Sächsisches OVG: Plakate sind Volksverhetzung
Update: Die Stadt Zwickau legte Rechtsmittel gegen die Entscheidung des VG Chemnitz ein und war damit nun erfolgreich. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht sieht in dem Plakat einen Angriff auf die Menschenwürde und den Tatbestand der Volksverhetzung als erfüllt an. Das Plakat gefährde den öffentlichen Frieden durch Aufstachelung zum Hass und durch einen Angriff auf die Menschenwürde der Mitglieder der Grünen. Eine vertretbare und zielorientierte Begründung.
Es gibt Streit um ein Wahlplakat mit der großgedruckten Aufschrift „Hängt die Grünen!“
Der Rechtsstreit zwischen der Stadt Zwickau und der Splitterpartei „Der III. Weg“ bezogen auf den Aushang des Wahlplakates der Partei ging nun vor Gericht. Hierbei wehrt sich „der III. Weg“ gegen die Verfügung der Stadt Zwickau, welche eine Entfernung aller Wahlplakate mit dem Aufdruck entweder durch die Partei oder die Stadt selbst anordnete. Die Partei legte Rechtsmittel gegen die Verfügung der Stadt ein, weshalb das Verwaltungsgericht nun zu entscheiden hatte.
Wahlplakate sind Werturteile
Nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts Chemnitz handelt es sich bei dem Wahlplakat um ein Werturteil, das vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 I 1 GG umfasst ist. Das Gericht weist explizit darauf hin, dass vom Recht auf Meinungsfreiheit im politischen Meinungskampf auch kritische Äußerungen in überspitzter und polemischer Form umfasst sind.
Die Stadt Zwickau machte demgegenüber geltend, dass die Wahlplakate einen Verstoß gegen die Rechtsordnung und daher eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen.
Entscheidend: Die Aussage des Wahlplakats
Bei mehrdeutigen Äußerungen muss ermittelt werden, ob ein objektiver Aussagegehalt besteht.
Das Verwaltungsgericht hatte sich also mit der Frage zu beschäftigen, ob die Plakate tatsächlich nur in eine Richtung zu verstehen waren (Aufhängen von Grünen-Politikern) oder ob es mehrere Deutungsvarianten gibt (bspw. Werbung für die eigene Partei).
Wortlaut, Kontext und Begleitumstände einer Äußerung
Um den objektiven Sinn zu ermitteln, kommt es besonders auf den Wortlaut der Äußerung sowie den Kontext und - besonders bei einer solchen schlagwortartigen Äußerung - die Begleitumstände an. Hierbei darf ein objektiver Sinn einer Äußerung, der gegen die Rechtsordnung verstößt, nur dann angenommen werden, wenn zuvor alle in Betracht kommenden straflosen Auslegungen begründet abgelehnt wurden.
Eine Auslegung dahingehend, dass tatsächlich ein Aufruf zum Mord gegenüber einer bestimmten Personengruppe vorliegt, würde eindeutig zu einem Verstoß gegen die Rechtsordnung führen.
Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Das Wahlplakat enthält den zusätzlichen, deutlich kleiner geschriebenen Text:
„Macht unsere nationalrevolutionäre Bewegung durch Plakatwerbung in unseren Parteifarben in Stadt und Land bekannt“.
Die Parteifarben der Partei „Der III. Weg“ sind grün, weshalb sich der Text „Hängt die Grünen!“ darauf beziehen kann, dass Menschen zum Aufhängen der Plakate der Partei aufgerufen werden. Dies ist eine Auslegung, der durch die Plakate getätigten Äußerungen, welche nicht gegen die Rechtsordnung verstößt, weshalb sie in Betracht gezogen werden muss. Nach dieser Auffassung ist die Äußerung durch die Plakate letztlich tatsächlich von der Meinungsäußerungsfreiheit gemäß Art. 5 I 1 GG geschützt.
Auflage: 100 Meter Abstand von den Bündnis 90/Die Grünen-Plakaten
Allerdings ist dabei die Auflage, welche das Gericht mit dem Urteil verbindet, nicht ganz schlüssig. Diese besagt, dass die Wahlplakate der Partei „Der III. Weg“ in Zukunft mindestens 100 m von den Wahlplakaten der Partei Bündnis 90/Die Grünen entfernt sein müssen. Dadurch reagiert das Gericht auf die Tatsache, dass die Plakate der Splitterpartei bewusst in unmittelbarer Nähe zu den Plakaten der Partei der Grünen angebracht wurden. Mit diesem Vorgehen bekräftigt die Splitterpartei die Auslegungsmöglichkeit, die einen Aufruf zu Straftaten als objektiven Sinn der Plakate sieht. Damit die oben beschriebene Auslegungsmöglichkeit, welche sich nur auf das Aufhängen von Plakaten bezieht und straflos wäre, ausgeschlossen werden kann, müssten schlüssige Gründe besonders in Hinblick auf die Begleitumstände vorgebracht werden. Die Tatsache, dass die Partei ihre Wahlplakate immer in direkter Nähe zu den Plakaten der Grünen angebracht hat, ist hierbei ein solcher ausschlaggebender Begleitumstand. Darin kann ein schlüssiger Grund zum Ausschluss der die Partei begünstigenden Auslegung zu sehen sein, wodurch daher die Äußerung mit dem Plakat gegen die Rechtsordnung verstößt und letztlich nicht mehr von der Meinungsfreiheit nach Art. 5 I 1 GG umfasst wäre. Auf diese Weise hätte das Verwaltungsgericht Chemnitz zugunsten der Antragsgegnerin entscheiden können.
Die Entscheidung ist jedoch auch noch nicht rechtskräftig. Die Stadt Zwickau kann gegen die Entscheidung Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht Bautzen einlegen, was sie nach eigener Aussage auch tun wird. Wie dieses entscheiden wird und ob auch noch eine Revision nötig sein wird, bleibt abzuwarten.
Können sich die Grünen wehren?
Auch die Partei Bündnis 90/Die Grünen wird selbst ein Interesse daran haben, dass die Plakate mit der gegen sie gerichteten Aufschrift entfernt werden müssen. Die Partei hätte die Möglichkeit, ihr von der Verfassung gegebenes Recht auf körperliche Unversehrtheit im Wege eines Organstreitverfahrens geltend zu machen. Dadurch könnte eine Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Aufhängens der Wahlplakate mit dieser Beschriftung durch das Bundesverfassungsgericht erreicht werden.
Strafanzeige?
Zudem können die Grünen hier eine Strafanzeige erstatten. Eine öffentliche Aufforderung zu Straftaten nach § 111 I StGB könnte hier zu sehen sein, wenn durch das Verbreiten des Wahlplakates und dessen Aufschrift tatsächlich zum Mord an den Parteimitgliedern der Grünen aufgefordert wird. Dahingehend hat die Staatsanwaltschaft Zwickau auch bereits Ermittlungen aufgenommen.
Fazit
Die Entscheidung hätte auch gegenteilig und formal juristisch ebenfalls sauber ausfallen können. Von einer Fehlentscheidung des Verwaltungsgerichts Chemnitz kann man jedoch nicht sprechen.
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