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C 460/20 TU, RE gegen Google LLC

C 460/20 TU, RE gegen Google LLC

Google ist kein „Richter der Wahrheit“
Löschung von Links aus Suchergebnissen

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In der Rechtssache C 460/20 TU, RE gegen Google LLC hat der Generalanwalt die Schlussanträge gestellt und wichtige Hinweise auf die zukünftige Rechtsprechung gegeben, wenn es um den Schutz personenbezogener Daten und die Auflistung angeblich unrichtiger Informationen und auf Entfernung von Bildern in Form von Vorschaubildern (Thumbnails) geht.

C 460/20 TU, RE gegen Google LLC

In dem Fall, den der BGH dem EuGH vorgelegt hat, geht es kurz formuliert um die Frage, was Google tun muss, wenn es um die Auslistung von Suchergebnissen geht, die zu Internetseiten führen, auf denen Behauptungen stehen, deren Wahrheitsgehalt nicht bewiesen ist.

Der Generalanwalt musste sich mit der Frage beschäftigen, inwieweit es eine Rolle spielt, ob die Person, die eine Auslistung beantragt, im öffentlichen Leben steht und inwieweit die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Informationen auf der verlinkten Seite eine Rolle spielt. Zudem musste sich der Generalanwalt Gedanken darüber machen, welche Pflicht Google in dem ganzen Zusammenhang hat.

Der Generalanwalt führt aus, dass es durchaus eine gewichtige Rolle spielt, ob der Antragsteller, der eine Auflistung begehrt, im Fokus der Öffentlichkeit steht. Er betont, dass die Person nicht prominent sein muss im klassischen Sinne, sondern das auch eine beschränkte öffentliche Rolle der Person gewichtig sein kann, wenn es um die Frage geht, ob Suchergebnisse aufgelistet werden müssen oder nicht. Als Beispiel wird angeführt, dass der berufliche Kontext ein solches öffentliches Informationsinteresse begründen kann. Dies gilt umso mehr, als dass wichtige Belange betroffen sind für die Öffentlichkeit (zum Beispiel Warnungen vor bestimmten Finanzdienstleistungen, Hinweis auf Missstände etc.). Je öffentlicher die Person ist, desto eher spreche dies für die Meinungsfreiheit und gegen eine Auflistung.

Unrichtige Informationen verletzen die Menschenwürde

Der Generalanwalt zog allerdings eine scharfe Trennlinie und wies darauf hin, dass die Grenzen der Meinungsfreiheit allerdings erreicht seien, wenn die auszulistenden Informationen unwahr sind. Unrichtige Informationen stelle einen Verstoß gegen die Menschenwürde dar (Rn. 31 der Schlussanträge). Dies sei auch in der DSGVO verankert und zwar in Art. 5 Abs. 1 lit. d). Dort heißt es nämlich, dass nur solche Informationen Schutz genießen, die “sachlich richtig“ sind.

Procedural fairness

Wohlwissend, dass es in der Praxis teilweise unmöglich ist, die Fälle anhand der bisher bekannten Techniken zu einem sachgerechten Ergebnis zu führen schlägt der Generalanwalt vor, dass ein neues Verfahren implementiert werden müsse, um faire Ergebnisse zu erzielen. Er spricht von einer sogenannten „procedural fairness“.

Hiernach soll der Antragsteller einen Anscheinsbeweis für die Unrichtigkeit der Informationen liefern, auf die das jeweilige Suchergebnisse verlinkt, soweit ihm das möglich ist. Google soll auf der anderen Seite dann verpflichtet sein, den Vortrag zu überprüfen und das “Streitgespräch“ mit dem Inhalteanbieter (Betreiber der Internetseite) zu suchen, sofern dies möglich ist. Im Anschluss soll Google dann eine Entscheidung treffen mit Angabe einer – hoffentlich justitiablen - Begründung.

Das bedeutet, dass bei Zweifeln an der Richtigkeit oder auch an der Unrichtigkeit der Information keine Auslistung erfolgen soll. Das gleiche gilt für Meinungsäußerungen wie auch für den Fall der Satire. Der Anspruch auf Auslistung bestünde zudem nur bei Tatsachenbehauptungen. Die Grenze sei allerdings erreicht, wenn beispielsweise der Tatbestand der Verleumdung erfüllt sei. Aber auch hier geht es letzten Endes um die Verbreitung von Tatsachenbehauptungen, die dem Beweises zugänglich sind.

