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Nach Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“: Dürfen Medien und Private alle Mitglieder als Rechtsextremisten bezeichnen?

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Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat Anfang Mai 2025 die Alternative für Deutschland (AfD) als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft. Nach einer mehrjährigen Prüfung und einem über 1.000 Seiten umfassenden Gutachten sieht die Behörde es als erwiesen an, dass die Partei Ziele verfolgt, die im fundamentalen Widerspruch zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung stehen. Der Verfassungsschutz betont, der Verdacht, dass die AfD gegen die Grundwerte des Grundgesetzes gerichtete Bestrebungen verfolge, habe sich bestätigt und in wesentlichen Teilen zur Gewissheit verdichtet. Besonders das in der Partei vorherrschende „ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis“ und zahlreiche Äußerungen führender Vertreter seien mit der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes nicht vereinbar.

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Was bedeutet die Einstufung für die Bezeichnung von AfD-Mitgliedern und Amtsträgern als Rechtsextremisten?

Die Bewertung durch das BfV richtet sich zunächst an die Partei als Organisation. Das Amt sieht in der AfD eine extremistische Prägung, die sich insbesondere in der Ausgrenzung und Abwertung bestimmter Bevölkerungsgruppen manifestiert. Medien dürfen über diese Einschätzung berichten und die Partei insgesamt als rechtsextremistisch einordnen, da dies auf gesicherten Erkenntnissen beruht.

Dürfen Medien alle AfD-Mitglieder oder Amtsträger als Rechtsextremisten bezeichnen?

Die rechtliche Bewertung der Bezeichnung Einzelner als „Rechtsextremist“ hängt zunächst von der Abgrenzung zwischen Werturteil und Tatsachenbehauptung ab: 

Meinungsfreiheit

Die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG schützt in erster Linie Meinungsäußerungen, also Werturteile. Ein Werturteil ist dadurch gekennzeichnet, dass es eine subjektive Stellungnahme, ein Dafürhalten oder Meinen im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung ausdrückt. Solche Äußerungen sind dem Beweis von „wahr“ oder „unwahr“ grundsätzlich nicht zugänglich. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) betont, dass Werturteile nicht beweispflichtig sind, solange sie sich auf eine sachliche Auseinandersetzung beziehen und nicht ausschließlich der Herabwürdigung dienen. 

Tatsachenbehauptung

Demgegenüber steht die Tatsachenbehauptung. Sie ist dem Beweis zugänglich, da sie eine objektive Beziehung zur Wirklichkeit aufweist. Eine Tatsachenbehauptung kann also grundsätzlich als „wahr“ oder „unwahr“ überprüft werden. Beispiele wären: „Herr X ist Mitglied in einer rechtsextremen Organisation“ oder „Frau Y hat an einer rechtsextremen Demonstration teilgenommen“. Ob eine Äußerung wie „Herr X ist Rechtsextremist“ als Werturteil oder Tatsachenbehauptung einzuordnen ist, hängt maßgeblich vom jeweiligen Kontext ab. Die Rechtsprechung stellt dabei nicht nur auf den bloßen Wortlaut ab, sondern darauf, wie die Äußerung von einem unvoreingenommenen Durchschnittsleser oder  -hörer verstanden wird. Entscheidend ist, ob der Eindruck entsteht, es werde eine überprüfbare Tatsache behauptet, oder ob es sich um eine subjektive, wertende Einordnung handelt. So kann die Aussage, jemand sei „Rechtsextremist“, in einer politischen Debatte oder als Teil einer allgemeinen Meinungsäußerung eher als Werturteil verstanden werden. Wird die Aussage jedoch in einem Zusammenhang getroffen, in dem konkrete Vorwürfe oder tatsächliche Handlungen im Raum stehen – etwa, dass die betroffene Person rechtsextreme Straftaten begangen oder sich an einschlägigen Aktivitäten beteiligt habe – so liegt der Schluss nahe, dass es sich um eine Tatsachenbehauptung handelt. Dann muss die Äußerung auch belegbar sein. Je konkreter und personenbezogener der Vorwurf, desto eher ist dieser als Tatsachenbehauptung einzuordnen. Wird beispielsweise behauptet, ein bestimmtes AfD-Mitglied habe sich rechtsextremistisch betätigt oder sei Teil einer rechtsextremen Organisation, so handelt es sich um eine überprüfbare Tatsache, die im Streitfall bewiesen werden muss. Fehlt eine solche Tatsachengrundlage, kann die Äußerung unzulässig sein und das Persönlichkeitsrecht verletzen.

