
Das Landgericht Berlin II - Az. 16 O 195/19 - hat Google verurteilt, an das Preisvergleichsportal Idealo rund 465 Millionen Euro Schadensersatz zu zahlen. Hintergrund ist, dass Google über Jahre hinweg eigene Dienste in der Suche bevorzugt und konkurrierende Preisvergleichsportale wie Idealo benachteiligt hat. Diese Form des „Self-Preferencing“ führte dazu, dass Idealo in den Suchergebnissen schlechter sichtbar war, weniger Nutzer erreichte und nachweisbar erhebliche Umsatzeinbußen erlitt. Das Gericht wertet dieses Verhalten als unzulässige Wettbewerbsverzerrung und sieht den Markt für Online-Preisvergleiche nachhaltig geschädigt.
Self-Preferencing als Wettbewerbsverstoß
Idealo hatte ursprünglich rund 3,5 Milliarden Euro geltend gemacht; zugesprochen wurden nun etwa 465 Millionen Euro. Das ist deutlich weniger als beantragt, aber immer noch ein außergewöhnlich hoher Betrag für ein nationales Verfahren gegen einen Digitalkonzern. Wichtig ist: Das Urteil ist nicht rechtskräftig, Google und Idealo haben Berufung angekündigt. Gleichwohl setzt die Entscheidung bereits jetzt ein deutliches Signal: Auch globale Plattformkonzerne sind nicht frei von rechtlichen Bindungen. Google muss sich – wie jedes andere Unternehmen – an deutsches und europäisches Wettbewerbs- und Medienrecht halten.
Als Fachanwalt für Medienrecht habe ich Google mit meiner Kanzlei bereits mehrfach vor deutschen Gerichten verklagt. Diese Verfahren zeigen, dass sich auch ein weltweit agierender Konzern der hiesigen Rechtsordnung stellen muss. Wer den Marktzugang kontrolliert und dabei seine eigene Marktposition missbraucht, riskiert nicht nur Bußgelder der Behörden, sondern zunehmend auch erhebliche zivilrechtliche Schadensersatzansprüche.
Digitale Gatekeeper und die Implikationen für Banken
Der Rechtsstreit Idealo vs. Google betrifft zwar vordergründig Preisvergleichsportale, berührt aber Grundfragen, die für Banken unmittelbar relevant sind. Finanzprodukte werden heute überwiegend digital recherchiert, verglichen und abgeschlossen. Suchmaschinen, Vergleichsportale und App-Stores fungieren als Gatekeeper: Sie entscheiden faktisch mit, welche Angebote Kundinnen und Kunden überhaupt sehen. Sichtbarkeit in Rankings und Empfehlungen ist damit ein entscheidender Wettbewerbsfaktor – auch für Girokonten, Kredite, Anlageprodukte oder Depots.
Für Banken bedeutet dies einerseits eine erhebliche Abhängigkeit von digitalen Plattformen, deren Algorithmen und Rankinglogiken intransparent sein können. Werden eigene Angebote der Plattformbetreiber bevorzugt oder Ranking-Kriterien einseitig verändert, kann dies direkte Auswirkungen auf das Neugeschäft von Banken haben. Andererseits treten Banken zunehmend selbst als Plattformbetreiber auf – etwa mit Marktplätzen für Finanzprodukte, Vergleichstools oder Empfehlungssystemen in Apps und Online-Banking-Umgebungen. Je nach Marktstellung kann dann umgekehrt die Frage entstehen, ob die eigene Plattformgestaltung kartellrechtlich zulässig ist oder als unzulässige Selbstbevorzugung gewertet werden könnte.
Fazit: Banken im Spannungsfeld von Plattformabhängigkeit und Rechtspflichten
Das Urteil des LG Berlin II macht deutlich: Digitale Wettbewerbsverstöße sind kein abstraktes Risiko „der Tech-Branche“, sondern können jeden treffen, der Gatekeeper-Funktionen ausübt oder von diesen abhängig ist. Für Banken empfiehlt es sich daher, sowohl die eigene Abhängigkeit von großen Plattformen kritisch zu analysieren als auch die Gestaltung eigener digitaler Angebote rechtlich zu überprüfen. Transparente, nachvollziehbare und diskriminierungsfreie Kriterien bei Rankings, Produktempfehlungen und Plattformstrukturen sind nicht nur eine Frage der Compliance, sondern ein zentraler Vertrauensfaktor im Wettbewerb. Und sie senden ein klares Signal: Auch im digitalen Finanzmarkt gelten deutsches und europäisches Recht – für Banken ebenso wie für Google.


Kommentar schreiben