Irreparable Schäden durch Suchergebnisse

Der Generalanwalt hat sich weitergehende Gedanken gemacht, wie mit Sachverhalten umgegangen werden soll, die zu irreparablen Schäden führen können - sei es für den Antragsteller oder aber auch für Google oder den Webseitenbetreiber. Er schlägt vor, dass in solchen Fällen eine vorübergehende Aussetzung der Suchergebnisse erfolgen soll. Alternativ hierzu wäre es auch denkbar, dass Google einen Hinweis zu dem jeweiligen Suchergebnis gibt, dass die Richtigkeit einiger Infos, die in dem Beitrag enthalten sind, bestritten wird.

Gegen dieses Vorgehen solle der Rechtsweg für den Antragsteller offenstehen, der sich nicht damit begnügen möchte, dass die Suchergebnisse nur vorübergehend ausgelistet werden.

Dies sei ein ausgewogener Ausgleich, der verhindere, dass Google zum „Richter über die Wahrheit“ werde. Zudem verhindere man auf diese Art und Weise auch eine “private Zensur“.

Auslistung von Thumbnails

Der Generalanwalt musste sich auch mit der Frage beschäftigen, wie zu verfahren ist, wenn die Entfernung von Vorschaubildern (Thumbnails) aus den Suchergebnissen beantragt wird. Der Generalanwalt ist der Auffassung, dass die Indexierung der Bilder eine eigenständige Verarbeitung sei, die unabhängig von dem Kontext der Veröffentlichung gesehen werden müsse. Sein Argument: Das Bildnis einer Person sei das Hauptmerkmal der Persönlichkeit. Der Schutz der Person am eigenen Bild könne nur effektiv durchgesetzt werden, wenn die betreffende Person auch die Möglichkeit habe, die Verbreitung des Bildes zu untersagen. Das bedeutet freilich nicht, dass nun jeder Bürger (m/w/d) einen Anspruch darauf hat, dass alle Bildnisse aus dem Internet verschwinden. Ein Anspruch dürfte demnach nur dann bestehen, wenn die Fotos selbst „besonders persönliche oder gar intime Informationen über eine Person oder ihre Familie vermitteln können“, so der Generalanwalt.

YouTube Video: Google Recht auf Vergessenwerden - EuGH entscheidet
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Google Recht auf Vergessenwerden - EuGH entscheidet

Entscheidung des EuGH steht noch aus

Zu beachten ist, dass die Schlussanträge keine Entscheidungen oder Urteile darstellen. Es ist ein Vorschlag des Generalanwaltes an den EuGH, wie entschieden werden könnte. Der EuGH muss sich nicht an die Schlussanträge erhalten, kann dies jedoch tun. Wann der EuGH sich rechtsverbindlich hierzu äußern wird können wir aktuell noch nicht beantworten. Abweichende Entscheidungen sind auf jeden Fall möglich.

Stellungnahme zu den Schlussanträgen

Nach meinem Dafürhalten hat sich der Generalanwalt nicht nur tiefgehende Gedanken über die rechtlichen Problematiken gemacht, sondern auch die Eigenheiten des “System Internet“ bedacht. Der Vorschlag eines fairen Verfahrens „procedural fairness“ begrüße ich in jeglicher Hinsicht. Wir leben in einer Zeit, in der schablonenhafte Subsumtionen immer mehr ungeeignet erscheinen, um wirklich sachgerechte Lösungen oder wenigstens Einigungen herbeizuführen. So kann dies zum Anlass genommen werden, außergerichtlich den Großteil der Fälle sachgerecht zu erledigen. Ich halte es für abwegig, dass Google tatsächlich in den Einzelfällen das sogenannte “Streitgespräch“ zu dem Inhalteanbieter suchen wird. Das wäre wohl zu zeitaufwendig und zu teuer. Wünschenswert wäre es alle Mal. Wenn der EuGH dem Generalanwalt folgt, so würde dies in jedem Fall dazu führen, dass ein Stück weit klarer ist, welche Bedeutung Google als Suchmaschine auch zur Aufrechterhaltung der Demokratie zukommt (eine passive Rolle verbietet sich). Auf der anderen Seite müssen auch die Antragsteller sehen, dass sie kein Recht darauf haben durch die Suchmaschinen so dargestellt zu werden, wie es ihnen beliebt. Dies wäre schlussendlich auch nicht im Sinne der User und damit der Öffentlichkeit.

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Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht LL.M. und Mediator

Karsten Gulden ist Rechtsanwalt & Mediator; Mitgründer und Gesellschafter der Kanzlei gulden röttger rechtsanwälte, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht seit 2009, Wahlfachprüfer beim Justizministerium Mainz/Rheinland-Pfalz und Mitglied im NetzDG-Prüfausschuss der FSM.
Zudem ist er ein Familienmensch, der das Klettern, die Berge & das Campen liebt. Die meiste freie Zeit verbringt er mit der Familie & den Pferden in freier Natur.

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