Prangerwirkung und Persönlichkeitsrecht

Zudem ist zu beachten, dass auch Werturteile nicht schrankenlos geschützt sind. 

Nach Art. 5 Abs. 2 GG findet das Recht auf Meinungsfreiheit ihre Schranke unter anderem in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, zu denen auch ein persönlichkeitsrechtlicher Unterlassungsanspruch analog §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG zählt. Gerade die Bezeichnung als „Rechtsextremist“ kann – insbesondere bei einfachen Parteimitgliedern, die nicht im öffentlichen Fokus stehen – eine erhebliche Prangerwirkung entfalten und damit das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen berühren. 

„Rechtsextremist“

Das liegt daran, dass der Begriff „Rechtsextremist“ nach der Definition des Bundesamtes für Verfassungsschutz für eine Haltung steht, die zentrale Werte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ablehnt. Rechtsextremisten unterstellen, dass die Zugehörigkeit zu einer Ethnie oder Nation über den Wert eines Menschen entscheidet. Nationalismus, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus prägen dieses Weltbild und stehen im fundamentalen Widerspruch zum Grundgesetz. Auch die Bundeszentrale für politische Bildung betont, dass Rechtsextremismus Einstellungen oder Handlungen umfasst, die sich gegen die Gleichheit und Gleichwertigkeit aller Menschen richten und daher als verfassungsfeindlich gelten. Wird jemand öffentlich als „Rechtsextremist“ bezeichnet, geht damit regelmäßig die gesellschaftliche Zuschreibung einher, demokratiefeindlich, rassistisch oder menschenverachtend zu sein. Solche Vorwürfe können das Ansehen und die soziale Teilhabe einer Person schwerwiegend beeinträchtigen – etwa im beruflichen Umfeld, im Freundeskreis oder in der Öffentlichkeit. Die Stigmatisierung als Rechtsextremist kann zu sozialer Ausgrenzung, Vertrauensverlust und erheblichen Nachteilen im gesellschaftlichen Leben führen. 

Prangerwirkung

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Beschlüssen herausgestellt, dass eine solche Prangerwirkung auch dann vorliegen kann, wenn eine Äußerung formal als Werturteil erscheint. Besonders problematisch ist dies, wenn Einzelpersonen aus einer Vielzahl von Menschen herausgegriffen und durch die öffentliche Bezeichnung an den „Pranger“ gestellt werden, ohne dass konkrete individuelle Anhaltspunkte für ein rechtsextremes Verhalten vorliegen. In solchen Fällen kann selbst eine wahre Tatsachenbehauptung oder ein Werturteil unzulässig sein, weil die Intensität der Bloßstellung und die Folgen für die betroffene Person das Persönlichkeitsrecht überwiegen lassen. Gerichte wägen in solchen Fällen besonders sorgfältig ab: Einerseits steht die Meinungsfreiheit, andererseits das Persönlichkeitsrecht. Die Bezeichnung als ‘Rechtsextremist’ kann stark stigmatisierend wirken – insbesondere, wenn sie ohne individuelle Anhaltspunkte erfolgt. Sie prüfen, ob die Äußerung auf einer individuellen Tatsachengrundlage beruht und ob das öffentliche Interesse an der Information schwerer wiegt als die drohende Stigmatisierung und Ausgrenzung des Einzelnen. Fehlt eine solche Tatsachengrundlage, überwiegt regelmäßig das Persönlichkeitsrecht, und der Betroffene kann sich erfolgreich gegen die Prangerwirkung zur Wehr setzen. Werden AfD-Mitglieder oder Amtsträger pauschal als Rechtsextremisten bezeichnet, ohne dass dies durch konkrete Tatsachen gestützt ist oder ohne, dass ein sachlicher Bezug besteht, kann dies eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellen. In solchen Fällen besteht die Möglichkeit, sich mit einem Unterlassungsanspruch analog §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i. V. mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG gegen die Äußerung zu wehren. Die Gerichte nehmen dann eine sorgfältige Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz vor. Dabei ist zu berücksichtigen, ob die betroffene Person im politischen Rampenlicht steht oder ob es sich um ein einfaches Parteimitglied handelt. Während exponierte Amtsträger sich schärfere Kritik gefallen lassen müssen, genießen einfache Mitglieder einen stärkeren Schutz vor pauschalen und stigmatisierenden Aussagen.

