Es ist ein Begriff, der wie kein zweiter die Gemüter auf Twitter und im Feuilleton erhitzt. Denn immer, wenn er fällt, geht es ums Ganze: um die Weltanschauung, um Feminismus, um Macht. So Mancher der alt, ein Mann und obendrein noch weiß ist, fühlt sich angegriffen und hält den Ausdruck für ein Schimpfwort. Als Beleidigung strafbar ist „alter weißer Mann“ jedoch nur im Ausnahmefall.
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Alter weißer Mann
„Alter weißer Mann“. Vor ein paar Jahren wäre das für die allermeisten, die der deutschen Sprache mächtig sind, eine schlichte Beschreibung gewesen. Wenn jemand von ihm sprach, hatte jeder schnell ein Bild im Kopf: Helle Haut, vielleicht graues Haar, ein mehr oder weniger faltiges Gesicht – und ein Mann eben. Eine Beschreibung, die in unserer alternden Gesellschaft auf einen nicht ganz unerheblichen Teil der Menschen zutrifft und zunächst einmal rein deskriptiv ist, ohne Wertungen.
Doch Sprache entwickelt sich und damit auch die Bedeutung von Begriffen. Und so ist der „alte weiße Mann“ heute ein Idiom geworden, das gerne auch in politischen Debatten als Schlagwort benutzt wird. Häufig verwenden Feministinnen den Ausdruck als Kritik gegen ihre Gegner. In der Politik wird der „alte weiße Mann“ herangezogen, wenn es um veraltete Strukturen geht, in denen es keine neuen Ideen gibt. Feministinnen geht es meist um gesellschaftliche Hegemonie, die der „alte weiße Mann“ in vielen Bereichen noch innehat, sei es in Unternehmen, der Politik oder auch im Kulturbereich. Für sie ist er der Inbegriff des Patriachats, der Herrschaft der Männer über die Frauen.
Männer in der Opferrolle
Nun denkt aber nicht jeder Mann, der alt und weiß ist, in diesen großen Kategorien, was mitunter wohl ein Grund ist, warum er sich oft in der Opferrolle sieht, der alte weiße Mann. Und tatsächlich kann ein „Du alter weißer Mann!“ manchmal eine Beleidigung im Sinne des Strafrechts sein.
Ganz allgemein ist eine Beleidigung laut deutscher Rechtsprechung „die Kundgabe von eigener Missachtung oder Nichtachtung“, die die Ehre verletzt. Als Ehre verstehen Juristen den Wert, der dem Menschen ganz natürlich durch seine Menschenwürde und außerdem durch sein eigenes soziales Verhalten zukommt. Nur weil jemand überempfindlich ist, ist er also nicht schneller „beleidigt“ in einem strafrechtlichen Sinne. Es kommt bei der Frage einer Strafbarkeit immer ganz genau darauf an, wer was zu wem unter welchen Umständen sagt.
Begriff kann strafbar sein
Wirft jemand den Ausdruck einem anderen an den Kopf, der sich gerade besonders klischeehaft dem kritisierten Verhaltensmuster entsprechend verhalten hat, ist dies eine zulässige Meinungsäußerung. Die Missachtung richtet sich nicht gegen ihn als Mensch als solchen, sondern an sein Auftreten, sein Verhalten. Und ein Verhalten zu kritisieren, ist keine Straftat.
Anders sieht es aus, wenn der Begriff anlasslos verwendet wird, um einen Menschen herabzuwürdigen, ihm verstehen zu geben, er sei als Person minderwertig oder nicht ernst zu nehmen, nur weil er biologisch gesehen alt, weiß und ein Mann ist. Hier richtet sich der Ausdruck gegen seine Qualität als Mensch, seine Menschenwürde wird ihm abgesprochen und ihm wird maximale Missachtung entgegengebracht.
Letzterer Fall wird aber selten vorliegen. Denn auch wenn Debatten hitzig geführt werden, geht einem „Du alter weißer Mann!“ doch meist voraus, dass der Adressat eine bestimmte, als verstaubt geltende Weltsicht zum Ausdruck gebracht hat, eine entsprechende politische Aussage gemacht hat, oder eben mit seinem Verhalten gegenüber Frauen ein Klischee bedient hat. In diesem Fall ist es ratsamer, sein Verhalten zu hinterfragen, als sich beleidigt zurückzuziehen.
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