutzer vor.
Nach Ansicht des LG fiel die Abwägung zugunsten des Klägers aus, dabei seien neben der zurückliegenden Zeit auch sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Insbesondere, dass sämtliche Artikel nur auf Vermutungen gründeten und der Kläger weder strafrechtlich belangt wurde oder ihm sonst etwas nachgewiesen wurde hätten zu einer rechtswidrigen Berichterstattung und damit zu einer rechtswidrigen Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Klägers geführt.
Stellungnahme
Der Fall zeigt fast schon lehrbuchartig, wie in Fällen von Löschungs- und Unterlassungsansprüchen im Rahmen des Rechts auf Vergessenwerden vorgegangen werden muss. Es ist zwingend erforderlich, eine Einzelfallabwägung vorzunehmen. So war es im vorliegenden Fall keinesfalls selbstverständlich, dass die DSGVO anwendbar oder gar Art. 17 einschlägig war. Ebenfalls ist die vorgenommene Abwägung regelmäßig durchzuführen und es kann und darf gerade nicht auf ähnlich gelagerte Fälle zurückgegriffen werden. Einzig entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls.
Das Urteil hat damit keine präjudizielle Wirkung für ähnliche Verfahren in der Zukunft. Es veranschaulicht gerade einmal mehr, dass jeder Fall für sich genommen begutachtet werden muss.
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