Dürfen Privatpersonen AfD-Mitglieder als Rechtsextremisten bezeichnen?

Für Privatpersonen gelten nicht die gleichen strengen rechtlichen Maßstäbe wie für Medien. Aber auch Privatpersonen dürfen nicht pauschal alle AfD-Mitglieder oder AfD-Anhänger als Rechtsextremisten bezeichnen, ohne dass hierfür eine individuelle Tatsachengrundlage besteht. Wer beispielsweise im privaten oder öffentlichen Rahmen – etwa in sozialen Netzwerken – behauptet, ein bestimmter AfD-Anhänger sei Rechtsextremist, muss diese Aussage belegen können, wenn sie als Tatsachenbehauptung verstanden werden kann. Fehlt eine solche Grundlage, kann dies einen Unterlassungsanspruch und gegebenenfalls auch Schadensersatz- oder sogar strafrechtliche Konsequenzen (etwa wegen Beleidigung oder übler Nachrede) nach sich ziehen. Auch bei Privatpersonen ist die Meinungsfreiheit zu beachten: Eine allgemeine politische Bewertung, wie etwa „Ich halte die AfD für rechtsextrem“, ist als Werturteil zulässig. Eine pauschale oder personenbezogene Stigmatisierung ohne sachlichen Bezug bleibt jedoch unzulässig.

Fazit

Zusammengefasst gilt: Die Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ durch den Verfassungsschutz erlaubt keine pauschale Übertragung dieser Bewertung auf alle Mitglieder oder Amtsträger. Ob die Bezeichnung als „Rechtsextremist“ zulässig ist, hängt immer vom Einzelfall, vom Kontext der Äußerung und von der Rolle der betroffenen Person ab. Liegt eine Tatsachenbehauptung ohne Beleg oder eine Schmähkritik vor, können Betroffene erfolgreich gegen eine solche Stigmatisierung vorgehen. Für Medien, Presse und auch Privatpersonen gilt: Die Rechte des Einzelnen auf Schutz vor pauschaler Stigmatisierung bleiben gewahrt – unabhängig von der politischen Bewertung der Partei als Ganzes.

Ansprechpartner

Karsten Gulden
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht LL.M. und Mediator

Karsten Gulden ist Rechtsanwalt & Mediator; Mitgründer und Gesellschafter der Kanzlei gulden röttger rechtsanwälte, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht seit 2009, Wahlfachprüfer beim Justizministerium Mainz/Rheinland-Pfalz und Mitglied im NetzDG-Prüfausschuss der FSM.
Zudem ist er ein Familienmensch, der das Klettern, die Berge & das Campen liebt. Die meiste freie Zeit verbringt er mit der Familie & den Pferden in freier Natur.

[email protected]
+49-6131-240950

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