OLG Nürnberg: Kein Auskunftsanspruch bei 1-Sterne-Bewertung, wenn die Äußerung und der Vergabe eines Sterns keine Beleidigung ist. Mit Beschluss vom 17.07.2019 (Az.:3 W 1470/19) wies das OLG Nürnberg eine sofortige Beschwerde gegen einen Beschluss des LG Nürnberg-Fürth zurück.
In dem vorliegenden Fall geht es um das Auskunftsverlangen einer Zahnarztpraxis gegenüber Google. Die Zahnärzte verlangten von Google die Erteilung der Bestandsdaten eines bestimmten Nutzerprofils. Der Nutzer hatte die Zahnarztpraxis bei Google Maps mit einem von fünf Sternen bewertet und diese mit „Oje. Naja.“ bewertet. Derselbe Nutzer hat eine andere konkurrierende Zahnarztpraxis wesentlich besser bewertet und dies damit umschrieben, dass diese Praxis seit über 25 Jahren sein Zahnarzt des Vertrauens sei. Seit Anfang des Jahres ist das Profil dieses Nutzers nicht mehr aufrufbar. Im weiteren Verlauf hat ein neues Profil eine wortgleiche Bewertung gegenüber der konkurrierenden Zahnarztpraxis abgegeben.
Daraufhin wandte sich die Zahnarztpraxis mit anwaltlichem Schreiben an Google und forderte zur Löschung der Bewertung und Auskunftserteilung auf. Dies blieb jedoch ohne Erfolg. Infolgedessen wurde beim LG Nürnberg-Fürth der Erlass einer Auskunftsanordnung nach § 14 Abs. 3 TMG ohne mündliche Verhandlung beantragt. Das LG wies den Antrag jedoch mit Beschluss (Az.: 6 O 2421/19) mit der Begründung zurück, dass es sich bei der Äußerung „Oje. Naja.“ und der Vergabe eines Sterns nicht um eine Beleidigung nach §§ 185 ff. StGB handele. Auch im Zusammenhang mit der besseren Bewertung der Konkurrenz kann darin kein beleidigendes Verhalten gesehen werden.
Gegen die Entscheidung des LG hat die Zahnarztpraxis sofortige Beschwerde eingelegt. Nach ihrer Ansicht handelt es sich bei der Bewertung um ein Werturteil, dem jede Tatsachengrundlage fehle. Auch habe zwischen diesem Nutzer und den Antragstellern niemals ein Behandlungskontakt bestanden. Weiterhin stelle die Äußerung „Oje. Naja.“ verbunden mit einem Stern einen Ausdruck der Geringschätzung dar. Aufgrund der identischen Bewertung der Konkurrenzpraxis durch den anderen Nutzer liege es nahe, dass es sich bei beiden Nutzern um dieselbe Person handele.
Dem ist das Gericht nicht gefolgt. Ein Anspruch aus § 14 Abs. 2 TMG sei nicht gegeben. Erforderlich hierfür sei, dass die Auskunftserteilung der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte, die von § 1 Abs. 3 NetzDG erfasst werden, diene.
Voraussetzung für das Auskunftsrecht über Bestandsdaten nach § 14 Abs. 3 bis 5 TMG ist, dass
- die Auskunft zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte erforderlich ist (weshalb die Voraussetzungen dieses Anspruchs dargelegt werden müssen),
- das Vorgehen rechtswidrige Inhalte betrifft, die von § 1 Abs. 3 NetzDG erfasst werden
und - der Anspruchsgegner ein „Soziales Netzwerk“ i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 1 NetzDG ist.
Im vorliegenden Fall ist der Auskunftsanspruch bereits an der ersten Voraussetzung gescheitert. Die Zahnarztpraxis konnte nicht darlegen, dass ein deliktischer Hauptanspruch gegen den Nutzer bestehe. Ein solcher Anspruch könnte sich in diesem Fall aus der Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG ergeben.
Dann müssten die beanstandeten Bewertungen in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Zahnarztpraxis eingreifen. Für die Negativbewertungen, welche sich unmittelbar auf die Zahnarztpraxis beziehen, ist das der Fall. Anders ist dies wiederum für die positiven Bewertungen der Konkurrenz.
Das OLG klassifiziert die Bewertung als Meinungsäußerung.
„Denn die notenmäßige Bewertung mit einem Stern ist von Elementen der Stellungnahme, des Dafürhaltens und Meinens geprägt (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 31 - www.jameda.de). Gleiches gilt für die Äußerung „Oje. Naja“, weil sie durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt und nicht einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist (vgl. BGH, GRUR-RR 2016, 521, Rn. 32).“
Diese Meinungsäußerung sei auch zulässig, da es sich nicht um Schmähkritik handele. Die Zahnarztpraxis konnte auch nicht darlegen, dass der Meinungsäußerung eine unwahre Tatsachenbehauptung zugrundeliege. Hinsichtlich der 1-Sterne-Bewertung ohne aussagekräftigen Begleittext vertritt das OLG die Ansicht, dass
„die Tatsachenbehauptung nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums darin, dass implizit geäußert wird, es habe zwischen dem Bewerter und den Antragstellern irgendeine mit der Dienstleistung einer Arztpraxis im Zusammenhang stehende Verbindung gegeben, die der Bewertung zu Grunde liegt.“
Auch wenn die Bewertung und ihr Begleittext letztlich nicht sehr detailliert sind, muss diese dahingehend verstanden werden, dass derjenige Nutzer, welcher die Zahnarztpraxis bewertet, in irgendeiner Weise mit dieser und deren Leistungen in Kontakt getreten ist. Das Publikum für diese Bewertungen, in diesem Fall also potenzielle Patienten, geht davon aus, dass es sich hier eine irgendwie gemachte Erfahrung handelt, die bewertet wird.
Stellungnahme:
Die Schlussfolgerungen des OLG sind einseitig ergebnisorientiert und gehen zu Lasten der bewerteten Unternehmen und Dienstleister. Mit guten Gründen kann ebenso unterstellt werden, dass kein Behandlungskontakt stattgefunden habe. Im Ergebnis kann dies jedoch dahinstehen, da jedenfalls die Voraussetzungen des § 1 Absatz 3 Netzwerkdurchsetzungsgesetz nicht erfüllt waren.
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