BGH bejaht Haftung des Störers für Weiterverbreitung eines Videos auf YouTube durch Dritte.
Die italienische Mafia, mitten in Deutschland? Davon berichtete der MDR, der gleich ein Gesicht dazu lieferte: Einen Erfurter Gastwirt, der in dem Fernsehbeitrag aus 2015 nur anonymisiert in Erscheinung tritt, soll Finanzverwalter eines deutschen Ablegers der Mafiaorganisation „‘Ndrangheta“ sein.
Dieser ließ sich die Berichterstattung nicht gefallen und klagte wegen der Veröffentlichung gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunksender. Mit Erfolg. Für einen bestimmten Personenkreis sei der Mann trotz Anonymisierung erkennbar gewesen. Die Recherche des Senders sei nicht handfest genug gewesen, weshalb sie den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung nicht gerecht werde. Dem Gastwirt wurde ein sogenannter Unterlassungsanspruch zugesprochen.
Der Mafia-Bericht des MDR war im Internet in der MDR-Mediathek zum Abruf aufrufbar gewesen. Hier musste der Sender den Beitrag entfernen. Allerdings wurde der Beitrag zusätzlich für eine Zeit lang, durch Dritte auf YouTube verbreitet.
Einschränkung der Presse-und Meinungsfreiheit?
Dagegen ging der Gastwirt auf eigene Faust vor und verlangte vom MDR dann die Erstattung der angefallenen Rechtsanwaltskosten. Das OLG Thüringen lehnte es ab, dem Gastwirt diese Kosten zuzusprechen (Urt. v. 21.02.2018, Az. 7 U 471/17). Der MDR sei zwar als „Störer“ für den Rechtsbruch – also die Verletzung des Gastwirts in seinem Persönlichkeitsrecht durch den Bericht – verantwortlich. Die Abmahnkosten seien aber weder äquivalent noch adäquat kausal durch den Upload des Fernsehberichts verursacht. Eine Haftung der Beklagten für Abmahnkosten sei auch nicht angemessen, da eine Haftung für die Weiterverbreitung, welche durch Dritte in unbestimmter Anzahl erfolgen könne, „zu einer Einschränkung der Presse-und Meinungsfreiheit führe.“
Der VI. Senat des BGH sah dies nun anders (Urt. v. 09.04.2019, Az. VI ZR 89/18)
Gefahren der ursprünglichen Persönlichkeitsverletzung wirken fort
Dem Sender sei es sehr wohl zuzurechnen, dass Dritte den Bericht auf YouTube verbreiteten. Es spiele keine Rolle, dass ein Dritter – und nicht der Sender selbst – das Video hochgeladen hätten, woraufhin die Abmahnung erst erfolgte, denn „die Gefahren der ursprünglichen Persönlichkeitsverletzung“ wirkten fort.
Der I. Senat des BGH sieht nach ständiger Rechtsprechung von einer Haftung ab, wenn ein Dritter durch selbstständiges Handeln in den „Kausalverlauf“ der ursprünglichen Verletzungshandlung eingreift (Urt. v. 13.11.2013, Az. I ZR 77/12). Diese Rechtsprechung fände in diesen Fall aber keine Anwendung, da es nicht wie in den Fällen des I. Senats um vertragliche und gesetzliche Unterlassungsansprüche ginge, sondern „allgemeine haftungsrechtlichen Grundsätze“, meinen die Richter des VI. Senats.
Das OLG Thüringen muss nun anhand dieser Grundsätze entscheiden, ob die Abmahnungen gegen die YouTube-Nutzer wirklich notwendig waren. Falls ja, muss der MDR dafür bezahlen.
Fazit
Dieses Urteil hat weitreichende Folgen, wenn es um die Frage der Haftung für die Weiterverbreitung von persönlichkeitsrechtsverletzenden Inhalten geht. Im Zeitalter der digitalen Medien sollten rechtsverletzende Inhalte erst gar nicht online gehen. Im Zweifel vorher prüfen lassen. Dann haftet der Anwalt, nicht der Verbreiter.
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