Die Klage eines Arztes wegen der Berichterstattung über einen Arzthaftungsprozess wegen eines möglichen Behandlungsfehlers wurde in der ersten Instanz abgewiesen.
Schmerzensgeldprozess
Geklagt hatte ein Arzt wegen mehrerer Berichte einer seriösen Tageszeitung, die sich auf eine Schmerzensgeldklage eines Patienten des Klägers bezogen.
Unstreitig kam es zu Komplikationen während einer Operation, sodass die Operation abgebrochen werden musste. In dem Prozess konnte das Gutachten keinen Zusammenhang zwischen dem körperlichen Schaden und der Operation oder den Abbruch der Operation herstellen. Streitig blieb, ob den Aufklärungspflichten vor der Operation hinreichend nachgekommen worden war.
Die Tageszeitung berichtete hierüber unter Darstellung verschiedener Fragen – sinngemäß wie: …hat ein Arzt bei der Operation eines Patienten Fehler gemacht? Wurde der Patient ausreichend über die Risiken informiert? Zudem berichtete die Zeitung, dass dies die Streitpunkte in einem gerichtlichen Verfahren seien.
Im Konjunktiv berichtete die Zeitung weiter, dass der Mann den Mediziner verklagt habe, weil der bei einer OP Fehler gemacht und sich deshalb sein Zustand verschlechtert habe.
Verdachtsberichterstattung
Der Kläger war nun der Auffassung, dass unzulässigerweise ein Verdacht verbreitet würde, dass es zu OP-Fehlern des Arztes gekommen sei. Die Gestaltung der Verdachtsberichterstattung unterstelle einen Behandlungsfehler des Klägers, was ehrabträglich und geschäftsschädigend sei. Eine Anhörung des Klägers vor der Veröffentlichung des Beitrages habe nicht stattgefunden.
Im ersten Schritt wurde der Verlag abgemahnt. Die Abmahnung wurde zurückgewiesen.
Für den Verlag haben wir die Klageabweisung beantragt, da die Berichterstattung nach unserer Auffassung rechtmäßig war und der Kläger vor der Berichterstattung auch konfrontiert wurde mit den entsprechenden Fragen und Darstellungen.
Klageabweisung durch das Gericht
Das Gericht folgte unserer Auffassung und wies die Klage ab.
Zwar läge ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers vor (informationelle Selbstbestimmung). Allerdings sei die Berichterstattung nach Abwägung der Grundrechtspositionen nicht rechtswidrig. Die Pressefreiheit überwiege vorliegend.
Sicht des Durchschnittslesers
Es verbiete sich eine isolierte Betrachtung einzelner Sätze oder Satzteile mit tatsächlichen Gehalt. Man müsse im Wege der Gesamtbetrachtung der Veröffentlichung aus Sicht des Durchschnittslesers die Berichterstattung auslegen. Maßgeblich für die Auslegung der Äußerung eines Presseartikels sei weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis des Betroffenen, sondern allein das Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums, welches den Artikel zur Kenntnis nimmt.
Vorliegend wurden Meinungen der Patienten und lediglich einzelne Fakten vorgetragen, aus denen ein unvoreingenommener Leser eigene Schlüsse ziehen konnte. Dass es Vorwürfe weiterer Patienten gegen den Arzt gab, war unstreitig. Die Kritik an der ärztlichen Praxis des Klägers erfolgte also nicht ins Blaue hinein, sondern es lag ein konkreter Behandlungsvorgang zugrunde.
Berichterstattung im Konjunktiv
Relevant sei nach Auffassung des Gerichts auch, dass sämtliche wiedergegebenen Schlussfolgerungen der Patienten und deren Kritik eine Behandlung des Klägers in den angegriffenen Beiträgen im Konjunktiv gehalten wurden. Hierdurch sei dem Durchschnittsleser klar, dass es sich um bislang nicht feststehende Vorwürfe durch Patienten handele. Aus dem Gesamtkontext des Artikels trete klar hervor, dass bislang nicht beurteilt werden könne, ob ein ärztlicher Behandlungsfehler gemacht worden sei.
Zu-Eigen-machen der Presse
Ein Presseorgan mache sich die Äußerung eines Dritten in einem Interview nicht schon mit deren Verbreitung dadurch zu eigen, dass es sich-wie vorliegend-nicht ausdrücklich davon distanziert.
Im Übrigen habe die Autorin auch ihre journalistischen Sorgfaltspflichten eingehalten. Ein öffentliches Informationsinteresse an dem Thema möglicher ärztlicher Behandlungsfehler sei zumindest lokal gegeben, welche für das Leben der Patienten einschneidende Veränderungen mit sich bringen können.
Das Berufungsverfahren läuft seit Mitte des letzten Jahres. Eine inhaltliche Äußerung des OLG zum Fall liegt bisher nicht vor. Wir werden weiter berichten.
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